Sie bieten Lebensraum für zahlreiche Tierarten wie Fledermäuse, Spechte oder Siebenschläfer: Habitatbäume. So werden die meist alten Bäume mit Höhlen, Rissen oder Horsten von Fachleuten genannt. Mit ihren vielfach krummen, morschen oder gegabelten Stämmen sind sie für die Forstwirtschaft weniger wertvoll, jedoch besonders wichtig für die Artenvielfalt. In Hessen sind Naturschützer aktuell in Sorge um die Habitatbäume im Staatswald.
Denn seit diesem Oktober gilt eine geänderte Verordnung des Landes. Demnach sollen im Staatswald in Laubbaumbeständen, die älter als 100 Jahre sind, nur noch durchschnittlich fünf Bäume je Hektar bis zum Zerfall im Bestand bleiben. Nach der vorangegangenen Regelung waren es 10 bis 15 Habitatbäume gewesen.
Kritik vom Naturschutzbund
Er sehe die Halbierung der Habitatbaumzahl außerordentlich kritisch, sagt Mark Harthun vom (Nabu) Hessen. Es reiche nicht, die bereits bewohnten Habitatbäume zu erhalten. "Diese werden eines Tages zusammenbrechen", erklärt er. "Es müssen dann auch neue Nachfolgebäume als Zukunftsbäume der Artenvielfalt bereitstehen, für die Neubesiedlung."
Buchen würden eigentlich 300 Jahre alt, manchmal sogar 500 Jahre, erläutert der Experte. "Im Wirtschaftswald werden sie aber mit circa 140 Jahren gefällt, damit fehlt die Alters- und Zerfallsphase." Diese Phase sei für die Artenvielfalt besonders wichtig, weil erst dann Bäume nicht mehr so vital sind und sich Strukturen bilden, die von Tieren, Pflanzen und Pilzen besiedelt werden können.
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Eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums entgegnet, die Neuregelung orientiere sich an Kriterien der europäischen Schutzgebiete für einen günstigen Erhaltungszustand der Waldflächen. Mit fünf Bäumen erfolge eine Orientierung zudem an Zielzahlen anderer Länder, darunter Baden-Württemberg.
"Aktuell bewegen wir uns bei 5,2 Habitatbäumen pro Hektar", teilt die Sprecherin weiter mit. Es gebe aber Reviere, in denen diese Ziel-Zahl noch nicht erreicht worden sei. "Die Ist-Zahl der Habitatbäume wird demnach weiter steigen", ergänzt sie. Bäume, in denen erkennbar geschützte Tiere wohnen oder die wertvolle Strukturen wie Höhlen aufweisen, blieben unumstritten weiterhin geschützt. "Kein Habitatbaum wird gefällt."
Weniger Verwaltungsaufwand
Mit der Neuregelung entfalle lediglich die Verpflichtung, in den alten Laubholzbeständen ergänzende Bäume auszuweisen, wenn bereits fünf Habitatbäume pro Hektar vorhanden sind, erläutert die Ministeriumssprecherin. "Die Neuregelung führt also nicht zu einer Verschlechterung des Lebensraumes und damit der Naturschutzstandards im Wald, sondern sorgt für eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes."
Dies sieht der Vorsitzende der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON), Nils Stanik, anders. Er erklärt: "Wir als HGON bewerten diese geänderte Vorgabe als sehr kritisch, weil hiermit ein Eckpfeiler des Naturschutzes im hessischen Staatswald maßgeblich geschmälert wird." Habitatbäume seien ökologisch äußerst wertvoll, sie böten Lebensraum für gefährdete Tiere wie Spechte, Eulen, Fledermäuse, Haselmäuse oder Käfer.
"Für Spechte und in der Folge Eulen sind alte Habitatbäume essenzielle Lebensraumelemente, weil Spechte nur in älteren Bäumen ihre Höhlen anlegen, die später Eulen oder anderen Höhlenbewohnern ein zu Hause bieten", bekräftigt Stanik. Aber auch Risse in der Rinde, absterbende Äste oder Totholz seien für viele Insektenarten wichtig. "Mit der vorgesehenen Reduktion von Habitatbäumen ist absehbar, dass sich die Lebensraumsituation für diese Arten jetzt und in Zukunft verschlechtern wird."