Seuchenbekämpfung Was den Kampf gegen die Schweinepest zur Geduldprobe macht

Zäune sollen die Schweine lenken, Schilder die Besucher zum richtigen Verhalten im Ausbruchsgebiet anhalten. Foto: Federico Gamb
Zäune sollen die Schweine lenken, Schilder die Besucher zum richtigen Verhalten im Ausbruchsgebiet anhalten. Foto
© Federico Gambarini/dpa
Vor fünf Monaten erreichte das hochansteckende Tiervirus NRW. Seither werden immer wieder infizierte Wildschweine im Sauerland gefunden. Doch es gibt auch gute Nachrichten.

Seit fünf Monaten kämpfen im Sauerland Fachleute, Veterinäre und Jäger gegen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest. "Die Lage ist weiterhin ernst, aber unter Kontrolle", beschreibt Tiermediziner Jürgen Harlizius die aktuelle Situation. Er ist als Referatsleiter im NRW-Landwirtschaftsministerium für die Tierseuchenbekämpfung zuständig. 

Der Ausbruch beschränke sich weiter auf eine inzwischen umzäunte Kernzone, sagt der Tierseuchen-Experte. Gleichzeitig brauche es die Disziplin aller Beteiligten, um die Schweinepest weiterhin erfolgreich einzudämmen - und viel Geduld, um sie schließlich zu tilgen, mahnt der Fachmann. Ein Zwischenstand zur Frage, wie Fachleute und Betroffene auf die Entwicklung schauen. 

Was sollte jeder über die Seuche wissen?

Die Afrikanische Schweinepest - kurz ASP - ist eine hochansteckende Tierseuche, die für Wild- und Hausschweine mit großem Leid verbunden ist und fast immer tödlich verläuft. Menschen und andere Tiere können sich nicht anstecken - aber den langlebigen Erreger indirekt weiterverbreiten. So kann das Virus an Kleidung, Schuhen, Autoreifen haften bleiben oder über Essensreste wie etwa ein achtlos entsorgtes Wurstbrot übertragen werden. 

In den Wäldern rund um das Ausbruchsgebiet im Sauerland warnen daher zahlreiche Schilder das richtige Verhalten an: Waldbesucher dürfen Wege nicht verlassen, müssen Hunde anleinen, dürfen keine Lebensmittelreste in die Natur werfen. 

Das Wegegebot haben die betroffenen Kreise für eine mehr als 15 Kilometer breite Zone rund um das Ausbruchsgebiet verbindlich verhängt. In einem noch weiteren Radius gelten zusätzlich besondere Auflagen für Schweinehalter. Das 15.500 Hektar umfassende Kerngebiet umzäunt - mehr als 120 Kilometer Zaun wurden dazu verbaut. 

Die ASP wurde in Deutschland erstmals im September 2020 in Brandenburg nachgewiesen. Seitdem hat sich die Seuche in mehreren Bundesländern ausgebreitet. 

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Mit welcher Strategie wird versucht, die Seuche loszuwerden?

Vorrangiges Ziel sei es, infizierte Wildschweine zu finden und wenn nötig zu erlösen, schildert Jürgen Harlizius, der im Landwirtschaftsministerium eine Projektgruppe zur ASP-Bekämpfung leitet und als Veterinär zentraler Ansprechpartner für das vor Ort tätige Landestierseuchenkontrollzentrum ist. Außerdem sei es wichtig, den Bestand von Wildschweinen im betroffenen und inzwischen eingezäunten Gebiet so weit wie möglich zu reduzieren, um weitere Übertragungen zu verhindern.

Beim Aufspüren der Tiere und der Bestandsreduzierung sei die Jägerschaft ein ganz wichtiger Partner. So sollen möglichst viele Wildschweine erlegt und im Rahmen des landesweiten ASP-Monitorings auf das Virus getestet werden. Zusätzlich werden Fallen eingesetzt, in denen Wildschweine gefangen werden, um sie dann zu erlegen und ebenfalls zu testen. Allerdings stelle aktuell im Wald das sehr große, natürlich vorhandene Reservoir an Eicheln und weiterem Futter eine Herausforderung dar, weil sich das Schwarzwild nicht so leicht in die Fallen locken lasse.

Seit Beginn des Ausbruchs sind regelmäßig Suchteams aus Menschen und Hunden diesseits und jenseits des Zauns unterwegs. So soll sichergestellt werden, ob das Virus auf die ursprünglich betroffene Region beschränkt bleibt. Außerdem müssten verendete Tiere möglichst schnell weggeschafft werden, erklärt Harlizius. Der Hintergrund: "Schweine verhalten sich als Tiere sehr sozial", sagt der Veterinär. Sie schnuppern an ihren verendeten Artgenossen, stupsen sie an und könnten sich so anstecken. Für andere Wildtiere, etwa für Dachse, sei ein totes Wildschwein gefundenes Fressen - verschleppen sie ihre Mahlzeit, verschleppen sie auch das Virus.

