VG-Wort Pixel

Von Klima bis Gleichberechtigung Der große Wahlprogramm-Check: Dafür stehen die Parteien bei der Europawahl

Europawahl Wahlprogramme Wahl-O-Mat EuroMat
Hier geht es nach Europa: NEON hat für euch in die Wahlprogramme der Parteien zur Europawahl geschaut.
© Montage: NEON; iStockphoto / Getty Images
Du willst am 26. Mai wählen, weißt aber nicht wen? NEON hat für dich die Wahlprogramme durchstöbert und wichtige Positionen zusammengefasst. Zusätzlich kannst du mit dem EuroMat checken, welche EU-Partei zu dir passt.

Bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren hat nicht einmal die Hälfte aller Deutschen ihre Stimme abgegeben. Das soll sich in diesem Jahr ändern: Ob (Heirats-)Antrag zum gemeinsamen Wählen oder EU-Pulli, ob on- oder offline, überall wird gerade für die Europawahl getrommelt. Aber welche Partei vertritt deine Vorstellungen?

Auf dem Wahlzettel in Deutschland buhlen 41 Parteien und Gruppierungen um unsere Stimme. Aber wen wählt man da eigentlich und was sagen die einzelnen Parteien zu Themen wie Klimaschutz, Migration oder Gleichberechtigung? Egal, ob du schon weißt, wen du wählen gehst oder noch unentschlossen bist: NEON hat für dich Wahlprogramme unter die Lupe genommen und mit dem EuroMat kannst du zudem checken, ob auch die europäischen Parteien deine Meinung vertreten.

Wie geht das nochmal mit der Wahl?

Die Europawahl ist für alle Wähler allgemein, unmittelbar, frei und geheim – aber nicht gleich. Denn es gibt kein einheitliches, europäisches Wahlrecht: Die Wahl findet in jedem Land nach dem nationalen Wahlsystem statt. Anders als bei der Wahl zum Deutschen Bundestag hat jeder Wahlberechtigte in Deutschland bei der Europawahl nicht zwei, sondern nur eine Stimme, mit der er eine Partei oder eine politische Vereinigung wählen kann. Insgesamt stehen in Deutschland 41 Parteien und Gruppierungen zur Wahl und es werden aus ihren Reihen 96 Abgeordnete gewählt.

Die deutschen Parteien treten mit eigenen Spitzenkandidaten an, die dann (bei genug Stimmen) ins EU-Parlament einziehen. Im Europäischen Parlament schließen sich dann die national gewählten Vertreter der 28 Mitgliedsstaaten zu sogenannten Europaparteien und in Fraktionen zusammen. So können sich Abgeordnete mit ähnlichen politischen Zielen und Interessen gemeinsam für bestimmte Themen einsetzen. 

Wer steht für was?

Wir haben uns die Wahlprogramme der sieben Parteien angeschaut, die aktuell schon im Europaparlament vertreten sind und ihre Haltung zu den Aspekten Klimaschutz, Gleichberechtigung, Digitalisierung und Migration zusammengefasst.

Klimaschutz

CDU/CSU: Die Partei rund um Spitzenkandidat Manfred Weber will die aktuellen Klimaziele weiter verfolgen und steht hinter den UN-Klimabeschlüssen von Paris und Katowice. Das heißt, sie will den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf unter 1,5, besser noch unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzen. Klimaschutz soll durch grüne Technologien und Innovationen vorangetrieben werden. Wenn es um die Vermeidung von Plastik geht, spricht die Partei nur von einer "europaweiten Strategie".

SPD: Mit Spitzenkandidatin Katharina Barley will die SPD stärker gegen den Klimawandel vorgehen. Ziel soll es sein, langfristig mit der EU bis 2050 Neutralität beim Ausstoß von Treibhausgasen zu erreichen. Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 einzuhalten, soll die EU zudem bis 2030 ihre CO2-Emission um mindestens 45 Prozent reduzieren (gegenüber 1990). Zudem sollen bestimmte Einwegplastikartikel verboten und bis 2030 50 Prozent des gesamten Plastikmülls eingespart werden.

Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen rund um ihre Spitzenkandidaten Ska Keller und Sven Giegold beschäftigen sich auf über 30 Seiten ihres 200 Seiten langen Programms mit dem Thema Klima. So soll die CO2-Emission bis 2030 auf mindestens 55 Prozent im Vergleich zu den Emissionen im Jahr 1990 gesenkt werden. Um die Klimaziele langfristig zu erreichen, will die Partei in erneuerbare Energien investieren und so den Energiebedarf bis 2050 gänzlich damit decken. Mit einer Steuer auf Wegwerfprodukte soll Plastikmüll eingedämmt werden – bis 2030 sollen außerdem alle Produkte aus Kunststoff komplett abbaubar oder zumindest wiederverwendbar sein.

Die Linke: Auch die Linke strebt mit ihren Spitzenkandidaten Özlem Alev Demirel und Martin Schirdewan einem besseren Klima entgegen. Sie fordert eine europäische Energiewende, um Treibhausgasemissionen überstaatlich zu kontrollieren und zu senken. Im Vergleich zu 1990 soll bis 2030 um 60 Prozent und bis 2050 sogar um 95 Prozent weniger CO2 produziert werden. Dazu sollen große Energiekonzerne vergesellschaftet und eine Steuer auf Kohlenstoff für alle Branchen eingeführt werden.

FDP: Die FDP mit Spitzenkandidatin Nicola Beer bekennt sich auch zum Pariser Klimaabkommen und fordert eine Reduktion der CO2-Emission. Das soll vor allem über Innovationen und Hightech gelingen statt über politische Verbote.

AfD: Die AfD und ihr Spitzenkandidaten Jörg Meuthen lehnt das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 ab, da sie den Einfluss von Menschen auf den Klimawandel bezweifeln. Daher hält die Partei einen Umstieg auf erneuerbare Energien auch nicht für sinnvoll und will lieber bei Kernkraft bleiben. E-Mobilität ist laut ihrem Programm keine Alternative zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und Grenzwerte, wie zum Beispiel für Feinstaub, hält die Partei für willkürlich bestimmt.

Freie Wähler: Die Partei rund um Spitzenkandidatin Ulrike Müller setzt sich in ihrem Programm für die Umsetzung der Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen ein. Europa soll in Fragen der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik eine Führungsrolle übernehmen und geschlossen auftreten. Zur Reduzierung der Kunststoffabfälle sollen die derzeitigen Regelungen überarbeitet werden und Plastikmüll aus dem Meer gefiltert werden. Konkrete Zahlen oder Strategien dazu nennt die Partei allerdings nicht.

Frauenrechte und Gleichstellung

CDU/CSU: Die CDU/CSU nennt in ihrem Programm keine konkreten Ziele und Maßnahmen zur Förderung von Gleichberechtigung. Jedoch spricht sie sich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Frauen und Männer aus und will auch im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik die Chancengleichheit fördern.

SPD: Die Sozialdemokraten widmen dem Thema Gleichstellung ein ganzes Kapitel ihres Programms. Sie fordern eine paritätische, also gleich zwischen den Geschlechtern verteilte, Besetzung von Ämtern im EU-Parlament und eine Quote für Frauen in Aufsichtsräten innerhalb der EU. Zudem sollen Frauen EU-weit in der Wirtschaft und den MINT-Fächern gefördert werden. Darüber hinaus widmet sich die SPD auch dem Thema Gewalt gegen Frauen und fordert deren konsequente Bekämpfung, ebenso wie den Einsatz gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Bündnis 90/Die Grünen: Auch die Grünen fordern eine paritätische Besetzung von EU-Ämtern und eine Frauenquote in Aufsichtsräten von europäischen Firmen. Durch eine EU-weite Regelung soll es außerdem eine höhere Transparenz geben, wenn es um die Vergleichbarkeit und Einklagbarkeit von Löhnen geht. Die Partei setzt sich in ihrem Wahlprogramm konkret mit dem Thema Gewalt gegen Frauen auseinander und fordert Richtlinien und Förderprogramme, auch bei der Versorgung von geflüchteten Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und LSBTIQ.

Die Linke: Die Partei fordert in ihrem Europaprogramm EU-weite Mindestlöhne, die Regulierung von prekären Arbeitsverhältnissen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Zudem will sie eine maximale Wochenarbeitszeit von 35 Stunden durchsetzen, um eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie für Männer und Frauen zu gewährleisten. Auch die Linke verweist in ihrem Programm darauf, dass Frauen Opfer von Gewalttaten und sexualisierter Gewalt sind. Konkrete Handlungsempfehlungen gibt die Partei aber nur für die Aufnahme und Unterbringung betroffener Frauen aus Kriegsgebieten und Schwellenländern.

