Die 24 Stunden von Daytona sind eines der traditionsreichsten Langstreckenrennen der Welt. Zusammen mit den Klassikern von Le Mans und am Nürburgring gibt es keine Rennveranstaltung, die mehr Fans begeistert. Dieses Jahr kam dem Klassiker an der Ostküste Floridas eine besondere Aufmerksamkeit zu, denn erstmals waren die neuen LMDh-Prototypen am Start. Beim Auftakt der neuen Rennklasse immerhin mit vier Marken, bis zum kommenden Jahr sollen es mehr als doppelt so viele sein. Die Rennwagen der Prototypenklasse können erstmals baugleich in der weltweiten WEC starten, wozu auch die Rennen in Le Mans oder Spa gehören, sowie in der amerikanischen IMSA-Serie. Anders als bei dem WEC-Aushängeschild der LMP1, die nach dem Ausstieg von Porsche und Audi von Toyota dominiert wird, sollen sich die laufenden Kosten für die Teams in Grenzen halten. Mit bekannten Marken soll die Langstreckenmeisterschaft wieder zu dem werden, was sie einst war und das erstmals zeitgemäß elektrisiert.
Hochspannung an der Partymeile

Während die Autohersteller die Hybridmodelle mit ihrer neuen Technik feiern, ficht das die Fans bei dem Großevent in Florida nicht an. „Ich bin zum 17. Mal hier den 24 Stunden“, lacht die 48jährige Megan, „ich würde sonst zu keinem Autorennen fahren. Doch Daytona ist eine Schau – so etwas gibt es nur hier. Da trifft man so viele Fans, die man schon kennt. Die Stimmung – einzigartig.“ Die neue Rennkasse LMDh, die im offiziellen Reglement nur GTP heißt, kennt sie nicht näher. Pete, mit seinen beiden Söhnen nach Daytona gekommen, geht es als eingefleischtem Cadillac-Fan nicht anders: „Daytona ist für uns jeden Januar gesetzt und erstmals sind wir diesmal mit einem Wohnmobil im Infield – weil es meine Jungs so wollten. Die neuen GTP-Renner sehen spitze aus und der Sound ist spitze. Klasse, dass Porsche und BMW wieder dabei sind; fehlt nur noch Ferrari.“
Er kann sich freuen, denn Ferrari testet aktuell auf der Rennstrecke von Sebring, nicht einmal 200 Kilometer entfernt und wird ebenso wie andere Marken innerhalb der nächsten zwölf Monate ebenfalls in die neue LMDh-Klasse einsteigen. Damit möglichst viele Marken kommen, wurden die Kosten im Vergleich zu den Hypercars der LMP1-Klasse deutlich gesenkt und trotzdem hielt eine zarte Elektrifizierung Einzug. Damit sollen die einzelnen Hersteller die neue Rennserie weltweit und angelehnt ans eigene Produktportfolio entsprechend ihrer Elektrostrategie vermarkten können. Kein Wunder, dass bei den Live-Übertragungen mit dem BMW i4 oder dem Cadillac Lyriq die neuesten Elektroserienfahrzeuge durchs Bild rauschen. Doch im Unterschied zu den elektrifizierten Serienmodellen von Honda / Acura, BMW, Porsche oder Cadillac die Technik der Rennwagen noch jung; kein Team hatte genug Zeit, um sich und die Fahrzeuge perfekt vorzubereiten.
