Bei dem Einbruch in das Historische Grüne Gewölbe in Dresden am frühen Montagmorgen sind drei historische Juwelengarnituren von unschätzbarem Wert entwendet worden. Es seien eine Brillantengarnitur und zwei Diamantengarnituren gezielt aus einer Vitrine gestohlen worden, sagte die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, am Montag vor Journalisten. Ob die drei Garnituren vollständig gestohlen wurden, könne sie noch nicht sagen, weil die Spurensicherung noch vor Ort sei. Die Brillantengarnituren bestehen laut dem Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Syndram, aus jeweils 37-40 Einzelstücken, die Diamenten und Perlen der Königin umfassten etwa 20 einzelne Stücke.
Ein genauer finanzieller Schaden lasse sich nicht beziffern, sagte Ackermann. "Wir können es gar nicht in einem Wert auflösen, da es unverkäuflich ist – es gibt keinen finanziellen Wert, mit dem wir arbeiten." Ackermann betonte, der Materialwert der Schmuckstücke sei an sich nicht so hoch zu bewerten; der Wert liege darin, dass die Ensembles komplett seien – diese seien, so Syndram während der Pressekonferenz, in ganz Europa einzigartig, "eine Art Weltkulturerbe". Die Juwelen-Ensembles gelten als "Staatsschatz des 18. Jahrhunderts". Laut Polizei gingen die Täter "zielgerichtet" auf die Vitrine mit den Schmuckstücken zu und zertrümmerten diese nach neuen Erkenntnissen mit einer Axt.
Grünes Gewölbe: Täter müssen klein und wendig sein
Die Täter sind auf der Flucht, es gibt laut Polizei "bisher keinen Fahndungserfolg" zu vermelden. Der Chef der Kriminalpolizei, Volker Lange, ergänzte zunächst, auf Videos aus dem Inneren des Gebäudes seien zwei Einbrecher im sogenannten Juwelenraum zu sehen, inzwischen ist laut Polizei klar, dass auf den Aufzeichnungen nur eine Person zu sehen ist. Die Ermittler gehen aber davon aus, dass es weitere Tatbeteiligte gibt. Die Täter müssen laut ersten Vermutungen sehr klein und wendig gewesen sein, da sie durch ein sehr kleines Fenster eingestiegen sein. An dem Fenster wurde die Einsenvergitterung entfernt und die Scheibe eingeschlagen. Dann seien die Verdächtigen zielgerichtet auf die Vitrinen zugegangen. Danach sollen sie durch einen vorhandenen unterirdischen Schacht in die gleich nebenan gelegene Schinkelwache geflohen.
Möglicherweise seien die Täter mit einem Auto geflüchtet, sagte Lange. Der Wagen könnte außerhalb der Schinkelwache bereit gestanden haben. Laut Polizeipräsident Jörg Kubiessa fahndeten bereits wenige Minuten nach der Einbruchsmeldung 16 Streifenwagen nach den Verdächtigen. Zudem wurden kurz darauf die an Dresden grenzenden Polizeibezirke, die Polizei in Brandenburg und die Bundespolizei informiert. Allerdings benötige man kaum vier Minuten, um von der Nähe des Tatorts in Richtung Autobahn unterwegs zu sein.
Diebstahl innerhalb von nur fünf Minuten?
Fragen richten sich auf die Sicherung des Grünen Gewölbes. Laut der Chefin der Staatlichen Kunstsammlungen Ackermann ist der Sicherheitsdienst rund um die Uhr besetzt. Der Alarm um 4.59 Uhr sei sofort nach Erkennen der Tat ausgelöst worden, nur fünf Minuten später war laut Polizei bereits der erste Streifenwagen vor Ort. Ob sich der Diebstahl in diesen wenigen Minuten abgespielt hat, ist laut Polizei bisher noch nicht klar.
Nach Angaben von Ackermann seien Sicherheitsleute nicht direkt zum Ort des Einbruchs gegangen, da, so Ackermann: "Das ist das Prinzip in allen Museen der Welt: Menschenleben gehen vor Erhalt der Kunst." Einzugreifen sei nach einem Alarm Sache der Polizei. Die Vitrinen waren laut Polizei durch Sicherheitsglas geschützt. Unklar ist, wieso die Täter dieses Glas scheinbar mühelos mit einer Axt zerstören und die Ensembles entwenden konnten.
Brand in Verteilerkasten: Zusammenhang mit Einbruch?
Zwei zeitnahe Ereignisse in Dresden stehen vermutlich im Zusammenhang mit dem Einbruch. Dazu gehört in Brand in einem Verteilerkasten in der Nähe der Augustusbrücke, heißt es in einer Polizeimitteilung vom frühen Abend. Durch das Feuer sei die Straßenbeleuchtung in der Umgebung des Tatorts ausgefallen, wodurch die Täter im Schutze der Dunkelheit hätten agieren können.
Der zweite Vorfall ist der Brand eines Pkw in einer Tiefgarage im Dresdner Stadtgebiet. Bei dem Pkw, wohl ein Audi A6, habe sich der Verdacht erhärtet, dass es sich um das Fluchtfahrzeug handele, teilte die Polizei mit. Das Parkhaus liegt nur etwa zehn Fahrminuten vom Grünen Gewölbe entfernt. Der Wagen wurde sichergestellt und wird weiter untersucht, heißt es.

"Stücke, die Identität als Kulturnation ausmachen"
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bezeichnete den Einbruch in das Grüne Gewölbe als erschütternd und schockierend. Der Diebstahl "von Stücken, die unsere Identität als Kulturnation ausmachen, trifft uns ins Herz", sagte Grütters am Montag in Berlin. "Angesichts generalstabsmäßig organisierter, hochkrimineller Täter ist der noch stärkere Schutz unserer Museen und Kultureinrichtungen eine Aufgabe von höchster Priorität", sagte Grütters. "Wir haben in letzter Zeit an verschiedenen Stellen die Sicherheitsvorkehrungen an unseren Häusern gezielt weiter verschärft." Der Schutz der Kulturschätze müsse jede Anstrengung wert sein. Die Dresdner Polizei klärt derzeit ab, ob es vergleichbare Tatmuster beispielsweise mit dem spektakulären Raub einer 100 Kilo schweren Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum vor zweieinhalb Jahren gibt. Die Münze ist seither verschwunden.
Zuvor hatte sich bereits Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bestürzt über den Einbruch gezeigt. "Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen", erklärte Kretschmer am Montag. Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Dresdner Residenzschloss zu finden sind, seien "von den Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet worden". "Man kann die Geschichte unseres Landes, unseres Freistaats nicht verstehen ohne das Grüne Gewölbe und die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens."
Erbe August des Starken
Sachsens Kurfürst August der Starke (1670-1733) ließ die Schatzkammer zwischen 1723 und 1730 anlegen. Heute wird sie in zwei Abteilungen präsentiert. Der historische Teil befindet sich im Erdgeschoss des Residenzschlosses in den authentisch wiederhergestellten Räume der Sammlung. Eine Etage weiter oben zeigt das Neue Grüne Gewölbe besondere Einzelstücke.
Eines der wertvollsten Stücke des Grünen Gewölbes wird derzeit im Metropolitan Museum of Art in New York ausstellt - der Grüne Diamant. Das Hut-Schmuckstück mit dem einzigartigen Stein von 41 Karat und natürlicher Färbung gilt als spektakulärste Leihgabe der Ausstellung "Making Marvels: Science and Splendor at the Courts of Europe".