Was bedeutet das EuGH-Urteil für die Besitzer von Dieselfahrzeugen?
Aneta Pacura: Das Urteil ist eine Riesenchance für alle, die bisher noch keinen Schadenersatz bekommen haben. Es wird künftig wesentlich einfacher, die Ansprüche gegen die Autoindustrie durchzusetzen. Dank der wegweisenden Entscheidung müssen Kläger und Kanzlei den Herstellern keinen Vorsatz beim Einbau der illegalen Abschaltrichtung mehr nachweisen. Fahrlässigkeit reicht – und das ist natürlich viel leichter. Das Urteil erstreckt sich zudem nicht nur auf das Thermofenster, sondern auf alle Abschalteinrichtungen, die dazu führen, dass ein Wagen auf der Straße die Abgaswerte überschreitet.
Bisher haben sich die Hersteller darauf berufen, dass sie nicht vorsätzlich sittenwidrig gehandelt hätten. Schließlich hätten die Kfz-Ämter die Autos für den Straßenverkehr zugelassen. Diese Ausrede zieht nicht mehr?
Ich habe es nie verstanden, warum die Hersteller damit durchgekommen sind. Denn diese Abschalteinrichtungen müssen im Bewusstsein eingebaut worden sein, die Abgasreinigung im regulären Straßenbetrieb unter bestimmten Voraussetzungen abzuschalten. Dass dies vorsätzlich geschah, ist meines Erachtens nach offensichtlich und muss jetzt nicht mehr nachgewiesen werden.

Wogegen verstoßen diese Abschalteinrichtungen denn nun eigentlich?
Gegen die gesetzlichen EU-Vorgaben zur Luftreinhaltung. Sie geben die zulässigen Grenzwerte vor, um Mensch und Umwelt zu schützen.
Erwarten Sie eine neue Klagewelle?
Ja, definitiv. Es gibt Millionen Betroffene, die ihre Rechte auch jetzt noch durchsetzen können. Allein ich habe circa 4000 aktive Verfahren anhängig, Tausende weitere stehen in den Startlöchern. Der Bundesgerichtshof hat 1900 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden zurückgestellt. Die werden nun alle neu aufgerollt und neu bewertet. Ich rechne damit, dass die Entschädigungssummen höher sein werden als in der ersten Runde. Wir sprechen vom Dieselskandal 2.0.
Müssen alle wieder einzeln klagen?
In Deutschland muss jeder einzelne Fall vor Gericht verhandelt werden. Es gibt zwar die Musterfeststellungsklage. Aber die können wir als Anwälte nicht initiieren.
Wer genau kann von dem Urteil profitieren?
Das EuGH-Urteil betrifft Marken aller Automobilhersteller, nicht nur die Deutschen. Hierzulande gibt es lediglich eine Einschränkung: Liegt der Kaufzeitpunkt länger als zehn Jahre zurück, sind die Schadensersatzansprüche verjährt. Eine andere Verjährungsfrist sehe ich nicht. Damit haben alle Dieselfahrer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Ansprüche – auch nach einem eventuellen Software-Update. Denn damit ist längst nicht gewährleistet, dass die Fahrzeuge sauber sind.
Was ist mit der Schadenshöhe? Hilft das EuGH-Urteil da auch den Verbrauchern, sprich Besitzern von geschädigten Dieselfahrzeugen?
Der EuGH gibt keine konkrete Berechnung vor. Was er aber sagt: Die Höhe des Schadensersatzes muss angemessen und effektiv sein. Das heißt, er muss außerdem den Verbraucher angemessen entschädigen und nicht den Automobilherstellern zugutekommen. Dafür kämpfen wir schon seit Jahren. Diese Entscheidung ist revolutionär.
Heißt das, Sie rechnen mit deutlich höheren Entschädigungen für die Verbraucher?
Ja, definitiv! Es kommt natürlich darauf an, was eingeklagt wird. Geht es zum Beispiel um die Rückgabe des Fahrzeugs, dann wurde bislang eine Nutzungsentschädigung berechnet, die oft den Schadensersatz zunichtemachte. In einigen Fällen sollten Verbraucher ihr Fahrzeug zurückgeben, ohne einen einzigen Cent Entschädigung zu erhalten. Das kann nicht richtig sein! Deswegen fordert der EuGH, dass die Entschädigung effektiv und angemessen sein muss.
