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Tolino Vision 3 HD Können es die deutschen E-Reader mit Amazon aufnehmen?

Mit den Tolino-Lesegeräten haben sich die deutschen Buchhändler erfolgreich gegen Amazon behauptet. Nun gibt es pünktlich zur Frankfurter Buchmesse gleich zwei neue E-Book-Reader. Können es die mit dem Kindle Paperwhite 3 aufnehmen?

Es kommt nicht oft vor, dass sich ein Händler mit dem Shopping-Riesen Amazon anlegt. Und es kommt noch seltener vor, dass er dann auch noch siegreich vom Platz schreitet. Doch glaubt man den Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung, ist der Tolino-Allianz genau dieses Kunststück gelungen. Nachdem der Kindle quasi jahrelang der unangefochtene Platzhirsch im Bereich der digitalen Bücher (E-Books) war, bot der Verbund führender deutscher Buchhändler - darunter Hugendubel, Thalia und Weltbild - im Jahr 2013 Amazon die Stirn.

Mit Erfolg: Innerhalb von zwei Jahren konnte der deutsche Buchhandel die Marktführerschaft zurückgewinnen. Hierzulande wurden 45 Prozent der digitalen Bücher im dritten Quartal 2014 auf einem Tolino-Lesegerät heruntergeladen, 39 Prozent auf einem Kindle. Und auch wenn es keine offiziellen Zahlen gibt, bei den Lesegeräten sieht es vermutlich nicht anders aus. Das ist insofern bemerkenswert, da Amazon in den meisten Ländern die Märkte dominiert.

 Im Sommer legte Amazon dann überraschend mit dem extrem scharfen Kindle Paperwhite 3 nach und ließ die Tolinos technisch alt aussehen.

Pünktlich zur Buchmesse hat der Tolino-Verbund nun gleich zwei neue Geräte vorgestellt, den Tolino Vision 3 HD und den Tolino Shine 2 HD. Der stern hat die beiden Kindle-Herausforderer bereits testen können.

Mehr Pixel, schärfere Schrift

Die wichtigste Neuerung der beiden E-Reader: Die Bildschirme kommen mit einem schärferen, hintergrundbeleuchteten 6-Zoll-Display daher. Die Pixeldichte des Touchscreens beträgt nun 300 ppi (pixel per inch). Zum Vergleich: Das Vorgängermodell schaffte nur 212 ppi. Die neuen Tolinos stellen Schrift somit knackiger dar und sind nun auf Augenhöhe mit den Premium-Readern von Amazon (Kindle Paperwhite 3 und Kindle Voyage).

Bei genauem Hinsehen erkennt man einen deutlichen Unterschied zum Vorgänger, vor allem Buchstaben mit Rundungen erscheinen schärfer und klarer. Auch Bücher mit Bildern profitieren von der Retina-Auflösung, sie wirken jetzt gestochen scharf. Ein weiterer Pluspunkt der neuen Bildschirme: Die Display-Ausleuchtung ist gleichmäßiger. Trotzdem: Wer bereits ein 2014er-Modell besitzt, muss sich nicht ärgern. Wer aber sowieso einen neuen E-Reader kaufen will, sollte ruhig zur schärferen Version greifen.

Tolino Vision 3 HD: Ein Reader für die Wanne

Beim neuen Tolino Vision 3 HD hat sich bis auf den schärferen Bildschirm nichts geändert. Wie schon der Vorgänger ist der E-Reader vor Wasser geschützt. Das technische Innenleben ist nanoversiegelt und somit wasserdicht, der E-Reader übersteht auch ein versehentliches Bad in der Wanne oder einen kurzen Regenschauer ohne bleibende Schäden. Ein echter Pluspunkt gegenüber den Kindle-Modellen. Vorsicht ist allerdings bei einem Salzwasser-Bad geboten, hier könnte die Nanoversiegelung an ihre Grenzen geraten.

Beim Vision 3 HD gibt es neben der Touchscreen-Bedienung die Tap2Flip-Funktion: Tippt man mit dem Finger auf die Rückseite des Geräts, blättert man zur nächsten Seite. Das ist zunächst ungewohnt und erfordert etwas Eingewöhnungszeit, doch nach einer Weile lernt man die Einhandbedienung zu schätzen. Wer die Funktion nicht mag, kann sie in den Einstellungen abschalten.

Hervorzuheben ist der plane Bildschirm ohne irgendwelche Kanten rund um das Display. Im Gegensatz zum kleinen Shine-Bruder und dem Kindle Paperwhite 3 ist der kapazitive Touchscreen auf einer Höhe mit dem Gehäuserand, was einen wertigen Eindruck vermittelt.

