Prozesse Bewährungsstrafe für Kapitänin nach Fährunfall auf der Elbe

Die Schiffsführerin wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. (Archivfoto) Foto: Marcus Brandt/
Die Schiffsführerin wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. (Archivfoto) Foto
© Marcus Brandt/dpa
Am Morgen des 20. Januar stößt eine Hadag-Fähre im dichten Nebel mit einem Schubverband zusammen. 19 Menschen werden verletzt, darunter einer schwer. Nun gibt es ein Urteil.

Im Prozess um das Fährunglück auf der Elbe im Januar hat das Amtsgericht Hamburg die Schiffsführerin zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 19 Fällen verurteilt. Außerdem soll sie ein Bußgeld in Höhe von 9.000 Euro an die Staatskasse zahlen.

Die 48-Jährige fuhr am 20. Januar als Schiffsführerin eines Fahrgastschiffs mit 27 Fahrgästen die Norderelbe aufwärts. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Kapitänin beim Queren des Fahrwassers die Radaranlage des Schiffs trotz dichten Nebels und damit eingeschränkter Sicht nicht gemäß den Regeln genutzt habe. In der Folge näherte sich das Schiff einem vorfahrtsberechtigten Schubverband mit Gütermotorschiff und einem gekoppelten Schubleichter - einem Schiff ohne Motor. 

Alles hätte noch viel schlimmer kommen können

Obwohl die 48-Jährige Funkkontakt zum Schiffsführer des Schubverbandes gehabt haben soll, soll sie ihr Schiff nicht rechtzeitig nach Steuerbord gelenkt haben. Es kam zu einer Kollision, 19 Passagiere erlitten Verletzungen, darunter Schnittwunden infolge von Glassplittern, Prellungen und Blutergüsse. Ein Mensch wurde schwer verletzt und ist noch heute arbeitsunfähig. Am Schubleichter entstand den Angaben zufolge ein Schaden in Höhe von rund 6.500 Euro, an der Hadag-Fähre von 650.000 Euro.

Obwohl der Schiffsführer der vorfahrtsberechtigten "Hanse" sie über Funk gefragt habe: "Hast Du mich gesehen?" und sie geantwortet habe:: "Ja, ich ziehe gleich wieder rüber", habe sie ihren Kurs nicht geändert und es sei zu der Kollision gekommen. 

Man könne nur von Glück sagen, dass ein anderer Schiffsführer zufällig unter den Fahrgästen an Bord war, sagte der Vorsitzende Richter. Er habe sich um die Verletzten gekümmert, Schwimmwesten verteilt und die Fähre an die Haltestelle gefahren. "Wenn er nicht an Bord gewesen wäre, wäre alles noch schlimmer ausgegangen", sagte der Richter. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Richter: Warum kein Geständnis?

Er könne nicht verstehen, warum die Angeklagte kein Geständnis abgelegt habe, sagte der Richter. Ein Geständnis hätte zu ihren Gunsten beigetragen. Auch eine persönliche Entschuldigung wäre gut gewesen. Die 48-Jährige wollte sich nicht äußern und machte von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Ihr drohen berufliche Konsequenzen - "Und das erscheint mir auch richtig", sagte der Richter. 

Strafverschärfend sei hinzugekommen, dass sie eine Strafanzeige gegen den Kapitän der "Hanse" gestellt habe und ihn für den Unfall verantwortlich machen wollte. Das sei eine "Ungeheuerlichkeit" und ein Zeichen von Uneinsichtigkeit.

Die Staatsanwältin hatte nur eine Geldstrafe in Höhe von 160 Tagessätzen à 100 Euro gefordert. Ihrer Meinung nach sei die Angeklagte mit dem Radargerät "mutmaßlich nicht zurechtgekommen". Dazu würden auch Aussagen von Zeugen passen, nach denen die Angeklagte gesagt haben soll: "Das habe ich nicht gesehen." und "Ich hätte gerne jemanden dabei gehabt. Ich war noch nicht so oft im Nebel unterwegs." Auch die Staatsanwältin vermisste bei der Angeklagten Einsicht und Reue.

Verteidiger forderte Freispruch 

Ihr Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert. Es gebe keinerlei Beweis, dass seine Mandantin das Radargerät nicht richtig bedient habe. Außerdem hätte bei Nebel die Regel 19 der Kollisionsverhütungsordnung angewendet werden müssen: Danach hätte der Schiffsführer der "Hanse" die Geschwindigkeit seines Schubverbandes reduzieren müssen, sagte der Anwalt. Das habe er nicht getan und deshalb hätte auch er angeklagt werden müssen. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Angeklagte kann innerhalb einer Woche Berufung einlegen.

dpa