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Fahrradtest Tern NBD S5i – komfortables Mini-Rad für E-Bike-Einsteiger

Das kleine Rad lässt sich in einen echten Lastesel verwandeln. 
Das kleine Rad lässt sich in einen echten Lastesel verwandeln. 
© Tern / pr
Sehr bequem, sehr sicher und von unterschiedlich großen Personen zu benutzen. Das NBD von Tern ist ein ganz besonderes E-Bike. Besonders geeignet ist es für Bike-Einsteiger, die sich auf anderen Rädern unsicher fühlen. Aber auch ein geübter Fahrer hat Freude an dem kompakten Rad.

Auf den ersten Blick erinnert das Tern NBD S5i mit seinen kleinen Reifen an ein Kinderfahrrad. 20 Zoll sind im Vergleich zu den großen Standardreifen von 28 bzw. 29 Zoll winzig. Das Rad wurde auf zwei Zwecke hin optimiert. Den einen stellt der Hersteller besonders heraus: Es ist ein E-Bike für Nicht-Fahrradfahrer, dessen bequeme Ergonomie auch Ungeübte und Fahrradmuffel auf den Sattel bringen soll. Dazu lässt sich die Lenkstange bei dem ohnehin kleinen Rad abknicken, so dass es sich auf kleinem Raum abstellen und transportieren lässt.

Das Rad fährt unten

Steht man als Mann mit etwa 180 Zentimeter Größe vor dem Tern, nimmt man nur Lenker und Sattel wahr, der "Körper" des Rades liegt irgendwo weit unten. Das fällt aber nicht mehr auf, sobald man startet. Auf die kleinen Felgen wurden breite Ballonreifen gezogen. Sie dämpfen Unebenheiten ab und wirken den Effekten des kleinen Radius entgegen. Ihre Breite führt zu einem sicheren Halt auf der Fahrbahn und die Reifen erzeugen ein sattes Gefühl beim Abrollen.

Über den Pneus baut das Rad steil nach oben auf. Und das im Wortsinn. Auf dem Tern NBD sitzt man komplett aufrecht ohne jede Vorlage. Die Nabe des Vorderrades liegt beinahe direkt unter dem Lenker, der Po sitzt nur knapp vor der Hinterradnabe. Die Sitzlage ist wie auf einem Stuhl. Der Vorteil: Aufrechte Haltung führt zu einem freien Blick auf das Verkehrsgeschehen und bringt keinen Druck auf Handgelenke und Nacken - sonst typische Unwohl- oder gar Schmerzenszonen für ältere Radfahrer.

Der flache Radkörper führt zu einem niedrigen Schwerpunkt, der das Rad in jeder Lage stabiler macht. Das NBD hat einen flachen und langen Durchstieg. Man kann daher sehr sicher auf- und absteigen. Der Fuß lässt sich ohne Verdrehungen über den Rahmen führen. Ein wichtiger Punkt für Personen mit Gelenkproblemen. Dazu kann man jederzeit leicht beide Füße auf den Boden bekommen.

Super bequeme Haltung 

Die aufrechte Haltung führt dazu, dass das Gewicht auf dem Po ruht und auch die Schultern nicht belastet werden. Die typischen Verspannungen von Handgelenken, Nackenpartie und Halsmuskulatur werden so umschifft. Das NBD besitzt fette Ballonreifen, aber keine Federung von vorderer Gabel und hinterer Schwinge. Dafür wurde eine gefederte Sattelstütze verbaut. Im Bereich des sportlichen Fahrens ist so eine Lösung nicht die erste Wahl, hier passt es sehr gut. Die Federung ist nötig, um Stöße wie durch ein Schlagloch abzufedern. Denn die sitzende Position und der Motor, der die Arbeit macht, führen dazu, dass man sehr locker auf dem NBD hocken kann. Anders gesagt: Man fährt ohne Anspannung der eigenen Muskulatur, ein Schlag von unten geht direkt auf die Bandscheiben. Das kann dank der Stütze nicht passieren.

Exaktes Fahren auch mit kleinen Reifen

Angetrieben wird das Bike von dieser Kombination: Ein Bosch Performance Line-Antrieb mit 65 Nm Drehmoment und bis zu 300 prozentige Unterstützung der Pedalkräfte, ein wartungsfreier Riemen, 500 Wattstunden Akku und eine Fünf-Gang-Nabenschaltung. Wieso nur fünf Gänge kann man sich fragen, ist eine mit acht oder gar elf Gängen nicht besser? Hier nicht, die Fünf-Gang-Schaltung hält die 65 Newtonmeter des Motors aus. Die Schaltungen mit feineren Abstufungen nicht. Nebenbei bemerkt ist die solidere Schaltung auch merklich teurer.

Mit dem Motor ist das Rad stark motorisiert, auch wenn viel Gewicht etwa durch einen Kindersitz bewegt wird. Steigungen von über zehn Prozent sind kein Problem - für extreme Anstiege am Berg ist das Rad mit seiner relaxten Sitzposition natürlich nicht gedacht. Auch mit den kleinen Reifen läuft das Tern sicher und ruhig. Über den beinahe geraden Lenker hat man eine gute Kontrolle und das Vorderrad hat genug Bodenhaftung, auch wenn der Großteil des Gewichtes auf dem Hinterreifen lastet. Auch bei 25 km/h läuft das Rad sicher und ruhig. Geht es bergab, haben wir es dann bei knapp über 30 km/h eingebremst.

