Es gab schon Ultimaten, eine Mediation, zahlreiche Warnstreiks - im privaten Busgewerbe in Rheinland-Pfalz folgte in den vergangenen Jahren Konflikt auf Konflikt. Arbeitgeber und Gewerkschaftsseite konnten sich nicht einigen, Rufe nach dem Einspringen des Landes werden immer wieder laut. Die Folge: Zahlreiche Busfahrerinnnen und Busfahrer stehen seit Jahren ohne Lohnerhöhung da, immer mal wieder blieben Busse in Depots, Schülerverkehr fiel aus, Familien mussten improvisieren. Und es ist immer noch keine Besserung in Sicht - im Gegenteil.
Marion Paul, neue Verdi-Landesbezirksleiterin für Rheinland-Pfalz und das Saarland, spricht von einer "sehr harten, langen Auseinandersetzung". "Die Busfahrerinnen und Busfahrer sind total enttäuscht, von den Arbeitgebern im VAV, aber auch von der Politik." Amtsvorgänger Michael Blug zufolge haben Busfahrerinnen und -fahrer im privaten ÖPNV seit 50 Monaten keine Gehaltserhöhung bekommen. "Da gibt es genügend Menschen, die aufstocken müssen." Sie erhalten also zusätzliche Hilfe vom Staat.
Verdi hat Tarifpartnerschaft beendet
Die Tarifverhandlungen mit der VAV - der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz - hätten sich so schlecht entwickelt, dass Verdi die Tarifpartnerschaft mit dem Verband beendet habe, sagt Blug. "So was kommt ganz selten vor." Deswegen werde nun mit Mitgliedern in den größeren Betrieben diskutiert, ob man in Haustarifverhandlungen einsteige.
Auch VAV-Geschäftsführer Heiko Nagel spricht von einer vertrackten Situation. Die privaten Busunternehmen steckten in Linienverträgen mit Laufzeiten von zehn, teils 15 Jahren. In dieser Zeit erhobene Forderungen nach Lohnerhöhungen seien nicht machbar. Auch der eingeführte RLP-Index, mit dem Steigerungen bei Personal- und Energiekosten von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden, helfe noch nicht flächendeckend, denn er gelte nur für Neuverträge.
Guido Borning, Geschäftsführer des Verbandes Mobilität und Logistik Rheinland-Pfalz (Molo), sagt, die Unternehmen könnten die zusätzlichen Personalkosten nicht mit Fahrgeldeinnahmen ausgleichen – "insbesondere nicht im Zeitalter des Deutschlandtickets und der weit verbreiteten Bruttoverträge." Die Kommunen wiederum befänden sich in einer angespannten Haushaltslage und könnten die Mehrkosten nicht eigenständig schultern.
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Was es mit dem Index auf sich hat
Für Nagel vom VAV gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder kommen Arbeitgeberseite und Verdi noch zueinander oder das Land schießt mehr Geld zu. Das wäre seiner Ansicht nach möglich, indem der Mechanismus der Richtlinie zur Förderung von Personalmehrkosten im Busgewerbe noch einmal angefasst wird.
Danach sieht es jedoch nicht aus. Aus dem Mobilitätsministerium heißt es, das Land werde sich nicht in den laufenden Tarifkonflikt einmischen. Es beteilige sich über die Richtlinie schon hälftig an zusätzlichen Personalkosten, aus Tarifabschlüssen der Jahre 2020 bis 2022, stelle hierfür bereits jährlich 22 Millionen Euro bereit. Von noch mehr ist nicht die Rede.
Der RLP-Index könne einen Tarifstreit nicht befrieden und auch künftige Tarifkonflikte nicht verhindern, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. "Er leistet jedoch einen Beitrag dazu, die steigenden Produktionskosten des ÖPNV realistisch abzubilden und einen planbaren wirtschaftlichen Rahmen zu schaffen." Das schaffe eine verbesserte Grundlage für Tarifverhandlungen. Der Index sei ein Angebot des Landes, die Anwendung des Indexes obliege den Vertragspartnern im Rahmen ihrer Vertragsgestaltung und sei somit freiwillig.
Arbeitgeber: "Verweigern uns Tarifabschlüssen nicht"
"Es ist mitnichten so, dass wir uns Tarifabschlüssen verweigern", betont VAV-Geschäftsführer Nagel. Diese müssten aber finanzierbar sein, da hake es - vor dem Hintergrund eines grassierenden Fahrermangels. Wegen ausbleibender Lohnerhöhungen wechselten Fahrer zudem in Nachbarbundesländer.
Daran werde auch ein kürzlich vom Land vorgestelltes zentrales Jobportal und eine Plakatkampagne, mit denen Menschen für einen Job im öffentlichen Nahverkehr begeistert und gewonnen werden sollen, nichts ändern. Das Geld für die Kampagne hätte besser ausgegeben werden können, meint Nagel. Die Fahrer in Rheinland-Pfalz brauchten mehr Geld im Portemonnaie.
Borning vom Verband Molo lobt Projekte wie die Personalkampagne. Das ändere aber nichts daran, dass ein funktionsfähiger Refinanzierungsmechanismus für Bestandsverträge fehle. "Wenn das Land – wie politisch gewollt – den ÖPNV ausbauen, attraktiver machen und die Verkehrswende voranbringen möchte, muss es auch das Fahrpersonal in den Fokus rücken", sagt er.
Streiks als "Ultima ratio"
Darin sind sich die Arbeitgeber eigentlich einig mit Verdi. Blug betont: "Wir entwickeln uns leider zu einem Dumpinglohnland als Rheinland-Pfalz im privaten Busgewerbe." Auch er sieht problematische Folgen langlaufender Verkehrsverträge. Wenn dann während der Laufzeiten neue Tarifverträge mit höheren Löhnen kämen, liefen die privaten Unternehmen zu ihren öffentlichen Aufgabenträgern und sagten: "Ich will mehr Geld von euch haben, da die tariflichen Mehrkosten bei Vertragsabschluss nicht einkalkuliert waren."
Es müsse immer genau geprüft werden, wo tatsächlich Mehrkosten durch Tarifverträge entstünden und wo Private ungerechtfertigterweise ihre Gewinne erhöhen wollten, sagt Blug. Landesbezirksleiterin Paul betont: "Am besten wäre es aus unserer Sicht, wenn das Land nicht nur Geld in die Hand nehmen, sondern den Busverkehr wieder in öffentliche Verantwortung überführen würde." Das sei Daseinsvorsorge, gehöre in kommunale Hand. Das brächte auch wieder direkten Einfluss auf Fahrpläne und Arbeitsbedingungen.
Da sich das aber nicht abzeichnet, spricht vieles für baldige Streiks. Die seien nur das letzte Mittel, sagt Blug. "Wir wissen, dass im ÖPNV auch Schulkinder und Kitakinder gefahren werden und die ältere Dame, in deren kleiner Ortsgemeinde kein Geschäft mehr ist und die mit dem Bus in die Nachbargemeinde fahren muss, um Lebensmittel einzukaufen." Wenn sich die Arbeitgeber aber nicht bewegten, blieben nur Streiks. "Ich würde sagen, das steht bevor – und zwar, wenn sich nicht noch richtig was tut, vor März nächsten Jahres" - dem Monat, in dem in Rheinland-Pfalz die Landtagswahl ansteht.