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Bloggerin Theresa Lachner Sexkolumnistin verrät, warum Coolness für guten Sex wichtig ist

Lvstprinzip
Theresa Lachner gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Sexkolumnistinnen. Auf ihrem Blog "Lvstprinzip" will sie mit Sex reden statt über ihn.
© Paulan Winkler
Theresa Lachner ist erfolgreiche Sexbloggerin. Nun hat die 32-Jährige intime Details aus ihrem Leben aufgeschrieben. Mit NEON spricht sie über den Zusammenhang zwischen Sex und Body Positivity und über Online-Dating.

Eigentlich wollte Theresa Lachner einfach nur ein Praktikum in Berlin machen. Als sie schließlich bei einem erotischen Magazin landete, stellte sie fest, dass sie gut über Sex reden und schreiben kann. Auf ihrem Blog "Lvstprinzip" berichtet sie seitdem schamlos offen über ihr Sexleben und hat nun ihr gleichnamiges Buch veröffentlicht. Doch auch wenn es dort um Pornodrehs und Bondageworkshops geht, ist "Lvstprinzip" kein Sexratgeber – sondern der Bericht einer Suche nach sich selbst. Im NEON-Interview spricht die bekannte Sexkolumnistin über die Anforderungen der Gesellschaft und wie die Google-Bildersuche beim Online-Dating helfen kann.

Theresa, du bist seit über 10 Jahren Sexkolumnistin und schreibst auf deinem Blog "Lvstprinzip" über alles, was du in Sachen Sex so erlebt hast. Nun hast du ein Buch über deinen Werdegang geschrieben. Erwartet die Leser ein Sex-Ratgeber?

Natürlich geht es in meinem Buch um Sex, ich bin ja Sex-Kolumnistin. Aber ich habe mich vielmehr dazu entschieden, meinen Weg zu mir selbst aufzuschreiben. Vor ein paar Jahren habe ich auf meinem Blog einen Artikel veröffentlicht, der "Du hast aber ein so schönes Gesicht" hieß. Darin berichte ich davon, wie ein Typ mich aufgrund meines Aussehens beleidigt, also gebodyshamed hat. Ich habe alles zusammengetragen, was Leute schon Dummes über mich und meinen Körper gesagt haben. Der Text ging sofort viral. Und nachdem auch die "Zeit" den Artikel publiziert hat, sind unglaublich viele Menschen auf meine Arbeit aufmerksam geworden. Ich glaube, danach haben alle so eine Art Body-Positivity-Bibel von mir erwartet. Aber bei den Recherchen habe ich festgestellt, dass die Leute eigentlich nur eine Anleitung suchen, wie man mit sich selbst cool wird.

Buch Theresa Lachner
Das Buch "Lvstprinzip" von Theresa Lachner ist am 13. September im Aufbau Verlag erschienen
© Aufbau Verlag

Und welche Lösung hast du gefunden?

Akzeptanz ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich bin ein großer Freund von Body-Neutrality, also sich selbst einzugestehen, dass man wahrscheinlich nie ganz frei von solchen Selbstzweifeln sein wird. Aber man kann sich eben sagen: Ok, diese Woche habe ich meine Tage und wiege drei Kilo mehr, das ist nicht toll, aber es geht auch wieder vorbei. Und eigentlich habe ich auch noch andere Sachen zu tun, als mir ständig darüber den Kopf zu zerbrechen. Es geht eben darum, sich gut zu fühlen, unabhängig von den Reaktionen anderer. Dahin gibt es aber tausend Wege.

Und was hat das mit Sex zu tun?

Alles! Es war für mich erstmal abwegig, diesen Text über Körpergefühl auf meinem Sexblog zu veröffentlich – aber als alle Leser darauf so angesprungen sind, ist mir bewusst geworden, dass genau das der logische Schritt zurück ist. Denn vor dem Sex kommt eben, dass man mit sich selber cool sein muss – nur dann kann der Sex auch cool werden! Denn man ist ja nackt und steht vor einer anderen Person und das kann nicht gut werden, wenn man sich selber scheiße findet.

Aber warum ist das so ein Frauen-Problem?

Frauen werden auch heute noch immer zuerst nach ihrem Aussehen bewertet. Angela Merkel zieht zweimal das Gleiche an und alle rasten aus – bei dem blauen Anzug von Macron würde das nie passieren. Dabei geht es natürlich auch um ein Machtgefüge – denn wenn man jemandem sagt, dass er scheiße aussieht, macht man ihn damit klein. Und wenn ich die ganze Zeit damit beschäftigt bin, über meinen Hintern nachzudenken, habe ich auch keine Zeit, die Revolution zu planen. Deshalb versuche ich, mich immer wieder davon frei zu machen und mich zu fragen: Würde sich ein Mann jetzt diese Gedanken machen?

