Die neuesten Funde antisemitischer Darstellungen haben eine Debatte um die Zukunft der documenta ausgelöst. Während aus der Politik erste Forderungen nach einer Unterbrechung der Kunstschau kommen, äußert der Zentralrat der Juden Zweifel, ob sie überhaupt regulär weiterlaufen kann.
Möglicherweise waren die jüngsten antisemitischen Funde auf der documenta ein Skandal zu viel: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) hat in dieser Woche erneut Zeichnungen gefunden, auf denen israelische Soldaten als Kinder- und Massenmörder dargestellt und in antisemitischer Weise gezeichnet werden.
Fahrenholt sah documenta "auf einem hervorragenden Kurs"
Und das, nachdem der Interims-Chef der Kunstschau, Alexander Fahrenholt, "die documenta als Ausstellung auf einem hervorragenden Kurs" sah. Zuvor hatte die Generaldirektorin Sabine Schormann als Konsequenz aus dem Antisemitismus-Skandal ihr Amt niedergelegt. Viele Beobachter reagierten mit Entsetzen auf die neuen Funde. "Was unterscheidet die documenta in Kassel eigentlich noch vom antisemitischen Karikaturenwettbewerb in Teheran, den die iranischen Mullahs regelmäßig ausrichten?", fragte die "Jüdische Allgemeine" in einem Kommentar. Und lieferte gleich die Antwort hinterher: "offenkundig nicht mehr viel".
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, ging mit den Verantwortlichen der Kunstschau hart ins Gericht: Die Leitung der documenta tue weiter so, als ginge sie die seit Wochen andauernde Diskussion über Antisemitismus, BDS und Israelhass nichts an. Es sei offensichtlich unerheblich, wer dort die Geschäftsführung innehabe. "Man muss sich fragen, wie weit wir in Deutschland sind, wenn diese Bilder als vermeintliche 'Israelkritik' für gut befunden werden können. Das Schweigen der Verantwortlichen in der Kulturpolitik hierzu ist dröhnend", sagte Schuster in einer Stellungnahme. "Diese documenta wird als antisemitische Kunstschau in die Geschichte eingehen." Eine Fortsetzung der Kunstschau hält der 68-Jährige nicht für möglich: "Dass diese documenta wirklich bis zum 25. September laufen kann, erscheint kaum mehr vorstellbar.“
Mittlerweile werden auch in der Politik härtere Maßnahmen diskutiert. Die Gesellschafter der documenta fordern, die Zeichnungen "bis zu einer angemessenen Kontextualisierung" aus der Ausstellung zu nehmen. Eine Forderung, die auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth unterstützt.
FDP-Generalsekretär fordert Unterbrechung der Kunstschau
Weiter geht man bei der FDP: "Die neuerlichen Antisemitismus-Vorwürfe offenbaren einen Abgrund. Die documenta muss sofort unterbrochen werden", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der DPA. Die Vorfälle müssten zunächst aufgeklärt und die Ausstellung umfänglich auf weitere antisemitische Inhalte überprüft werden. Es könne nicht sein, dass die Kunstschau weiterhin finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt erhalte und Besucher empfange, während "diese ungeheuerlichen Vorgänge" nicht restlos aufgeklärt seien, so Djir-Sarai.
Einen Schritt weiter geht der Journalist Philipp Peyman Engel in seinem Kommentar in der "Jüdischen Allgemeinen": "Der nun einzige richtige Schritt wäre es, die documenta 15, die als antisemitische 'documenta der Schande' in die Geschichte eingehen wird, endlich zu beenden."
Dass es tatsächlich zu so einem harten Schnitt kommt, ist seit dieser Woche zumindest ein kleines bisschen wahrscheinlicher geworden.