Tolino Shine 2 HD: Back in Black

Beim neuen Tolino Shine 2 HD gibt es einen größeren Sprung zur Vorgänger-Generation. Das 2015er-Modell des Einstiegsgeräts ist nicht nur kompakter als der Vorgänger, auch das bisherige, braune Design wurde eingemottet. Stattdessen erscheint der Shine 2 HD in dunklem Grau und wirkt moderner.

Im Gegensatz zum Vision hat der Shine 2 HD einen echten Home-Button (Vision nur ein Touch-Feld), keinen planen Bildschirm und die Gehäuseoberfläche ist matt und nicht glänzend.
Der neue Tolino Shine 2 HD ist zudem deutlich schneller als der Vorgänger. Er hat ebenfalls ein beleuchtetes Display. Allerdings ist das Gerät nicht wasserdicht.

Eine Ladung, mehrere Wochen lesen

Die Akkulaufzeit gibt der Hersteller bei beiden Geräten mit sieben Wochen an. Ein Wert, der nur unter Idealbedingungen erreicht werden dürfte: Aktiviert man die Hintergrundbeleuchtung - und das sollte man aufgrund der besseren Lesbarkeit auf jeden Fall tun -, reduziert sich die Akkulaufzeit deutlich. Der gelegentliche Download eines E-Books via Wlan oder das Nachschlagen im eingebauten Wörterbuch saugen ebenfalls an der Batterie. Auch wenn wir die neuen Geräte nicht im Langzeittest testen konnten, halten wir bei modernen E-Readern Akkulaufzeiten von etwa zwei bis drei Wochen (je nach Nutzungsdauer) für realistischer. Dennoch: Im Vergleich zu Tablets und Smartphones ist das immer noch ein beachtlicher Wert.

Der interne Speicherplatz beträgt vier Gigabyte. Das dürften selbst Leseratten nicht voll bekommen, immerhin reicht es für etwa 2000 Bücher.

Beim Tolino ist die Software etwas komplizierter als beim Kindle, denn jeder Reader ist zunächst mit dem Buchhändler verknüpft, bei dem das Gerät gekauft wurde. Kauft man also einen Tolino bei Thalia, muss man sich mit den Thalia-Zugangsdaten im Bücher-Shop anmelden. Über einen Umweg (Unter "Meine Konten und Tolino Cloud" gibt es die Option "Bibliothek-Verknüpfung") können Nutzer aber auch andere E-Book-Plattformen nutzen. Dennoch: Bei Amazon ist das bequemer gelöst, dort gibt es auch mehr englischsprachige Literatur zu billigeren Preisen, da die deutsche Buchpreisbindung entfällt.

Tolino oder Kindle?

Und welches Gerät sollen Lesefreunde nun kaufen? Technisch befinden sich beide Geräte auf Augenhöhe, und welches Design einem besser gefällt, ist Geschmackssache. Die Tolinos sind etwas leichter als der Kindle Paperwhite. Dafür ist der Kindle minimal heller, zudem gibt es den Amazon-Reader in einer (teureren) 3G-Version mit mobilem Internetzugang. Die speziell von Amazon entwickelte Bookerly-Schriftart gefällt uns einen Hauch besser. Aber beide Geräte bieten ein Paket verschiedener Schriftarten an, hier dürfte für jeden etwas dabei sein.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden E-Reader-Marken liegt vor allem in der Offenheit des Systems. Denn Amazon hat ein eigenes Dateiformat. Das heißt im Klartext: Wer regelmäßig E-Books bei Amazon kauft, sollte unbedingt zu einem Amazon-Gerät greifen. Vor allem das Self-Publisher-Sortiment überzeugt bei Amazon, auch wenn die Tolino-Allianz hier zuletzt stark aufgerüstet hat. Wer Amazon meiden möchte oder auch Leihbibliotheken nutzt, der ist in der Tolino-Welt besser aufgehoben. Denn diese Geräte unterstützen das offene Dateiformat ePub. Allerdings sollte das kein Ausschlusskriterium sein, mit zusätzlicher Software (etwa Calibre) kann man das Dateiformat mit wenigen Mausklicks umwandeln.

Zum teuren Vision 3HD sollte man nur greifen, wenn man den E-Reader auch gelegentlich in der Badewanne nutzt oder das Umblättern via Klopfen zu schätzen weiß. Ansonsten ist der technisch nahezu ebenbürtige Shine 2HD ein ebenso gutes Lesegerät. Der Ladenverkauf der neuen Tolinos beginnt am 26. Oktober.

E-Book-Reader: Hier geht es zum E-Book-Reader Vergleich.

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