Welcher Auto-Typ bin ich bloß?

Alltagstauglichkeit: Groß. Ein dichtes Netz aus Tankstellen sowie die hohe Zuverlässigkeit der ausgereiften Technik machen den Verbrenner immer noch zur ersten Wahl in Sachen entspannten Fahrens, ob auf Kurzstrecke oder der 1300 Kilometer-Tour mit Dachbox und Anhänger zum Urlaubsort. Planung ist nicht notwendig, die nächste Tankstelle ist nie weit. Selbst bei Spirtpreisen von 1,60 Euro ist das herkömmliche Auto für die meisten Autofahrer noch konkurrenzfähig gegenüber Alternativen.
Wartung und laufende Kosten:
Zwar ist die Technik ausgereift, aber sie verlangt laufende Wartung: Öl, Zündkerzen, Zahnriemen, Injektoren, dann noch die Abgasuntersuchungen. Wenn der Katalysator defekt ist, überschreitet die Werkstattrechnung schnell die 1500 Euro-Marke. Die laufenden Kosten summieren sich, je älter das Auto ist desto schneller. Im Schnitt fällt alle 20.000 Kilometer eine Reparatur oder Wartung an.
Preis und Förderung
Die Tage des Verbrenners sind gezählt. Bereits heute verliert ein Neuwagen im ersten Jahr etwa 25 Prozent an Wert, in jedem weiteren Jahr dann etwa fünf Prozent. Durch das von der Politik forcierte Ende der Brennstoffmotoren, dürfte der Wertverlust künftig noch höher ausfallen. Bereits heute stehen Hunderttausende Leasingrückläufer und Jahreswagen auf Halde. Zwar wird die Kfz-Steuer nach Hubraum und CO2-Ausstoß berechnet, die Summe fällt jedoch kaum ins Gewicht.
Umweltaspekt:
Die CO2-Bilzanz von Verbrenner gegenüber dem E-Antrieb wird häufig über den gesamten Lebenszyklus der beiden fahrzeugtypen berechnet. Je nach Sichtweise und Studien-Auftraggeber erweist sich dabei selbst ein Diesel als CO2-schonender als in E-Auto. Solche Berechnungen sind legitim, sie lassen jedoch außer Acht, dass sich die Vorkommen fossiler Brennstoffe dem Ende zuneigen. So oder so wird die traditionelle Antriebstechnik ihr im Wortsinn natürliches Ende finden.
Geeignet für:
Wer jetzt noch einen zehn Jahre alten Verbrenner hat, sollte ihn im Sinne der Klimabilanz so lange wie möglich fahren. Autos dieser Altersklasse haben oft eine Start-Stopp-Automatik, Systeme zur Energierückgewinnung beim Bremsen und andere Techniken, die den Verbrauch senken. Vielfahrer mit hoher Kilometerleistung kommen am Verbrenner derzeit kaum vorbei. Auch Familien, die gern mit Dachbox und Anhänger in den Urlaub fahren, dürften sich mit reinen E-Auto schwertun. Eine Alternative wäre der Hybrid.
Anwälte haben mit den Dieselklagen viel Geld verdient. Es ist eine neue Klägerindustrie entstanden, die Massenverfahren durchzieht.
Ich finde es 100 Prozent richtig, was wir tun. Es geht hier um einzelne Verbraucher, die einen erheblichen finanziellen Schaden erlitten haben und alleine keine Chance gegen die Automobilbranche hätten. Massenverfahren sind die einzige Möglichkeit, Druck aufzubauen und die Rechte einzelner, geschädigter Verbraucher erfolgreich durchzusetzen. Und man darf nicht vergessen: Es gäbe ja diese vielen Klagen nicht, wenn die Automobilhersteller gesetzeskonform gehandelt hätten.
Das Interview erschien zuerst hier bei "Capital".