Kernstück der Verteidigung Israels gegen Raketenangriffe der Hamas ist der sogenannte Iron Dome. Wie andere Abwehrsysteme auch, erfasst der Iron Dome angreifende Raketen und versucht, diese Flugkörper mit eigenen Abwehrraketen abzuschießen.
Verteidigung begrenzter Zonen
Von Systemen wie den russischen S-300, S-400, S-500 oder dem Patriot-System aus den USA unterscheidet sich der Iron Dome merklich. Er ist speziell auf die besondere Bedrohungslage in Israel abgestimmt. Er schützt gewissermaßen die Kurzstrecke – die maximale Reichweite einer Rakete beträgt nur 70 Kilometer. Eine Batterie baut aber keine Schutzkuppel von 70 Kilometern Radius auf. Die effektive Reichweite deckt eine Zone von nur sieben Kilometern Radius ab, das sind etwa 150 Quadratkilometer.
Einfach aber nicht ungefährlich
Das heißt nicht, dass der Iron Dome anderen Systemen unterlegen ist, nur weil die eine höhere Reichweite haben, er ist in der Lage, Raketen auf kurze Entfernungen abzuschießen, etwas, was eine S-400 gar nicht könnte. Die Raketen der Hamas sind einfach aufgebaut. Es sind keine Hightech-Waffen, deren Elektronik Abwehrraketen austricksen könnte. Dennoch stellen sie eine Bedrohung da. Die Raketen sind klein, können leicht unbemerkt transportiert und gelagert werden und sie können ohne große Vorbereitung schnell überall gestartet werden. Trotz der absoluten Lufthoheit der israelischen Luftwaffe und einer permanenten Überwachung durch Drohnen, kann die IDF (Israel Defence Force) daher den Start großer Mengen an Raketen nicht verhindern.
Die Raketen selbst transportieren meist nur 5 Kilogramm Sprengstoff und sind ungelenkt. Das heißt, sie können kein Ziel präzise treffen, sondern schlagen im besten Fall in einem Zielgebiet aus. Zusammen mit dem wenigen Sprengstoff und dem daraus resultierenden kleinen Killradius wird klar, dass diese Raketen im eigentlichen Sinn keine militärische Wirkung erzielen. Sie sind reine Terror-Waffen, die darauf abzielen, Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten, die aber nie einen schlachtentscheidenden Schaden anrichten könnten.
Gewappnet für Schwarmattacken
Während die teuren und aufwendigen Abwehrbatterien von USA und Russland dafür gebaut sind, wenige Angreifer mit großen Sprengköpfen auszuschalten, wurde der Iron Dome von Anfang an dafür entwickelt, Schwarmattacken abzuwehren. Eine Batterie besteht aus einem Radar (EL/M-2084-Multi-Mode-Radar), einem Kontrollzentrum und bis zu vier Startern mit je 20 Raketen. Eine Einheit kann über 1000 Objekte erfassen und sechs angreifende Objekte gleichzeitig bekämpfen. Wegen des geringen Zeitfensters verlaufen die Abläufe weitgehend vollautomatisch. Das System erfasst einen Start, berechnet Flugbahn und Einschlagstelle und empfiehlt einen Einsatz – der dann freigegeben werden kann. Zusätzliches Feature: Das System kann zwischen geschützten Gebieten (Siedlungen) und Flächen wie Wüsten unterscheiden, die nicht verteidigt werden.
Preisbewusstes System
Die besondere Situation in Israel bringt es mit sich, dass der Iron Dome regelmäßig zum Einsatz kommt und nicht nur auf einen Ernstfall wartet, der dann nie eintritt. Besonderer Wert wurde daher auf eine vergleichsweise kostengünstige Lösung gelegt. Während eine "normale" Luftabwehrrakete wie die RIM-162 Evolved Sea Sparrow Missile von Raytheon zwischen 640.000 und 800.000 US-Dollar kostet, ist der Iron Dome wesentlich billiger. Ein Schuss soll nur 20.000 Dollar kosten. Jedem einfliegenden Objekt begegnen die Israelis nach Möglichkeit mit zwei Abwehrraketen, um so die Wahrscheinlichkeit eines Abschusses (Killrate) zu optimieren. Angeblich soll die Killrate pro Schuss bei 90 Prozent liegen, wenn die angreifende Rakete in der Verteidigungszone ist, bei einem Doppelschuss ergibt das fast 99 Prozent. Die Kosten betragen damit "nur" 40.000 US-Dollar pro Abwehr. Für weitreichende Raketen hat Israel seit 2017 das System David's Sling eingeführt, hier werden wesentlich teurere Stunner-Raketen eingesetzt.
Bei den Massenattacken der letzten Tage entkamen mehr Angriffsraketen dem Iron Dome. Ein Zeichen, dass Israel nicht mehr jedem Angreifer zwei Abwehrraketen entgegenschicken kann. Es zeigt sich aber auch, dass der Iron Dome der Herausforderung gewachsen ist. Die IDF kann die bedrohten Gebiete mit genügend Batterien schützen, es sind offenbar Abwehrraketen in großer Zahl verfügbar und der Hamas ist es nicht gelungen, so viele Angreifer in eine Welle zu packen, dass die Starter des Iron Dome leer geschossen wurden. Der Begriff "Killrate" muss wegen der besonderen Situation in Israel präzisiert werden. Normalerweise wird jeder Treffer, der die angreifende Rakete aus ihrer Bahn bringt, als Kill gezählt. Die Raketen der Hamas erreichen aber keine Zielgenauigkeit wie Präzisionswaffen. Sie schlagen "irgendwo" im Zielgebiet ein. Nur ein Ausschalten des Gefechtskopfes ist also ein vollkommener Treffer, wird nur der Antrieb beschädigt, schlägt der Sprengkopf dennoch irgendwo anders in Israel auf.
Regelmäßige Updates
Der Iron Dome wird kontinuierlich nachgebessert. Im Januar 2020 kam es zum letzten großen Upgrade des Systems. Dabei soll die Treffgenauigkeit gesteigert worden sein, außerdem soll das System nun in der Lage sein, auch tieffliegende Drohnen und Cruise-Missiles zu bekämpfen. Eine wichtige Neuerung, denn sie bedeutet, dass die Batterien mit fremden Zieldaten gefüttert werden kann, ihr eigenes bodengestütztes System kann solche Waffen nicht erfassen. Die Hamas hat in Videos bereits Kamikaze-Drohnen gezeigt. Anders als Raketen sind solche Systeme voll steuerbar und können eine Flugbahn nur knapp über dem Boden wählen. Wenn sie das Bodenprofil und die Bebauung ausnutzen, tauchen sie unter der Glocke eines Bodenradars weg.
In der jüngsten Konfrontation zeigt sich, dass der Iron Dome der Hamas gewachsen ist, aber keinen 100-prozentigen Schutz bietet. Wunderdinge soll man dem israelischen System nicht unterstellen. Die Hamas ist ein hoffnungslos unterlegener Gegner. Ein fortgeschrittener Gegner könnte die israelischen Systeme elektronisch angreifen oder stören, vor allem aber würde er versuchen, die Radaranlagen der IDF gezielt auszuschalten. Dazu sollte man nicht vergessen, dass etwa 15 Prozent der Angreifer durchdringen. Nur weil die Hamas-Raketen schwach bewaffnet und ungenau sind, halten sich die Verluste in Grenzen. Anders würde es aussehen, wenn Präzisionswaffen mit 500 Kilogramm Sprengstoff einschlagen würden.