Zu Anfang eine Quizfrage: Welches Unternehmen hat im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 702 Millionen Dollar Verlust gemacht? Sie kommen nicht drauf? Dann probieren wir es mal so: Welcher Vorstandsboss welches Konzerns hat nicht nur ständig Mordsärger mit der Börsenaufsicht seines Landes, so dass ihm ein Aufpasser zur Seite gestellt werden musste, damit der Herr nicht ununterbrochen über Twitter ähnlichen Quatsch in die Wirtschaftswelt schickt wie der amtierende US-Präsident es mit Vorliebe tut? Und obendrein hat der besagte Manager, der natürlich der Beste seiner Kaste ist, noch kein Geschäftsjahr mit einem Gewinn abgeschlossen. Na, dämmert’s? Klar, die Firma heißt Tesla und der Chef Elon Musk.
Die neueste Meldung von Anfang dieser Woche macht keine Hoffnung, dass sich die Finanzlage des Elektroautobauers auf absehbare Zeit auch nur minimal verbessern könnte. Musk hat die Mitarbeiter seines Autokonzerns in einer Mail auf harte Sparmaßnahmen für das Unternehmen eingeschworen. Amerikanische Medien berichten, dass Musk fürchtet, dem Unternehmen könnte sonst innerhalb von zehn Monaten das Geld ausgehen. Musk und Finanzvorstand Zach Kirkhorn kündigen mit drastischen Worten an, "alle Ausgaben jeglicher Art auf der ganzen Welt, einschließlich Bauteilen, Gehältern, Reisekosten, Mieten, buchstäblich jede Zahlung, die das Bankkonto verlasse", zu überprüfen. Das Sparprogramm sei trotz einer kürzlichen Kapitalerhöhung von zwei Milliarden Dollar nötig geworden.
Teslas Aktie auf Talfahrt
Das ist Alarmstufe Rot. Dementsprechend hat die Börse reagiert: Der Kurs für das Wertpapier lag bei Börsenschluss am 22. Mai nur noch bei 177 Euro (204 Dollar) für eine Aktie. Zwischenzeitlich sogar darunter. Ein gigantischer Absturz, denn am 14. Dezember 2018 stand das Papier noch bei knapp 330 Euro. Das kalifornische Börsenanalysenhaus Wedbush mit Sitz in Los Angeles spricht davon, dass "Tesla nun einen Kilimandscharo-artigen Aufstieg hinlegen müsse, um, wie in Aussicht gestellt, im zweiten Halbjahr … in die Gewinnzone vorzudringen".
Und die Wedbush-Analysten wundern sich über die Konzernpolitik: Tesla beschäftige sich mit der Expansion in den Versicherungs-Sektor, Robotertaxis und Science-Fiction-Projekten, statt sich lieber auf den Verkauf des Model 3 und Kostensenkungen zu konzentrieren. Kühle Köpfe fragen angesichts solcher Zahlen, Einschätzungen und Negativnachrichten gerne nach dem Börsenwert eines Unternehmens, um daran ablesen zu können, wie begehrt Anteile an der Firma sind. Damit ist der Wert aller Aktien einer Firma auf Basis des Börsenkurses gemeint. Experten sprechen in dem Zusammenhang auch von Marktkapitalisierung. Die Lage ist aktuell zum Heulen: Im Juni 2017 lag der Börsenwert Teslas noch bei gigantischen ca. 61 Milliarden Dollar (55 Milliarden Euro), jetzt gegen Ende Mai 2019 hat er sich mit nur noch rund 34 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) quasi halbiert. Wie zu diesem grauenvollen Absturz Elon Musks Aussage von Anfang Mai passt, wonach er mittelfristig mit einem Börsenwert von 500 Milliarden Dollar rechne, weil sich Teslas Aktivitäten beim Trend zum autonomen Fahren auszahlen würden, bleibt sein Geheimnis. So berichtete es der US-Sender CNBC, Musk habe dies bei einer Telefonkonferenz vor Investoren erklärt.