Wegen der geringen Länge ist das Tern sehr handlich. Es benötigt nur einen kleinen Wendekreis und lässt sich schiebend einfach bewegen. Man eckt einfach nicht überall an, so wie mit einem großen Rad. Dabei ist es kein Spielzeug. Der feste Gepäckträger hinten trägt 27 Kilogramm. Das Rad ist für 140 Kilogramm Gewicht zugelassen. Für das kleine Bike gibt es Taschen und Körbe für hinten und auch vor dem Lenker kann man Tasche oder Korb einhängen. Beim Testrad war das alles dabei, privat müssten die Accessoires extra bestellt werden. Wenn man mag, kann man das Rad also zu einem Lastesel umrüsten. Besonders gefallen haben uns die Körbe, die man am hinteren Gepäckträger einrasten kann. Ein Kindersitz wurde nicht ausprobiert, aber hier wird man von der geringen Höhe des Trägers profitieren.

Kann leicht verstellt werden

Das Tern NBD ist ein Rad für unterschiedliche Körpertypen. Tern gibt an, dass man es von 147 bis 190 Zentimeter Körpergröße benutzen kann. Wir halten das sogar für realistisch. Die Sattelstange hat einen sehr weiten Verstellbereich. Dazu kann die Lage des Lenkers mit einem Hebelsystem einfach verstellt werden. Das Rad kann also von sehr unterschiedlichen gebauten Menschen benutzt werden und quasi mit zwei Handgriffen auf die Körpergröße angepasst werden.

Auf der Straße, beim Schieben und Abstellen benötigt das Tern NBD wenig Platz. Das gilt auch, wenn es in einer Ferienwohnung untergestellt werden soll. Wer mag, kann das Rad sogar senkrecht aufstellen. Dann ruht es auf dem Hinterrad und dem speziell geformten Träger. So benötigt es wenig Standfläche. Praktisch auch, wenn es in einen Fahrstuhl transportiert wird. Große 28er passen in viele Fahrstühle nicht hinein. 

Zudem lässt sich die Sattelstange entnehmen und der Lenker umklappen, so kommt man auf ein kompaktes Packmaß. Zusätzlich könnte man Klapppedale montieren, das reduziert die Breite des Bikes weiter. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das Tern ist kein Klapprad – der Rahmen wird nicht gefaltet. Mit 23,4 Kilogramm wiegt das NBD soviel wie andere E-Räder auch. Das ist also kein Leichtgewicht, das jemand mit Beschänkungen, locker hochheben kann. Davon  abgesehen kann man ein oder sogar zwei Räder in jedem Kombi, SUV oder Minivan hinten im Laderaum mit sich führen, ohne die Vorderräder ausbauen zu müssen, und ohne einen Träger hinter dem Auto. Eventuell ist eine Laderampe für Hunde hilfreich.

Für viele Dinge optimal 

Was geht nicht? Das Tern ist kein Mountainbike. Wegen der aufrechten Haltung sollte man Sprünge vermeiden und auch höhere Kantsteine auslassen. Bei Gefälle muss man abschätzen, wie weit man gehen will. Wir würden die Toleranzgrenze bei knapp über 30 km/h ansetzen. Im Test wurde das Tern mehrmals über eine Pendlerstrecke von zwei Mal 15 Kilometer bewegt. Auch das ist bequem möglich, auch wenn das Rad eher für kürzere Distanzen und nicht für lange Touren gedacht ist.

Wer im Wesentlichen kürzere Strecken bequem zurücklegen möchte, profitiert von den Vorzügen des Konzepts und muss dafür keine Nachteile in Kauf nehmen. Die Reifen bringen das Rad auf jeder Fahrbahn voran – Kopfsteinpflaster inklusive. Wird das Pflaster sehr rau, muss vorsichtiger gefahren werden – wie bei fast jedem Rad. Anders, als man vielleicht denken mag, kommt das Tern NBD gut mit Feld- und Waldwegen und Rasenuntergrund zurecht. Übung im Fahrradfahren ist bei schwierigen Untergründen jedoch hilfreich. Wer häufig eine gedeckte Fahrbahn verlässt, sollte die reine Straßenbereifung gegen Gummis mit mehr Profil austauschen. 

Nicht gerade billig

Wir waren von den fahrerischen Qualitäten überzeugt. Das NBD S5i ist die richtige Wahl, wenn man die kompakten Maße, das einfache Auf- und Absteigen und die bequeme, sichere Sitzposition zu schätzen weiß. Auch ein guter Fahrer ohne Bewegungseinschränkungen hat Spaß an diesem Rad. Abgesehen von großen Touren ist das Rad auch für längere Distanzen gut. Das Fahrgefühl ist direkt und sicher – nur akrobatische Sprünge sollte man vermeiden. Auch mit den kleinen Reifen kommt es gut mit Feldwegen und leichtem Gelände zurecht, für echtes Offroad ist es nicht geeignet. Kurzum, für die anvisierte Zielgruppe ist das Rad ziemlich perfekt. Wie viel leichter sich so ein Mini-Rad im Verkehrsgewühl bewegen lässt, bemerkt man erst, wenn man es im Vergleich einmal ausprobiert. Für jemanden, der lange Zeit kein Rad gefahren ist oder unter Bewegungseinschränkungen leidet, dürfte das NBD-Konzept sowieso eine sehr gute Wahl sein.

Bei so viel Sonnenschein gibt es auch einen dunklen Fleck. Das Tern NBD S5i ist mit 5399 Euro ziemlich teuer. Das wundert nicht. Andere Edelmarken wie Riese und Müller oder Brompton preisen genauso. Das Rad ist das Geld wert, nur muss man die Finanzen auch haben. Die Variante NBD P8i hat eine etwas abgespeckte Ausstattung – schwächerer Motor und Akku - und ist dafür deutlich günstiger, aber auch mit 4499 Euro wird das NBD P8i kein Preisschnapper.

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