Anita B., ca. 45 Die Mutter einer kleinen Tochter war 41 Jahre alt, als Ärzte bei ihr Brustkrebs im Frühstadium diagnostizierten. Der Tumor war eingekapselt und hatte höchstwahrscheinlich noch nicht gestreut. Ihre Heilungschancen lagen laut Fachgutachten bei 93 bis 99 Prozent. Anita B. lebte in Kärnten, Österreich, wo Heilpraktiker verboten sind. Doch nahe an ihrem Wohnort empfing ein deutscher Heilpraktiker Patienten in eigenen Räumen, beriet sie und lotste sie in ein fränkisches Dorf, wo er seine Praxis betrieb. Er pendelte ihre Brust mit einem sogenannten "Biotensor" aus, mit dem man angeblich "Energiedefizite" feststellen können soll. Anschließend sagte er ihr, sie habe nur eine "Milchdrüsenentzündung" und behandelte sie fortan mit homöopathischen und pflanzlichen Präparaten.
Der Tumor wucherte, brach durch die Haut und öffnete sich zu einer handtellergroßen, schwärenden Wunde. Er streute im Körper. Vier Jahre später starb Anita B. an ihrer Krebserkrankung. Heilpraktiker, die Patienten gefährden, indem sie sich zum Beispiel über eindeutige Diagnosen lebensbedrohlicher Krankheiten hinwegsetzen, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers ihre Zulassung verlieren. Doch der Fall Anita B. zeigt, wie schwierig das ist. Heute – vier Jahre nach ihrem Tod – steht ihr Heilpraktiker wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Warum er immer noch Krebsdiagnosen auspendeln darf, lesen Sie in der stern-Titelgeschichte "Gefährliche Heilpraktiker".
Quellen: Interviews mit der Staatsanwaltschaft Regensburg, dem Rechtsanwalt Ernst Maiditsch, der den Witwer vertritt, Anklageschrift, Fachgutachten zwei angesehener Onkologen. Persönliche medizinische Beratung bei dem Heilpraktiker in Begleitung einer Journalistin, die eine Fake-Brustkrebsdiagnose mit sich führte.