Deutsche Erfindung Schwerelos im Stahlreifen: 100 Jahre Rhönrad

Rhönradturnerinnen wie Klara Kiefer schätzen die Eleganz und Vielfältigkeit ihres Sportgeräts. Foto: Arne Dedert/dpa
Rhönradturnerinnen wie Klara Kiefer schätzen die Eleganz und Vielfältigkeit ihres Sportgeräts. Foto
© Arne Dedert/dpa
Ein Sportgerät erobert die Welt. Der Erfinder ist ein Pfälzer, die Idee kam ihm in einem Mainzer Gefängnis. Warum seine Erfindung aber nicht "Pfalzrad" heißt.

Vor 100 Jahren ließ der Erfinder Otto Feick sein "Turnrad" patentieren – heute ist es als Rhönrad weltweit bekannt. Kaum ein Sportgerät hat eine so ungewöhnliche Biografie wie das Rhönrad: erfunden aus der Erinnerung an zwei Fassreifen, gefeiert auf Bühnen rund um den Globus – und heute doch oft unterschätzt. Und wäre die Geschichte ein wenig anders verlaufen, wäre das Turngerät heute womöglich als "Pfalzrad" bekannt.

Seinen Ursprung habe das Rhönrad nicht etwa in einer Turnhalle, sondern im Gefängnis, erklärt Anita Zirkelbach. Kaum jemand kennt sich mit der Geschichte des Rhönrads so gut aus wie sie. Seit Kindesbeinen ist Zirkelbach dem Rhönradturnen verbunden und lebt wie einst Feick in Schönau in der bayrischen Rhön. Zirkelbach sammelt im Auftrag der Gemeinde und aus persönlicher Leidenschaft Akten, Fotos und Briefe zur Geschichte des Rhönrads. 

Auch Feicks Opa war ein Tüftler

Der Pfälzer Schlosser Feick, der nach dem Ersten Weltkrieg von der französischen Besatzungsmacht in ein Mainzer Gefängnis gesteckt wurde, soll in seiner Haft an ein Spielzeug seines Großvaters gedacht haben, erzählt die Leiterin des Feick-Archivs. Zwei stabile Stahlreifen, die durch Querstreben verbunden waren, damit der kleine Otto Abhänge hinunterrollen konnte. Aus dieser Kindheitserinnerung formte Feick die Idee für ein Sportgerät, das später in 25 Staaten patentiert werden sollte.

Gemeinsam mit seiner Frau Pauline zog er nach der Haftentlassung in die Rhön und baute in Schönau an der Brend, der Heimat seiner Frau, eine Metallwerkstatt auf. Zwischen Betten, Garderobenständern und Schaukeln entstand dort auch das Rad, das er zu Ehren seiner neuen Heimat "Rhönrad" taufte.

Und Feick hatte große Pläne: Er tourte mit einer eigens aus fitten Turnerinnen und Turnern zusammengestellten "Mustergruppe" durch deutsche Varietés wie den Berliner Wintergarten – und sogar bis nach England, Portugal, Frankreich und in die USA. Die rollenden Showeinlagen begeisterten das Publikum, aber die Touren kosteten viel Geld. 

Der Erfinder starb verarmt

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Feick lieh Interessenten großzügig Rhönräder aus, doch viele kauften am Ende nicht. Dann kam der Zweite Weltkrieg, in dem Feicks Sohn Fritz als Soldat starb. Der Rhönrad-Erfinder verkaufte später sein Patent an Investoren; 1959 starb er verarmt in Schönau.

"Schönau ist stolz auf den Erfinder aus dem Ort", sagt Zirkelbach. Der Rhön-Ort sei wohl die einzige Gemeinde in Deutschland, die ein Sportgerät, eben das Rhönrad, in ihrem Wappen habe. Seit 1975 steht in Schönau das Rhönrad-Denkmal, und auch ein Otto-Feick-Weg erinnert in dem kleinen Ort an den Erfinder. 

Es gibt in Schönau auch Überlegungen und Ideen für ein Rhönrad-Museum, aber für die Verwirklichung hat die kleine Gemeinde mit ihren rund 1.200 Einwohnern laut Zirkelbach schlichtweg kein Geld. "Das ist schade, denn es gibt nicht nur jede Menge Unterlagen und Fotos zur Geschichte des Rhönrads, sondern auch viele interessante Geschichten dazu", bedauert sie.

Deutsche Athletinnen und Athleten an der Rhönrad-Weltspitze

In den 50er Jahren entdeckten frühere Pioniere das Gerät neu, 1956 wurde es offizielles Sportgerät des Deutschen Turnerbunds. Die erste deutsche Meisterschaft fand 1960 statt.

Deutsche Athletinnen und Athleten gehören in dieser Sportart seit Jahrzehnten zur Weltspitze, wie Ella Köhler vom Deutschen Turnerbund (DTB) erklärt. "Rhönradturnen verlangt eine außergewöhnliche Kombination aus Kraft, Balance, Körperspannung, Orientierungssinn und Beweglichkeit."

"Einzigartige Harmonie, Schwerelosigkeit und Dynamik"

Rhönradturnen sei die einzige Turnsportart, wo nicht am, sondern mit dem Gerät geturnt werde, betont Köhler. Dadurch entstehe "eine einzigartige Harmonie, Schwerelosigkeit und Dynamik" zwischen den Athleten und ihrem Sportgerät.

Trotz der großen internationalen Erfolge deutscher Athletinnen und Athleten führt die Sportart in ihrem Ursprungsland eher ein Nischendasein. Köhler nennt mögliche Gründe: Rhönradturnen wird kaum im Fernsehen oder in großen Sportportalen gezeigt. Es gibt auch keine Profiliga oder regelmäßige internationale Großevents mit breiter Berichterstattung.

dpa

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