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Deutscher Corona-Hotspot "Heinsberg-Studie": Zahl der Infizierten in Deutschland womöglich zehnmal höher als gedacht

Hendrik Streeck, Direktor am Institut für Virologie im Universitätsklinikum Bonn, spricht auf einer Pressekonferenz in der Kreisverwaltung Heinsberg.
Hendrik Streeck, Direktor am Institut für Virologie im Universitätsklinikum Bonn, spricht auf einer Pressekonferenz in der Kreisverwaltung Heinsberg.
© Jonas Güttler/ / Picture Alliance
Die Zahl der Corona-Infizierten in Deutschland liegt womöglich viel höher als angenommen: Eine im Corona-Hotspot Heinsberg durchgeführte Studie legt nahe, dass sich bereits 1,8 Millionen Menschen angesteckt haben könnten.

Die Zahl der Corona-Infizierten in Deutschland liegt einer Studie zufolge bei schätzungsweise mindestens 1,8 Millionen – und damit um das Zehnfache höher als bisher offiziell angegeben. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie im besonders stark von der Corona-Pandemie betroffenen Ort Gangelt im Kreis Heinsberg. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse am Montag von der Universität Bonn.

Der Landkreis gehört zu den am frühesten und stärksten von der Corona-Pandemie erfassten Gebieten in Deutschland. In Gangelt wird zudem davon ausgegangen, dass ein Großteil der Infektionen schlagartig über eine Karnevalssitzung erfolgte. Das war andernorts so nicht der Fall – deshalb ist eine Schlussfolgerung oder Schätzung für ganz Deutschland anhand der Gangelt-Daten nicht unumstritten.

Dass die Situation nur bedingt vergleichbar mit anderen Regionen Deutschlands ist, darauf wird in der Studie auch hingewiesen.

Heinsberg-Studie: Bis zu 1,8 Millionen Corona-Infizierte in Deutschland

Die beteiligten Forscher um den Virologen Hendrik Streeck befragten und testeten in Gangelt insgesamt 919 Menschen in 405 Haushalten, um Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen in Deutschland ziehen zu können. Im Zentrum der Studie stand die Ermittlung der Sterblichkeitsrate, also des Anteils der Todesfälle unter den Infizierten. Die Studie bestätigte das bereits veröffentlichte Zwischenergebnis, wonach 15 Prozent der Bewohner von Gangelt eine Infektion durchgemacht haben. Daraus ermittelten die Forscher die Sterblichkeitsrate, die in Gangelt bei 0,37 Prozent liegt. 

Mit der Sterblichkeitsrate lässt sich den Forschern zufolge anhand der Zahl der Verstorbenen auch für andere Orte in Deutschland mit anderen Infektionsraten abschätzen, wie viele Menschen dort insgesamt Corona-infiziert sind bzw. waren. Der Abgleich dieser Zahl mit den offiziell gemeldeten Infizierten führt zur sogenannten Dunkelziffer.

Die Hochrechnung basiert auf Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Sonntag mit rund 162.600 offiziell gemeldeten Infektionen und fast 6700 Todesfällen. Das RKI selbst geht davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. 

Für ganz Deutschland ergibt die Hochrechnung demnach rund 1,8 Millionen Infizierte. "Mit unseren Daten kann nun zum ersten Mal sehr gut geschätzt werden, wie viele Menschen nach einem Ausbruchsereignis infiziert wurden", erklärte Studienleiter Streeck. Zudem zeigte sich, dass offenbar etwa jede fünfte Infektion ohne Krankheitssymptome verlaufe. Dies bestätige die Wichtigkeit der Hygiene- und Abstandsregeln.

Schlussfolgerungen aus Studie "obliegen der Gesellschaft und der Politik"

Aber, führte Streeck weiter aus: "Welche Schlüsse aus den Studienergebnissen gezogen werden, hängt von vielen Faktoren ab, die über eine rein wissenschaftliche Betrachtung hinausgehen", so der Forscher. "Die Bewertung der Erkenntnisse und die Schlussfolgerungen für konkrete Entscheidungen obliegen der Gesellschaft und der Politik."

Die Studie war im Auftrag der NRW-Landesregierung entstanden.

mik DPA AFP

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