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Abnehmen Raus aus dem Jo-Jo

Rauf, runter, rauf: Der Jo-Jo-Effekt beim Abnehmen ist frustrierend
Rauf, runter, rauf: Der Jo-Jo-Effekt beim Abnehmen ist frustrierend
© Colourbox
Weltweit gehen Forscher der Frage nach, wie sich der Teufelskreis aus Diäten und Rückschlägen durchbrechen lässt - und melden neuerdings beachtliche Erfolge.
Von Corinna Schöps

Sie hat kaum eine Diätform ausgelassen und auch mehrmals viel Gewicht verloren. Doch die Pfunde kamen immer wieder zurück. Mehr noch: Als sie 50 wurde, wog die in jungen Jahren grazile Ingrid Kallrath 119 Kilo. Sie fühlte sich so unwohl wie ratlos.

Mit ihrer Sisyphos-Erfahrung aus Diäten und Rückschlägen ist die Kundenbetreuerin aus dem Dorf Niederzier bei Düren nicht allein. Zahllose Abnehm-Veteranen kennen das Jo-Jo-Phänomen: Ob mit Hollywood-, Ananas- oder Kohlsuppen-Diät, die Pölsterchen schwinden zunächst, und wenige Wochen später sind sie wieder da, oder schwellen gar trotz aller Hungerkuren über die Jahre beständig an.

Das Phänomen beschäftigt zunehmend auch Fachleute. Denn es wird immer deutlicher: Mit dem Auf und Ab wächst nicht nur der Frust, es schädigt obendrein die Gesundheit. "Achterbahnfahrten beim Gewicht fördern Adipositas, und sie kosten mitunter zusätzliche Lebensjahre", sagt Andreas Pfeiffer, Professor für Endokrinologie an der Charité und Abteilungsleiter am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. Und eine der wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Jahre lautet: Abnehmen und Gewichthalten sind zwei Paar Schuhe - und brauchen offenkundig verschiedene Strategien.

Beachtliche Forschungserfolge

Weltweit gehen Mediziner, Ernährungs- und Sportwissenschaftler in großen Studien und praxisnahen Projekten der Frage nach, wie sich der Jo-Jo-Effekt vermeiden oder sogar umkehren lässt. Auch Ingrid Kallrath hatte das Glück, in einem solchen Programm intensiv betreut aus der Diätfolgen-Falle herauszufinden. Dazu später mehr.

Der Fleiß der Forscher zahlt sich aus: Sie melden neuerdings beachtliche Erfolge. Im November präsentierten Wissenschaftler die Ergebnisse einer großen Studie mit dem Titel "Diogenes" (Diet, Obesity and Genes), die an acht europäischen Forschungszentren durchgeführt wurde. Dabei werteten die Experten Daten von knapp 800 Übergewichtigen aus. Zunächst nahmen die Kandidaten zwei Monate lang ab, im Schnitt elf Kilo. Dann verfolgten die Wissenschaftler, mit welcher Ernährung sich der Diäterfolg am besten verteidigen ließ.

Viel Eiweiß und keine leicht verdaulichen Kohlenhydrate

Alle Teilnehmer aßen dafür viel Gemüse, eher pflanzliche Öle als Butter und Schmalz, wenig Süßigkeiten und insgesamt wenig Fett - folgten also den bekannten Regeln einer gesunden Ernährung. Unterschiedlich fiel aber je nach Probandengruppe der Anteil von Eiweiß und leicht verdaulichen Kohlenhydraten in der täglichen Kost aus.

Nach einem halben Jahr gab es eine klare Siegerschar: jene Studienteilnehmer, die reichlich Eiweiß gegessen und auf leicht verdauliche Kohlenhydrate weitgehend verzichtet hatten - also zum Beispiel auf Zucker und Weißmehl. "Um den Jo-Jo-Effekt zu vermeiden, erweist sich diese Lebensmittelkombination als besonders günstig", sagt Andreas Pfeiffer, der die deutsche Forschergruppe der Diogenes-Studie geleitet hat. "Eine solche Ernährung ist leicht durchzuhalten, weil man keine Kalorien zu zählen braucht."

Die Studie fügte damit zahlreiche Einzelerkenntnisse der vergangenen Jahre zu einer Anti-Jo-Jo-Empfehlung zusammen: Wer vorzugsweise die Vollkornvariante von Nudeln, Brot und Reis wählt, die der Darm nicht so flott verarbeiten kann, erleidet seltener Heißhungerattacken. Und Eiweiß (Protein) macht nach Überzeugung der meisten Forscher am besten satt. Obendrein verbrennen sich die mit der Nahrung aufgenommenen Proteine zum Teil selbst: Der Körper verbraucht rund 20 Prozent der enthaltenen Energie, um den Nährstoff zu verarbeiten. Für die Verdauung von Fett und Kohlenhydraten benötigt er nur rund vier bis fünf Prozent ihrer Kalorienmenge. Eine solche Hochprotein-Ernährung ist sogar vereinbar mit einem niedrigen, klima- und tierfreundlichen Verzehr von Fleisch und Fisch - denn auch viele Pflanzen enthalten reichlich Eiweiß.