Nicht nur rein wirtschaftlich läuft das meiste seit Jahren brutal schief bei Tesla, höchst unfreundliche Querschüsse kommen vollkommen unerwartet nun auch von einer Seite, von der man glauben könnte, dass sie Teslas Aktivitäten heftig beklatschen müsste. Doch weit gefehlt: Mobilitätsexperte und Ex-Greenpeace-Mitarbeiter Wolfgang Lohbeck lässt kein gutes Haar an dem Elektroautohersteller. Er sagte der Süddeutschen Zeitung unlängst: „Was diese Firma herstellt, ist die dümmste und obszönste Variante der Elektromobilität. Einen Drei-Tonnen-Wagen zu bewegen, noch dazu mit extremen Beschleunigungswerten, das kann nicht ökologisch sein und auch nicht sozial. Das ist Energieverschwendung, das ist Ressourcenverschwendung, das ist Platzverschwendung und das ist asozial.“ Insgesamt hält es Lohbeck für falsch, ausschließlich auf Elektromobilität zu setzen. Dabei gehe es ihm vor allem um die Masse, die bewegt werden müsse, denn hohes Gewicht benötige viel Energie. Auch Ökostrom sei weder "sauber" noch umsonst, er sei sogar besonders kostbar. "Deswegen ist es gut, wenn VW mit dem neuen Modell ID nicht die oberste Gewichtsklasse elektrifiziert, wie das andere Hersteller machen, sondern an das Massensegment leichterer Fahrzeuge herangeht."

Verzettelt sich Elon Musk?
Das versucht auch Tesla mit dem Model 3. Doch das scheint zumindest gegenwärtig nicht recht zu gelingen. Und obendrein halbierten sich zugleich die Auslieferungen der älteren Modelle S und X auf 12.100 Fahrzeuge im letzten Quartal. Das erneute Abrutschen in die roten Zahlen ist ein Rückschlag für Musk - nachdem es bereits schien, dass Tesla mit hochgefahrener Produktion des Model 3 schließlich nachhaltig profitabel wirtschaften könne. Nun rechnet die Firma auch im laufenden Vierteljahr mit einem Verlust, bevor es im dritten Quartal wieder schwarze Zahlen geben soll. Die Quartalsergebnisse werfen bei Analysten erneut Schlüsselfragen zur Zukunft von Tesla auf: Wie groß ist der Markt für Elektrofahrzeuge aktuell überhaupt? Und kann Tesla sein Geschäft nachhaltig profitabel führen? Das Model 3 soll nach Musks Plan Tesla einen breiteren Markt erschließen und damit zum zentralen Geldbringer werden, der die weitere Expansion finanziert. Das Unternehmen bereitet gerade den Produktionsstart eines Elektro-Sattelschleppers sowie des Kompakt-SUV Model Y auf Model-3-Basis vor. In diesem Jahr will Tesla 2 bis 2,5 Milliarden Dollar investieren. Tesla zahlte im März fällige Schulden von gut 900 Millionen Dollar zurück, die Geldreserven sanken binnen drei Monaten von 3,7 auf 2,2 Milliarden Dollar. Im November steht die nächste große Rückzahlung von Verbindlichkeiten in Höhe von über 500 Millionen Dollar an.
Tesla steht unter Druck
Von unbeirrbaren Börsenoptimisten abgesehen, ist die weit verbreitete Meinung unter den Analysten in den USA diese: Das Unternehmen habe Probleme mit seiner Bilanz, Vorstandsmitglieder würden ständig kommen und gehen. Ferner würde der Vorstandschef häufig sehr merkwürdig agieren. Erst vor kurzem setzte der Autobauer den Rotstift an, strich Stellen und strukturierte das Team um, das am wichtigen Autopilot-Projekt arbeitet. Und ein Analyst greift richtig in die Harfe: "Im Vergleich zum kurzfristigen Bedarf ist Tesla nicht nur zu stark gewachsen", kritisierte Adam Jonas von der Bank Morgan Stanley. Seiner Meinung nach zeichnen der Aderlass im Management, die Preisnachlässe und die angekündigten Sparmaßnahmen das Bild eines Unternehmens, das unter Druck stehe. Angesichts der hohen Schuldenlast und der Abhängigkeit von der Nachfrage aus China, die wegen des Handelsstreits mit den USA einbrechen könnte, müsse im schlimmsten Fall mit einem Absturz der Tesla-Aktie auf zehn Dollar gerechnet werden.
Mit anderen Worten: Offenbar sieht es bei Tesla zappenduster aus.
