NEON-Redakteurin Denise heiratet im Juni – und ist damit in ihrem Freundeskreis eine der ersten. Da gibt es erstmal tausende Fragen, auf die sie eine Antwort sucht. Die wichtigste: Wie will ich eigentlich heiraten? In der NEON-Hochzeitskolumne "Ja, ich will ... aber anders" erzählt sie von der Planung einer Feier gegen das Klischee.
Schon als kleine Kinder werden wir darauf sozialisiert, dass es vor einer Hochzeit einen Heiratsantrag gibt. Und: dass der Mann die Frau fragen muss – möglichst romantisch oder ausgefallen. Wahlweise am Strand, im Lieblingsrestaurant, unterm Weihnachtsbaum, in luftiger Höhe oder: an Valentinstag. In Filmen, in der Werbung, in Märchen ... überall wird uns immer wieder das selbe Bild serviert. Versteht mich nicht falsch, ich freue mich, wenn andere so einen Antrag bekommen und es ganz toll finden. Aber für mich will und wollte ich das nicht.
Das Problem fängt schon bei der Recherche für diesen Artikel an. Sucht man bei einer Bildagentur nach "Heiratsantrag", werden massenhaft Fotos ausgespuckt – aber auf allen kniet der Mann vor der Frau (eine Ausnahme: Fotos von lesbischen Pärchen). Wieso gibt es keine Bilder von Frauen, die ihrem Mann einen Antrag machen? Wir haben 2019!
Klar, habe auch ich als Kind wie fast jedes kleine Mädchen, das in dieser Gesellschaft aufgewachsen ist, davon geträumt, irgendwann mal eine richtige "Märchen-Hochzeit" mit allem drum und dran zu feiern: Prinzessinnen-Kleid, Schloss, blablabla. Aber ich dachte als Kind auch noch, dass Frauen und Männer vollkommen gleichberechtigt wären. Als Teenie war ich dann davon angetan, die imaginäre Hochzeit so klein wie möglich zu halten: Nur die engste Familie, ein paar Freunde und ab zum Strand. Später habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt heiraten will: Ist so eine Ehe nicht irgendwie out?
"Wann ist es denn endlich soweit?"
Während meines Abis habe ich meinen jetzigen Freund kennengelernt. Als Paar erreicht man irgendwann einen Punkt (meistens so nach fünf Jahren Beziehung), an dem man von allen gefragt wird, wann es denn jetzt ENDLICH so weit sei, das mit dem Heiraten. Wenn die Eltern nach jedem Geburtstag fragen, wo denn jetzt der Ring sei. Ich hätte nie gedacht, dass man sich selbst als emanzipierte Frau ohne dringendes Bedürfnis nach Sesshaftigkeit irgendwann anfängt zu fragen: "Ja, wann denn jetzt eigentlich?!"
Mein Freund und ich haben in den sechs Jahren zusammen oft übers Heiraten gesprochen, uns ausgemalt, wie wir feiern würden und wen man so einladen könnte. Es bestand kein Zweifel daran, dass wir es auch irgendwann wirklich tun würden. Und dann kam irgendwann der Punkt, an dem ich bei jedem Event die Angst/Hoffnung hatte, dass ES heute passieren könnte: "die Frage aller Fragen". Angst, weil ich nicht wusste, ob man den Antrag wirklich am Geburtstag/an Weihnachten/im Kreis der Familie/in diesem Restaurant bekommen wollte. Ob das wirklich der "perfekte Moment" wäre. Ob ich mich freuen würde.
Dazu die gleichzeitige Hoffnung, dass es jetzt "endlich" passiert. Die anschließende Erleichterungs-Enttäuschung, wenn es dann doch nur ein ganz normaler Tag war, ist ziemlich verwirrend. Wieso will ich das jetzt plötzlich so dringend? Will ich das wirklich, oder redet mir das mein Umfeld einfach nur ein? Denise, du bist erst 25 – jetzt chill' mal!
Hochzeit geht auch ohne Antrag
Und dann lagen mein Freund und ich im Sommerurlaub 2017 auf Gran Canaria angetrunken im Hotelbett, kurz nachdem wir uns wegen irgendeiner Kleinigkeit gestritten hatten. Ich stand den ganzen Urlaub über unter Druck, weil ich nicht wusste, ob ES jetzt passieren würde. Und dann war da dieser Moment, in dem ich alles total klar sah: Ich will ihn heiraten. Wirklich. "Sag mal, ich habe da so einen dummen Gedanken gerade. Soll ich ihn einfach mal laut aussprechen?", fragte ich ihn und blickte in ein verunsichertes Gesicht. "Wollen wir nicht einfach heiraten?"
Einfach, das hieß für mich in erster Linie: Ich brauche keinen Antrag. Und: Ich will diesen Mann heiraten. Dafür muss er mir nicht mit dem romantischsten Antrag ever seine Liebe beweisen. Ich weiß auch so, dass er mich liebt.
Und dann waren wir verlobt. Einfach so. Es fühlte sich fantastisch an. Das tut es bis heute.
Ein Plädoyer für alle Heiratswilligen
Wenn ich die Geschichte unserer Verlobung erzähle, ist die Reaktion von Freundinnen meist die selbe: "Zu euch passt das voll – aber für mich kann ich mir das nicht vorstellen. Ich will gefragt werden." Ich frage mich jedes Mal: Warum? Warum verabschieden wir uns nicht von der vollkommen überholten Vorstellung, dass der Mann die Frau fragen muss? Warum verlangen so viele, dass es gleich "der süßeste Antrag der Welt" wird – am besten möglichst Instagram-tauglich?
Dieser Text darf gerne als Plädoyer für alle Heiratswilligen da draußen gesehen werden. Liebe Frauen: Nehmt die Sache doch einfach selbst in die Hand. Liebe Männer: Lasst es zu.
Für mich hat sich dieser unspektakuläre Moment im Hotelbett richtig angefühlt. Und ich habe es noch keine Sekunde bereut.
Jeden Freitag gibt es eine neue Folge der NEON-Hochzeitskolumne "Ja, ich will ... aber anders". Alle bisherigen Kolumnen findet ihr hier:
Teil 1: "Ich heirate meinen ersten Freund: Warum ich keine Angst habe, etwas zu verpassen"
