Deutscher Rüstungskonzern Rheinmetall will doch keine Panzer für Erdogan bauen

Schützenpanzer vom Typ Puma fahren auf dem Erprobungsgelände des Unternehmens Rheinmetall während einer Schießübung (Symbolbild)
© Holger Hollemann / DPA
Am Sonntag soll der türkische Präsident Erdogan den Grundstein für eine neue Fabrik legen, in der auch Kampfpanzer gebaut werden sollen. Der deutsche Konzern Rheinmetall ist aus dem Projekt nach eigenen Angaben ausgestiegen.

Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, kommt er am Sonntag: Der Bau des Kampfpanzers Altay ist Chefsache in der Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich will laut Berichten in der Presse des Landes am Sonntag die Grundsteinlegung für ein neues Werk des türkischen Fahrzeugherstellers BMC zelebrieren, im Ort Karasu an der Schwarzmeerküste. Hier, etwa drei Autostunden östlich von Istanbul, sollen nach Erdogans Willen künftig auch die einheimischen Kampfpanzern vom Typ Altay gebaut werden; einen offiziellen Auftrag zur Fertigung von 250 von ihnen hat BMC im November bekommen.

Bisher war auch der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall an einer Beteiligung an dem Projekt interessiert; der stern hat wiederholt darüber berichtet. Dafür hatten Rheinmetall und BMC im Herbst 2016 eigens das in Ankara ansässige Joint Venture RBSS gegründet, zusammen mit einer Partnerfirma aus Malaysia. Doch jetzt kommt laut Firmenangaben das Aus. Ein Rheinmetall-Sprecher schrieb auf Anfrage des stern, dass man das Projekt aufgegeben habe: "Das Joint Venture befindet sich derzeit in Auflösung", verbreitete Unternehmenssprecher Peter Rücker. Und nein, es treffe "nicht zu", dass man noch an dem Altay-Projekt festhalte.

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stern-Recherchen: Rheinmetall könnte zumindest indirekt bei Produktion helfen

Zuletzt hatte es nach Recherchen des stern eigentlich neue Indizien gegeben, dass Rheinmetall zumindest indirekt bei der Altay-Produktion helfen könnte. Ausweislich ihrer Profile auf der Karrierewebseite LinkedIn haben nämlich allein seit Juli 2018 gut 20 neue Fachkräfte eine Tätigkeit bei RBSS aufgenommen. Einer der neuen Mitarbeiter – ein Ingenieur für aktive Sicherheitssysteme, der im September 2018 anheuerte - kümmert sich bei dem Joint Venture nach eigenen Angaben ausdrücklich um den Altay. Etwa die Hälfte der neuen Mitarbeiter – darunter eine Reihe weiterer Ingenieure - wechselten von der türkischen Konkurrenzfirma Otokar zu RBSS. Otokar hatte für die türkische Rüstungsbeschaffungsbehörde den Prototypen des türkischen Kampfpanzers entwickelt. Mehrere der neuen RBSS-Mitarbeiter gaben auf Linked an, dass sie in der Vergangenheit an der Entwicklung des Altay gearbeitet hatten. Jetzt käme ihr Know-how also dem Rheinmetall-Ableger zugute – das laut Rheinmetall aber aufgelöst wird.

Bereits vor Juli 2018 hatte RBSS schrittweise dutzende Fachkräfte eingestellt, darunter bereits damals etwa 20 frühere Otokar-Leute. Einer von ihnen, der im Oktober 2017 von Otokar zu dem Rheinmetall-Ableger wechselte, gibt auf LinkedIn ausdrücklich an, dass er an der "Vorbereitung" der Infrastruktur für die Qualitätskontrolle im "Werk Karasu" arbeite. 

Glaubte man dem, was die Rheinmetall-Zentrale in Düsseldorf sagt, dann würde man bei RBSS statt Neueinstellungen eher Entlassungen erwarten. Allerdings hatte das Unternehmen schon in der Vergangenheit Aussagen über das Türkei-Projekt verbreitet, an deren Stichhaltigkeit man Zweifel haben konnte.