Um der Elektrifizierung in den Prototypenboliden der GTP-Klasse auf die Sprünge zu helfen, sind die Verbrennungsmotoren mit einem Einheitselektromotor aus dem Hause Bosch kombiniert. Die Gesamtleistung des Systems darf 500 kW / 680 PS bei einem Renngewicht von knapp über einer Tonne nicht überschreiten. Die neue Rennklasse der LMDh sorgte aufgrund der deutlich geringeren Kosten und der Einsatzmöglichkeiten auf allen Kontinenten für großes Interesse bei den Autoherstellern. Beim Saisonauftakt in Daytona waren mit BMW, Porsche, Cadillac (GM) und Acura (Honda) vier große Hersteller mit Werksteams am Start. Spät aufgesprungen, entschied sich BMW in dieser Saison nur in der amerikanischen IMSA-Serie zu starten. 2024 geht es mit dem WRT-Team dann zur weltweiten WEC, wo die Bayern auf weitere prestigeträchtige Konkurrenz von Marken wie Ferrari, Peugeot, Alpine (Renault) und Lamborghini treffen. Auch Audi sollte an sich in der neuen Hybridklasse antreten, entschied sich dann aber für einen Formel-1-Einstieg ab dem Jahre 2026 und verzichtet anders als Alpine auf eine Doppelbelastung.
Das Rennen in Daytona ist seit mehr als einem halben Jahrhundert ein spektakuläres Fanfest. Während die gigantische Haupttribüne nur zum Start gut gefüllt ist, feiern die meisten der bis zu 100.000 Besucher im Infield des gigantischen Hochgeschwindigkeitsovals auf den Campingplätzen. Dadurch, dass beim 24 Stunden Rennen eine Kombination aus Oval und Straßenkurs im Innern gefahren wird, kommen die Fans bis auf wenige Meter an das spannende Renngeschehen heran. Der Lärm ist ohrenbetäubend, die Manöver spektakulär – die Fans schauen mit dem Bier in der Hand und dem Steak auf dem Grill mit einem Auge auf den jeweiligen Streckenabschnitt mit dem anderen Auge auf den Großbildschirm, der sich beim eigenen Wohnmobil ausklappen lässt. Das ist Motorsport in den USA.
Derweil schwitzen die Teams der insgesamt 61 Fahrzeuge, die mit Geschwindigkeiten von bis zu 320 km/h Tag wie Nacht durch die Steilkurven donnern. Gerade Techniker und Monteure der neuen Hybridboliden hatten alle Hände voll zu tun, denn die Belastungen beim 24 Stunden Rennen von Daytona sind gigantisch. Spektakulär sind die Rennwagen von Acura, Cadillac, Porsche und BMW gleichermaßen und mit der anfänglichen Überlegenheit von Acura mit dem ARX-06, der seine 500 kW / 680 Hybrid-PS aus einem 2,4 Liter kleinen V6-Triebwerk holt, der wie bei allen LMDh-Rennern von einem 50 Kilowatt starken Einheitsmotor unterstützt wird, war es schnell vorbei. Musste sich BMW gleich zum Start von seiner Nummer 25 aus dem vorderen Renngeschehen verabschieden und konnte den anderen Marken nur hinterherfahren, relativierte sich das Ergebnis der zentral beachteten GTP-Liga mit zunehmender Renndauer.
Porsche, anfangs lange im Führungstrio dabei, musste sich mit technischen Problemen weiter hinten einreihen und hatte im Ziel nach 24 Stunden mit dem Rennausgang um den Gesamtsieg ebenso keine Chance wie BMW. Der Zieleinlauf nach 24 Stunden und 783 gefahrenen Runden: Zwei Acuras (Honda) vor drei Cadillacs und dem ersten BMW auf Platz sechs. Für Porsche reichte es in Daytona letztlich nur für Platz 15 mit einem Rückstand von 34 Runden. Der Acura ARX-06 mit der Startnummer 60 (Blomqvist / Braun / Pagenaud / Catroneves) als schnellstes GTP-Fahrzeug im Feld konnte sich letztlich gegen das Schwestermodell mit der Nummer 10 (Albuquerque / Taylor / Deletraz / Hartley) und dem ersten der drei Cadillac V-LMDh mit der Startnummer 01 (van der Zande / Bourdais / Dixon) durchsetzen. Doch so imageträchtig der Sieg bei den 24 Stunden von Daytona 2023 auch ist – mindestens genauso wichtig dürften für alle Teams die Rennkilometer gewesen sein. Vielleicht sogar unbezahlbar, denn es geht um nichts weniger als die Zukunft des Motorsports mit Elektropower.