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England 19-Jähriger googelt, wie man Freunde findet – und steht nun wegen sexueller Belästigung vor Gericht

Ein schüchterner junger Mann schaut ein Mädchen an
Manche Menschen sind so schüchtern, dass das Ansprechen anderer einfach nicht funktioniert (Symbolbild)
© Trinity Kubassek / Pexels
Er sei extrem ungeschickt, wenn es um soziale Kontakte gehe – das gibt ein 19-Jähriger als Grund an, weshalb er zuerst nach "Wie man Freunde findet" googelte und dann ungewollt einer Schulkameradin die vielleicht schlimmsten Momente ihres Lebens bescherte.

In England sorgt gerade ein ungewöhnlicher Fall für Kopfzerbrechen. Ein 19-Jähriger, der von Familie und Freunden als extrem schüchtern und sozial ungeschickt beschrieben wird, steht vor Gericht: Jamie G. aus einer Kleinstadt im Süden von Manchester soll eine damals 17-Jährige sexuell belästigt haben, indem er sie gegen ihren Willen an Armen und Hüfte berührte. Bei den beschriebenen Vorfällen scheint es sich um tragische Missverständnisse zu handeln – aber macht das die Situation für das betroffene Mädchen weniger schlimm?

Ein fatales Missverständnis – dank Google

G. hatte nämlich, so versicherte er glaubwürdig, keineswegs vor, das Mädchen zu belästigen. Vielmehr habe er kurz zuvor gegoogelt, wie man neue Freunde finde – denn da seine engsten Freunde weggezogen waren, habe er sich allein gefühlt. Die Google-Suche spuckte Tipps aus, die eigentlich Allgemeinplätze sind: Seinem Gegenüber beim Gespräch direkt in die Augen blicken, lächeln, scheinbar zufällige Berührungen herbeiführen. Der Fall Jamie G. zeigt, wie sinnbefreit und fehl am Platz derartige Ratschläge sein können.

Das betroffene Mädchen kannte der 19-Jährige, da sie auf dieselbe Schule gingen. Die erste Begegnung ereignete sich ausgerechnet auf einer – naturgemäß schmalen – Fußgängerbrücke, die über Bahnschienen verlief. G. habe mit dem Rücken zum Weg dagestanden, den Blick auf ein Gebüsch gerichtet, berichtet das Mädchen. Das habe sie schon "wirklich seltsam" gefunden: "Als ich an ihm vorbeiging, drehte er sich plötzlich um, so dass er mich ansah. Ich wollte ihm ausweichen, aber er bewegte sich sofort mit in meine Richtung. Ich sagte 'Stop', aber er berührte meinen Arm. Ich zuckte zusammen und sprang beiseite, da ging er einfach sehr schnell weiter." Sie hatte das Gefühl, er habe ihre Brüste berühren wollen, hätte sie sich nicht wegbewegt.

Wenn Jamie G. die Situation beschreibt, klingt das etwas anders: Er habe sich der 17-Jährigen "ungeschickt" genähert, weil er sich gern mit ihr "anfreunden wollte", aber sagt: "Ich konnte kein Wort herausbekommen". 

Es kam zu einer weiteren Begegnung der beiden

Diese erste unglückliche Begegnung schüttelte das Mädchen noch ab. Sie war im Abistress und hatte viele andere Dinge im Kopf. Doch dann kam es zu einem zweiten Aufeinandertreffen, diesmal auf der Straße. "Er lief vor mir und drehte sich plötzlich um, um mir direkt in die Augen zu schauen, und er fasste meine Hüfte an. Dann ging er weg", beschreibt das Mädchen den Moment. "Es dauerte ziemlich lange, bestimmt drei bis fünf Sekunden. Er grinste mich an und hörte dabei nicht auf, mich anzufassen. Als er weiterging, brach ich weinend zusammen. Es war wirklich traumatisierend."

Augenkontakt, Lächeln, Berührungen herbeiführen – all das, was Jamie G. im Internet "gelernt" hatte. Auf seine Schulkameradin wirkte es jedoch verstörend. Er erklärt dazu: "Ich sah sie auf der Straße und erkannte sie, weil sie auf meine Schule ging. Ich sagte zwar nichts, aber ich wollte wirklich gern – es klappte bloß nicht. Ich berührte sie, aber ich dachte, es wäre am Arm". Der 19-Jährige habe es lediglich nett gemeint: "Ich habe sie angelächelt und versucht, freundlich zu sein. Ich wollte ihre Aufmerksamkeit erregen, aber sie hatte mich nicht beachtet. Ich dachte, es wäre normal, den Arm von jemandem zu berühren, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Ich suchte nach jemandem, mit dem ich mich anfreunden konnte."

Der 19-Jährige glaubte, er verhalte sich "normal"

Die Begegnungen hatten für beide fatale Konsequenzen. Jamie G. studiert zwar inzwischen, stand aber bereits einmal wegen dieser Sache vor Gericht und muss sich nun einer weiteren Verhandlung wegen sexueller Belästigung stellen. Schlimmstenfalls könnten ihm zehn Jahre Haft und ein Eintrag ins Sexualstraftäter-Register drohen. Er ist erschüttert über den Effekt seiner Handlungen: "Ich brauchte damals wirklich jemanden, mit dem ich reden kann und meine Absicht war es, Freunde zu finden – aber das habe ich offenbar völlig falsch angestellt. Das Missverständnis tut mir sehr leid. Ich wollte mit ihr sprechen, aber ich konnte es nicht, meine Ängste machten es unmöglich, ein Wort herauszubringen. Die Vorstellung, jemanden einzuschüchtern oder ihm Angst zu machen, finde ich furchtbar."

Das Mädchen, mit dem er sich anfreunden wollte, bekommt noch immer Panik, wenn ihr auf einer einsamen Straße ein Mann entgegenkommt. Sie sagt, die Vorfälle hätte ihre Chancen, an der renommierten Universität von Oxford angenommen zu werden, zunichte gemacht. Während der Aufnahmeprüfungen sei sie noch derart durch den Wind gewesen, dass sie sich dem Stress nicht stellen konnte. "Alles ist irgendwie angsteinflößend. Es ist eine schockierende Vorstellung, dass jemand einfach glaubt, er habe das Recht, mich gegen meinen Willen anzufassen."

Quelle:"Daily Mail"

wt

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