Fernsehen "Gotteskinder" - Wenn Glaube und Gefühle kollidieren

Die Familie, in der Hannah und Timo aufwachsen, ist streng evangelikal. Foto: -/Kinescope Film/NDR/Arte/dpa
Die Familie, in der Hannah und Timo aufwachsen, ist streng evangelikal. Foto
© -/Kinescope Film/NDR/Arte/dpa
Ein TV-Drama zeigt, wie zwei Jugendliche zwischen religiösem Gehorsam, Loyalität zur Familie und eigenen Wünschen ihren Platz suchen. Was macht das mit ihnen - und mit ihrem Umfeld?

Die kleine Schwester hat heute im Kindergarten geheiratet, berichtet sie strahlend beim Essen. Ihre Freundin Sabrina. Sogleich verschwindet das Lachen aus den Gesichtern der anderen. 

"Darüber macht man keine Scherze", sagt die Mutter streng. Der Vater legt nach: "Du weißt, dass das Sünde ist. Auch wenn's nur ein Spiel war." Beim ersten Widerwort der Kleinen setzt es eine Backpfeife. Das Mädchen muss auf die Treppe. "Aber sofort."

Die Familie, in der Hannah und Timo aufwachsen, ist streng evangelikal. Doch die beiden stecken mitten in der Pubertät, entdecken ihre Körper, ihre Gefühle - und das passt so gar nicht zu dem, was die Eltern und die Gemeinde predigen. Arte zeigt den Spielfilm "Gotteskinder" am Freitag (14. November) um 20.15 Uhr.

Keuschheitsgelübde und Unschuld-Kurs

Die beiden ältesten der vier Geschwister haben verinnerlicht, was ihnen zeitlebens erklärt wurde. Hannah engagiert sich sehr in der Freikirche, hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt und möchte in einem Kurs Mädchen dieses Lebensmodell nahebringen. Es gehe um die Reinheit des Körpers, des Geistes und der Seele, erklärt sie. Auf Kino verzichte sie, "wegen der Versuchung".

Als der rebellische Max in die Nachbarschaft zieht, versucht sie ihn einerseits körperlich auf Abstand zu halten - aber andererseits auch, ihre Gefühle zu bändigen. Der erste Kuss sei ihrem Ehemann vorbehalten, erklärt Hannah Max ganz offen. "Das ist krass", entfährt es dem Jungen. Und er will wissen, was passiere, wenn sie sich in jemanden außerhalb der Gemeinde verliebe: "Dann wäre es meine Aufgabe, standhaft zu bleiben."

Timo - eigentlich Timotheus - fühlt sich zu seinem Freund Jonas hingezogen. Doch als er sich kurz in Gedanken an ihn selbstbefriedigt, schlägt er sich danach ins Gesicht. Die Gewissensbisse plagen ihn so sehr, dass er an einem Seminar zur "Heilung" teilnehmen will. Was genau ihn dazu bewegt, das verrät er den Eltern nicht. Denen sagt der Sohn, er frage sich, "ob ich wirklich gut genug für Gott bin".

Starke Jungschauspieler

Flora Li Thiemann als Hannah und Serafin Mishiev als Timo spielen die innere Zerrissenheit stark und sehr nahbar, ohne dass es unglaubwürdig oder übertrieben wirkt. Gerade Hannah ist anfangs vollends von dem überzeugt, was sie sagt und tut. In Diskussionen tritt sie selbstbewusst auf. Und man sieht ihr förmlich an, wie sie nach und nach ins Hinterfragen kommt. 

Einen eindrucksvollen Wandel legt ebenso Max (Michelangelo Fortuzzi) hin, der anfangs als trotziger Teenager auftaucht, dann aus Perspektive der Familie gewissermaßen die Rolle eines Advocatus Diaboli einnimmt - und dabei wohl eine Sichtweise vertritt, die ein großer Teil des Publikums teilen dürfte. Er gerät gezwungenermaßen immer tiefer in die freikirchlichen Gefüge. Und versucht dennoch, Schlimmes zu verhindern. 

Behutsam und eindringlich zugleich 

Das Spielfilmdebüt von Drehbuchautorin und Regisseurin Frauke Lodders lebt von Gesprächen über religiösen Gehorsam, Loyalität zur Familie und dem Streben nach einem selbstbestimmten Leben. Das Drama hat nach Angaben des deutsch-französischen Senders im vergangenen Jahr beim Filmfestival Max Ophüls Preis Premiere gefeiert und den Preis der Jugendjury gewonnen. 

Lodders bringt darin zwar in knapp zwei Stunden Extreme zusammen, erzählt gerade die Geschichte von Hannah und Timo aber nicht überzogen. Hingegen geht die behutsam und eindringlich zugleich den widersprüchlichen Gefühlen der zwei auf den Grund. Und lässt beide ihren eigenen Weg heraus wählen.

dpa

PRODUKTE & TIPPS