Eine Frau ist zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie ihren Ehemann nach jahrelanger Gewalt erstochen hat. Die Beziehung sei "von Streitigkeiten, von Alkohol und von Perspektivlosigkeit" geprägt gewesen, sagte der Vorsitzende Richter am Landgericht Oldenburg. "Das ist aber definitiv keine Entschuldigung."
Hochzeit zwei Wochen vor der Tat
Das Paar lebte gemeinsam in Polen, die achtjährige Tochter wächst bei Verwandten auf. Die Angeklagte habe viel Gewalt erfahren, ihr Leid in Alkohol ertränkt und sei betrunken sehr aggressiv geworden. Für das Gericht steht fest, dass es in der Beziehung nicht ein Opfer gab. "Sondern dass es hier zwei Leute gibt, die einander definitiv nicht gut getan haben", sagte der Richter. "Das war ein Geben und ein Nehmen."
Trotzdem entschloss sich das Paar nach zehn Jahren Beziehung zu heiraten - zwei Wochen vor der Tat. Die Hochzeit sei angesichts der jahrelangen Konflikte "relativ unerklärlich", sagte der Vorsitzende Richter.
Wenige Tage später fuhren beide für einen Arbeitseinsatz nach Friesoythe (Landkreis Cloppenburg). Dort geriet das Paar erneut in Streit, die Frau fand laut Gericht Unterschlupf bei einem Bekannten in der Nachbarschaft. In einem Chatverlauf schrieb die Angeklagte damals, dass der 41-Jährige ihr den Kopf einschlagen wolle. Brisant ist aus Sicht des Gerichts ihre Reaktion: "Da muss ich wohl zusehen, dass ich ihm vorher den Schädel einschlage", soll die Frau weiter geschrieben haben.
Mann starb am Tatort
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Der Konflikt eskalierte am 9. Mai, wie das Gericht rekonstruierte. Die Angeklagte wollte an dem Tag zurück nach Polen reisen, blieb jedoch in Deutschland. An dem Abend habe der Mann die 33-Jährige mehrfach in der Wohnung des Bekannten aufgesucht. Er habe ihre Kleidung zerschnitten, die Angeklagte mit Zigaretten beworfen und sie mit der Faust durch ein Fenster geschlagen, wie es im Urteil weiter hieß.
Nach Auffassung des Gerichts schlug die Polin, die zum Tatzeitpunkt betrunken war, zunächst mit einem Fleischklopfer auf den Kopf ihres Ehemannes. Rechtsmediziner entdeckte die Wunde bei der Obduktion, die Polizei fand die Waffe mit DNA-Spuren vor der Wohnung. Später habe sie nach einem Küchenmesser mit 20 Zentimeter langer Klinge gegriffen und zweimal wuchtig zugestochen - in den Oberkörper und in den Rücken. Der Mann sackte auf der Terrasse zusammen und starb noch am Tatort.
"Es war nicht ihr Ziel, ihn zu töten"
Das Gericht ist überzeugt, dass die Angeklagte ihren Ehemann nicht absichtlich erstochen hat. "Es war nicht ihr Ziel, ihn zu töten", sagte der Vorsitzende Richter. Nüchtern hätte die Angeklagte niemals zugestochen. Sie solle die Zeit im Gefängnis nutzen, um vom Alkohol loszukommen und ihr Leben neu zu ordnen.
Die Verteidigerin hatte gehofft, dass die Angeklagte mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. "Aus meiner Sicht liegt hier kein gewöhnlicher Totschlag vor, sondern ein Totschlag aus Angst, Verzweiflung und massiver Panik", sagte die Anwältin in ihrem Plädoyer. Die 33-Jährige wollte nur, dass Demütigungen, Misshandlungen und Gewalt endlich enden.
Auch die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass die Angeklagte ein "Martyrium" durchlebt habe. Sie habe jahrelang unter häuslicher Gewalt, Körperverletzung und sexuellen Misshandlungen gelitten. Doch am Abend der Tat könne von Notwehr keine Rede sein: Sie blieb unverletzt, ihr Mann verlor sein Leben. Der Staatsanwaltschaft forderte sieben Jahre Haft wegen Totschlags. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.