Bewegung spielt eine entscheidene Rolle

Als Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen den Jo-Jo-Effekt rückt derzeit zudem die Bewegung in den Blick der Forschungswelt. Sie ist offenbar von überragender Bedeutung für den Grundumsatz, den Kalorienverbrauch des Organismus in völliger Ruhe. Er macht rund zwei Drittel des menschlichen Energieumsatzes aus. Eine strenge Diät senkt diesen Stand-by-Verbrauch - und das bis zu einem Jahr lang. Das bewirkt, dass Menschen schnell zunehmen, wenn sie nach einer Diät wieder so viel essen wie vorher. Und diese Dynamik verschärft sich offenbar mit jeder weiteren Kurzzeit-Diät.

Regelmäßige Bewegung beeinflusst Fettstoffwechsel

Zwei der Gründe dafür, dass Bewegung beim Schlankbleiben hilft, kannten Wissenschaftler schon länger: Erstens verbrennt sie überschüssige Energie und greift dafür auch auf unsere Pölsterchen zu. Zweitens baut sie zusätzliche Muskeln auf, und Muskeln verheizen Fett bereits durch ihre bloße Anwesenheit. Abnehmen ohne Sport läuft dieser nützlichen Wirkung entgegen. Denn wenn der Körper drastisch weniger Kalorien bekommt, greift er nach ein paar Tagen seine Eiweißreserven an - und lässt so auch die hilfreichen Muskeln schrumpfen. Überblicksstudien belegen: Wer beim Abspecken Sport treibt, bringt nicht nur unmittelbar nach der Diät ein besseres Ergebnis auf die Waage. Auch nach einem halben Jahr steht er noch erfolgreicher da als jemand, der nur seine Ernährung verändert hat.

Aktuelle Forschungsdaten brachten nun noch eine weitere segensreiche Wirkung von Bewegung gegen den Jo-Jo-Effekt ans Licht: "Sie verändert den gesamten Stoffwechsel, nicht nur den der Muskeln, sondern den aller inneren Organe", sagt Michael Boschmann, Energiestoffwechselexperte am Franz-Volhard-Zentrum für Klinische Forschung der Berliner Charité. "Die Wirkung der Bewegung auf Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse und Leber hat bislang viel zu wenig Beachtung gefunden."

Bauchorgane, Herz, Lunge und Gehirn verbrennen bereits 75 Prozent der Energie, ohne dass der Mensch auch nur einen Finger krümmt. Dagegen nimmt sich der Beitrag der Muskeln am Grundumsatz eher bescheiden aus: Er umfasst höchstens 20 Prozent. "Regelmäßige Bewegung beeinflusst obendrein in hohem Maße den Fettstoffwechsel", sagt Boschmann. Das könnte der Grund sein, warum Bewegung besonders gut Übergewichtigen hilft, die nach vielen Diäten nicht mehr ab-, sondern über die Jahre nur noch zugenommen haben.

"Ich war ganz tief am Minuspunkt"

"Wir können den Jo-Jo-Schalter wieder umlegen", bestätigt Ingo Froboese, Professor und Gesundheitswissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) in Köln. Auch seine Untersuchungen an Hunderten von Patienten zeigen: "Mit Sport steigt der Grundumsatz allmählich wieder an."

Die Rheinländerin Ingrid Kallrath ist eines dieser Erfolgsbeispiele. Sie schaffte die Wende in ihrem drei Jahrzehnte währenden Kampf gegen den Speck mit Unterstützung von Experten der DSHS. Als sie das Programm begann, lag ihr Grundumsatz bei 866 Kilokalorien: "Das entsprach zwei belegten Brötchen mit Käse am Tag", sagt sie. "Damit konnte ich gar nicht mehr abnehmen." Auch in puncto Bewegung klappte es schon seit einiger Zeit nicht mehr: "Nach kurzem Gehen in der Stadt schmerzten mein Rücken und meine Gelenke." Entsprechend langsam fing sie mit Sport an: "In der ersten Zeit bin ich mit meinem Personal Trainer hinterm Haus nur spazieren gegangen, 400 Meter weit, mit fünfmal Hinsetzen auf einer Bank", erinnert sie sich. "Ich war ganz tief am Minuspunkt." Nach drei Wochen konnte sie ein wenig walken. Irgendwann walkte sie fast jeden Tag zwischen 30 und 60 Minuten.

Kein Naschen zwischendurch

Ein Jahr lang betrieb sie dieses moderate Ausdauertraining unter Anleitung von Froboeses Team, kombiniert mit ein paar Muskelübungen und einer Ernährung, die der Erfolgsformel aus der Diogenes-Studie sehr ähnelt: Auch Ingrid Kallrath aß nun mehr Eiweiß und möglichst wenig schnell verwertbare Kohlenhydrate. Vor allem aber gewöhnte sie sich das Naschen zwischendurch ab. Insgesamt 16 Kilo hat sie so abgenommen - und hält das Gewicht, obgleich sie, wie sie sagt, nicht das Gefühl hat, "eine Diät zu machen oder auf irgendetwas zu verzichten".

Ingrid Kallraths Grundumsatz hat sich binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt, bei der letzten Messung lag er bei 1967 Kilokalorien am Tag. Die Walking-Runden und den Ernährungsstil behält sie seither bei: "Das lässt sich problemlos einbauen", sagt sie und lacht. "Mir geht's wie den meisten Frauen: Alles muss schnell gehen, denn es ist ja nicht so, dass ich von der Arbeit komme und nichts mehr zu tun habe."

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