Rheinmetall-Chef beteuerte: "Wir haben keine Absicht, dort eine Panzerfabrik zu bauen"

Nachdem der stern die Türkei-Pläne des Konzerns im März 2017 im Detail publik gemacht hatte, hatte das Unternehmen die geplante Panzerproduktion zunächst eingeräumt – trotz der autoritären Politik von Erdogan und obwohl damals gerade die Verhaftung des deutschen Journalisten Deniz Yücel Schlagzeilen machte. Doch nachdem die Rheinmetall-Absichten Proteste auslösten, ruderte das Unternehmen zurück und behauptete im Sommer 2017, das Joint Venture sei "im Moment nicht aktiv". 

Allerdings hatte das Gemeinschaftsunternehmen da gerade ein dreistöckiges Bürogebäude in Ankara bezogen. Dennoch versuchte Rheinmetall-Chef Armin Papperger, das "kleine Investment" in das Land des Präsidenten Erdogan nach Kräften weiter herunterzuspielen: "Wir haben keine Absicht, dort eine Panzerfabrik zu bauen", beteuerte er im November 2017: "Solche Gerüchte stimmen einfach nicht." Im selben Jahr hatten Mitarbeiter bei Rheinmetall allerdings bereits Präsentationen erstellt, in denen man BMC für das Werksprojekt in Karasu eine "Partnerschaft" und eine "schlüsselfertige Lösung" anbot. Dazu kam es nicht, vielleicht auch weil andere deutsche Firmen bei der Sache nicht mitmachen mochten. Aber die Pläne waren damit offenbar noch nicht gestorben.

Im Dezember 2017 – einen Monat nach Pappergers Dementi - stellte Yasin Öztürk aus der Unternehmensspitze von BMC die Sache so dar: Das zu 40 Prozent von Rheinmetall kontrollierte Joint Venture werde 60 Millionen Dollar auf dem Gelände an der Schwarzmeerküste in Karasu investieren. Die gleiche Zahl nannte im Juni 2018 das Fachmagazin "Defence Turkey". Auf Satellitenaufnahmen konnte man im Lauf des Jahres 2018 verfolgen, wie immer größere Teile des insgesamt 222 Hektar großen künftigen Werksgeländes in Karasu gerodet wurden.

"Rheinmetall und die türkischen Firmen sind sehr zufrieden mit der Kooperation, die sie bislang haben"

Noch Anfang Juni 2018 pries auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu die engen Bande mit dem deutschen Konzern: "Rheinmetall und die türkischen Firmen sind sehr zufrieden mit der Kooperation, die sie bislang haben", versicherte der Minister in einem dpa-Interview: "Ich habe auch den Rheinmetall-Vertreter in der Türkei getroffen, er ist ein deutscher Freund". Rheinmetall sei "sehr glücklich darüber, in der Türkei zu sein."

Was Rheinmetall in der Türkei alles vor hatte, skizzierten Firmenmanager intern bereits Ende 2015: Man würde gerne zusammen mit BMC 1000 nagelneue Kampfpanzer des Typs Altay bauen. Das Joint Venture solle auch ein "Global Player" auf den Exportmärkten werden, nicht zuletzt im Emirat Katar, das fast 50 Prozent der Firmenanteile von BMC hält. Rheinmetall werde dafür "alle notwendigen technologischen Fachkenntnisse" liefern.

Damit ist es jetzt also angeblich vorbei. Um das Projekt zu beschleunigen wollen dafür die Türken jetzt auch das Instandhaltungszentrum ihrer Landstreitkräfte in Arifiye nutzen. Der Ort ist nicht weit von Karasu entfernt. Ein Teil des Militärstandortes in Arifiye soll für die Arbeiten am Altay reserviert und zugleich eigens privatisiert werden.  

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