In der Gaming-Branche herrscht Goldgräberstimmung: Die aktuellen Konsolen (Playstation 4 und Xbox One) verkaufen sich blendend und die Videospiele-Entwickler verdienen mit den Top-Games Summen, von denen die meisten Hollywood-Studios nur träumen können. Und glaubt man Experten, geht der Aufbruch jetzt erst richtig los. Denn sogenannte Virtual-Reality-Brillen werden den Markt völlig umkrempeln. Einmal aufgesetzt, ist man Teil einer virtuellen Realität, die 360 Grad um einen herum entsteht. Wie das funktioniert, erklären wir unter anderem hier.
Jeder mischt in der VR-Welt mit
Gleich mehrere Anbieter sind davon überzeugt, dass VR-Brillen die Entertainment-Zukunft sind. Facebook hat mit Oculus Rift einen der vielversprechendsten Kandidaten für stolze zwei Milliarden US-Dollar gekauft, seitdem trommelt Mark Zuckerberg unablässig für die virtuelle Realität. Der Smartphone-Pionier HTC hat mit der Vive ebenfalls ein heißes Eisen im Feuer: Die Brille wurde zum Vorverkaufsstart am 29. Februar allein in den ersten zehn Minuten mehr als 15.000 Mal verkauft.
Samsung verschenkt seine Gear VR zigtausendfach an Vorbesteller des neuen Galaxy S7 (Test folgt demnächst auf stern.de), Sony wird 2016 die Playstation VR (ehemals Project Morpheus) auf den Markt bringen. Und Gerüchten zufolge werkelt auch Apple in seinen Geheimlaboren an einer VR-Brille. Wer am Ende das Rennen macht, wird sich zeigen.
Noch sind die klobigen VR-Brillen, die man sich direkt vor die Augen schnallt, nur Nischenprodukte. Die Steuerung ist oft hakelig, die Grafik könnte besser sein, technische Kinderkrankheiten stören den Gesamteindruck. Doch jeder, der die Brillen bereits ausprobieren konnte, machte zugleich eine völlig neue Erfahrung, die so kein anderes Gerät bietet.
Riesiges Potenzial oder nur ein Gadget?
Vor allem die Gaming-Branche erhofft sich neue Impulse: "Ich denke, die Technik hat ein riesiges Potenzial für großartiges Storytelling, es gibt so viele Möglichkeiten", sagt die freiberufliche Dialog- und Drehbuchschreiberin für Computerspiele Rhianna Pratchett (Mirror's Edge, Tomb Raider) dem US-Portal "Ars Technica". "Man kann den Spieler einfach in eine erholsame Umgebung versetzen. Streicht die Geschichte und bringt mich einfach an einen Strand, in einen Dschungel oder in die Natur, wenn man in der Stadt lebt. Das ist wirklich aufregend."
Auch Sigurlina Ingvarsdottir, die Produzentin von "Star Wars Battlefront", glaubt an den VR-Erfolg. "Die Frage ist nur, ob es jetzt passiert oder ob wir noch etwas warten müssen. Ich glaube fest daran, dass die virtuelle Realität im Mainstream landen wird. Ich weiß nicht, ob es in 10 oder 20 Jahren soweit ist. Aber wir werden eines Tages den Sprung wagen."
"Ich finde es aufregend und gruselig"
Andere Branchenexperten sind skeptischer. Mikolai Stroinski, der Komponist des Videospiel-Hits "The Witcher 3", sagte gegenüber "Ars Technica": "Am Anfang wird es sich auf Games fokussieren. Aber später wird es Parallelwelten geben, in denen Menschen leben und Erfolg haben können. Dadurch entfliehen sie der realen Welt. Du wirst in der Lage sein, Geld auszugeben und ein anderes Leben zu führen - du könntest reich sein, viele Frauen haben, was auch immer deine Definition von Glück ist."
Seine Befürchtung: "Ich denke, es könnte zu immersiv sein", fährt Stroinski fort. "Menschen werden danach süchtig wie nach einer Droge. Ich weiß nicht, ob es das Ende der Welt ist, aber ich finde es erschreckend. Ich finde es aufregend und gruselig."
Viele Experten fragen sich deshalb: Können VR-Brillen die Technik-Branche wirklich auf ein neues Level heben, so wie Apples iPhone die Handy-Welt revolutioniert hat? Oder gehen die Brillen als das nächste Kinect, die gescheiterte Bewegungssteuerung von Microsofts Xbox, in die Geschichte ein - ein nettes Gimmick, das aber niemand wirklich braucht und will?