Was macht die Bekämpfung schwierig?

"Wir haben es in den betroffenen Gebieten im Sauerland mit einem hohen und vitalen Wildschweinebestand zu tun", erklärt Harlizius. Mit den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein sei zudem eine Region betroffen, die stark bewaldet und noch dazu sehr bergig sei. "In dieser Region ist die Suche und die Jagd nach Wildschweinen sehr herausfordernd", sagt Harlizius. 

In dem betroffenen Gebiet gebe es zudem viele Flächen mit dichtem Brombeerbewuchs. Wie viele lebende oder auch schon verendete Wildschweine dort verborgen seien, könne man erst sagen, wenn nach einem Wintereinbruch auch die Vegetation lichter werde. Dann will man sich mit Hilfe von Drohnen ein umfassendes Bild machen.

Wie blicken Landwirte in Westfalen auf das Geschehen?

Das erstmalige Auftreten der Afrikanischen Schweinepest bei einem Wildschweinbestand hierzulande hatte die Landwirte im "Schweineland NRW" in die Sorge versetzt, das Virus könne sich vom Sauerland rasch in Regionen ausbreiten, in denen große Schweinmastbetriebe ein wichtiger Wirtschaftsfaktor seien- etwa im Münsterland. Ist ein Hausschweinbetrieb betroffen, muss der ganze Bestand getötet werden. Außerdem drohen dann Handelsrestriktionen für Schweinehalter in der Region.

Dieser "absolute Worst Case" sei bislang ausgeblieben, zeigt sich Daniel Eschmann vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) erleichtert. Auch dass das Virus bis jetzt auf ein klar umgrenztes Gebiet eingedämmt werden konnte, zeige: "Die Behörden machen da einen sehr guten Job." Grund zur Beruhigung sei das aber nicht: "ASP ist ja schon seit fünf Jahren in Deutschland. Wir wissen, wie langlebig das Virus ist." 

Daher müssten die betroffenen Betriebe rund um das Ausbruchsgebiet - seinen Angaben zufolge gibt dort rund 150 in großer Mehrzahl allerdings kleine Schweinehalter mit insgesamt 25.000 Tieren - weiter mit eingeschränkten Vermarktungsmöglichkeiten umgehen. "Außerhalb der Sperrzonen gilt es für alle Betriebe, die geltenden Biosicherheitsmaßnahmen strikt einzuhalten", mahnt der WLV-Mann. 

Bleiben wegen der Schweinepest die Touristen weg?

Man könne keine Verunsicherung bei den Gästen feststellen, teilt Stefanie Stoltenberg vom Touristikverband Siegen-Wittgenstein mit. Es gebe "keinen eklatanten Tourismuseinbruch" in der Region, stellt auch Rouven Soyka, Sprecher des Tourismusverbandes Sauerland fest - die gastronomischen und touristischen Betriebe erlebten allenfalls punktuell Einbußen durch die Seuche. "Das Naturerleben hat sich ja zum Glück nicht grundlegend geändert", schildert er. Die Wälder dürfen weiter auf den ausgewiesenen Wegen betreten oder mit dem Bike befahren werden. 

Ganz spurlos gehe das Geschehen aber auch an der Tourismusbranche nicht vorbei: So seien einige größere Wander- oder Moutainbikeveranstaltungen seit dem Ausbruch abgesagt worden, weil die häufig ehrenamtlichen Organisatoren Risiken fürchteten. "Das trägt dann natürlich dazu bei, dass der ein oder andere Gast weniger kommt". Auch die Wisent-Welt-Wittgenstein - ein touristischer Anziehungspunkt im Rothaargebirge - ist seit dem Fund eines toten Wildschweins in den Wisentgehegen im Juli geschlossen. 

Wann könnte die Schweinepest Geschichte sein?

Fälle in Europa hätten gezeigt, dass es mindestens zwei Jahre dauere, die Seuche gänzlich zu tilgen, sagt Veterinär Harlizius. In den Nachbarbundesländern dauern Ausbrüche aber bereits länger an. "Die Seuchenbekämpfung ist so langwierig, weil man sich in der freien Natur befindet und nicht alle infizierten Wildschweine sofort findet", sagt Harlizius. Es sei auch unklar, was der Winter bringe: Schneefall oder gefrorene Böden machten den Seuchenbekämpfern dann unter Umständen mehr zu schaffen, als den Tieren: "Wenn Schnee fällt, wird es auf dem Gelände schnell zur Rutschpartie", sagt Harlizius. Dann gehe die Sicherheit der Hundeführer und Jäger vor. "Klar ist: Wir brauchen alle einen langen Atem. Seuchenbekämpfung ist kein Sprint, sondern fordert Ausdauer."

dpa