Was hälst du von dem Prinzip Body Positivity?

Der Begriff und die Debatte sind für mich etwas ambivalent. Ich glaube schon, dass es super wichtig ist, darüber zu reden und es hat auch zu mehr Akzeptanz geführt, die vor zehn Jahren noch nicht da war. Gleichzeitig schafft es aber auch ein neues unerreichbares Ideal: Sich immer zu lieben und sich ständig geil zu finden ist eben auch nicht möglich, gerade in einer Welt, die uns permanent sagt, dass wir faltenfrei und dünn sein sollen und uns dafür nur ein bisschen mehr anstrengen und Diätprodukt XY kaufen sollen. Daher bin ich eher Fan einer Body-Neutrality – denn es ist auch ok, sich in dieser seltsamen Welt zwischendurch mal nicht ok zu finden.

Du stehst jetzt mit deinem Buch und deinen Texten sehr in der Öffentlichkeit. Vor Kurzem hat sich jemand als "Lvstprinzip" ausgegeben und Frauen bei Facebook obszön angeschrieben. Wie gehst du damit um?

Diese ganze Situation hat mich wirklich abgefuckt. Mir hat eine Frau geschrieben, dass sich jemand als Mitarbeiter einer Agentur ausgegeben hat, die angeblich für "Lvstprinzip" arbeitet. Er hat ihr tausend Euro geboten für einen Sextoy-Test im Dirty-Talk-Style. Ich habe meinen Anwalt auf die Sache angesetzt – aber es schockt mich persönlich sehr. So ein Perversling greift Frauen an unter dem Deckmantel, für einen feministischen Blog zu arbeiten. Deshalb habe ich die Unterhaltung auch direkt geteilt, um Frauen darauf aufmerksam zu machen. Niemand sollte in sozialen Netzwerken auf solche Anfragen eingehen.

Auch beim Online-Dating weiß man oft nicht, wer hinter den Nachrichten steht. Welche Tipps hast du für Frauen, um sich zu schützen?

Im Internet kann natürlich jeder alles sein, also am besten erstmal gar nichts glauben. Lieber vorab ein bisschen mit jemanden schreiben und ein Gefühl für die Person zu bekommen, anstatt sich sofort zu treffen. Ich bin auch ein großer Fan von der Google-Bildersuche, bei der man schauen kann, wo und wann Bilder online gestellt wurden und ob jemand ein Bild vielleicht einfach nur geklaut hat oder wo er oder sie schon mal aufgetaucht ist. Zudem lohnt sich, vor allem in Großstädten, ein Background Check bei gemeinsamen Freund*innen, auf deren Meinung gebe ich viel. Und man sollte sich wirklich erstmal an einem öffentlichen Ort treffen.

Schlägt dir auf Social Media viel Hate entgegen?

Aktuell ist es okay, aber bei Texten, die viel öffentlich diskutiert werden, ist es deutlich schlimmer. Oft höre ich dann sowas wie: "Gibt es gerade nichts Wichtigeres, über das man reden kann?". Sex wird oft als blöd und niveaulos dargestellt und Körperthemen im Allgemeinen scheinen Leute gerade dazu zu verleiten, über andere zu urteilen. Ich habe oft das Gefühl, dass es genau diese Gruppe von Menschen ist, die das Problem eigentlich gar nicht betrifft, die davon aber sehr getriggert werden. Vielleicht sehen sie ihre Felle davonschwimmen, wenn Frauen sich von diesen Stigmen befreien.

Die große Frage, die sich durch dein Buch zieht ist "Was ist das, eine freie Frau"? Hast du eine Antwort gefunden?

Das ist Work in Progress. Ich glaube, ich bin aktuell so frei, wie man als Frau nur sein kann: Ich bin Freiberuflerin, ich habe keine Kinder, ich habe einen der besten Reisepässe der Welt und alle anderen Privilegien. Und trotzdem sehe ich die Diskrepanz zwischen mir und einem weißen, deutschen Mann mit demselben Bildungsstandard. Und diese Grenzen, an die ich täglich stoße, und die, an die Menschen mit weniger Privilegien stoßen, regen mich auf – und daher müssen wir uns zusammen aufregen, um das zu verändern. Wenn wir es schaffen, uns davon frei zu machen, ständig jemandem gefallen zu wollen und darauf scheißen, was andere über uns und unsere Körper denken, dann sind wir schon mal ein ganzes Stück weiter.

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