FDP: Die freien Demokraten wollen die Gleichstellung in Europa fördern und erkennen die Benachteiligung von Frauen an, besonders wenn es um den Zugang zu politischen Ämtern geht. Konkrete Ziele, wie dieses strukturelle Problem in der Wirtschaft und auch auf dem Arbeitsmarkt bekämpft werden sollen, nennt die Partei nicht.

AfD: In ihrem Wahlprogramm spricht sich die Partei zwar für Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern aus – hält aber am klassischen Geschlechter- und Rollenbild fest. Sie lehnt eine aus ihrer Sicht einseitige Geschlechterförderung ab, da diese keine Gleichberechtigung fördere. Statt einer Quotenregelung bei der Besetzung von (Führungs-)Position sollen fachspezifische Kompetenzen zählen.

Freie Wähler: Die Freien Wähler behandeln das Thema Gleichberechtigung nicht in ihrem Wahlprogramm.

Digitalisierung

CDU/CSU: In den Bereichen Wissenschaft und Bildung fordern die christdemokratischen Parteien einen Zusammenschluss der europäischen Nationen. Startups sollen gefördert und Deutschland zum führenden Standort für künstliche Intelligenz gemacht werden. Außerdem will die CDU/CSU das Aushängeschild der europäischen Bildungspolitik, das Austauschprogramm Erasmus, weiter fördern und das Budget aufstocken. Zwischen den National- und Staatsbibliotheken und den europäischen Hochschulen soll zudem ein Netzwerk gegründet werden, um die Wissenschaft weiter zusammenzubringen.

SPD: Die Partei fordert die Einrichtung eines Europäischen Innovationsrates, der innovative Ideen und Konzepte fördern soll, ebenso wie die Schaffung europäischer Hochschulen. So soll Europa im Bereich Wissenschaft und Technik eine führende Rolle übernehmen. Dazu gehört auch eine europäische Cloud, in der Forschungsergebnisse und eine Infrastruktur für Daten öffentlich erreichbar sind. Außerdem will die SPD das Budget für das Erasmus-Programm auf 45 Milliarden verdreifachen.

Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen wollen den europäischen Austausch fördern. Dafür soll unter anderem das Budget des Erasmus-Austauschprogramms erhöht und ein EU-Bildungsfond eingerichtet werden. Die Partei will die Gründung europäischer Universitäten vorantreiben und eine digitale Plattform schaffen, auf der alle Bürger Sprachen der EU lernen können. Als einzige Partei fordern die Grünen zudem eine unabhängige Zentrale für politische Bildung, die den Umgang mit sozialen Medien fördert. Eine Art europäisches Kartellamt soll dabei über große Plattformbetreiber wie Facebook wachen.

Die Linke: Die Partei möchte gute Wissenschaft fördern, aber dem digitalen Kapitalismus von Plattformen wie Facebook und Co. mit solidarischer Ökonomie begegnen. Dafür soll es eine Digitalisierungsstrategie geben, die bis in regionale politische Bereiche in den Kommunen führt. Datenstrukturen, die bisher bei privaten Unternehmen wie Facebook liegen, sollen in öffentlicher Hand bleiben: Dazu soll eine Plattformgesellschaft eingerichtet werden, die eine Beteiligung der Bürger leichter machen. Die Teilung der europäischen Hochschulen in eine Art Exzellenz-Initiative, wie sie bereits in Deutschland existiert, lehnt die Linke ab.

FDP: Die Liberalen fordern eine stärkere Vernetzung als bisher in der europäischen Wissenschaft, die jedem EU-Bürger Bildungsfreizügigkeit ermöglichen soll. Dazu plant die Partei einerseits ein übergreifendes Netzwerk der Hochschulen und eigene Bildungseinrichtungen unter Trägerschaft der EU; auch das Budget des Erasmus-Programms soll erweitert werden. Andererseits soll es eine digitale Bildungsplattform geben, zu der jeder EU-Bürger Zugang hat und die ihm Bildungsinhalte zur Verfügung stellt. Zudem will sie Startups fördern und das Glasfasernetz ausbauen.

AfD: Die AfD will Bildungspolitik ausschließlich in der Zuständigkeit der Nationalstaaten belassen und fordert den Rückbau der bisherigen europäischen Förderung in Sachen Forschung. Digitale Bildung in Schulen schwächt laut Wahlprogramm den Lernprozess und soll daher nicht weiter gefördert werden. Die AfD ist zudem gegen die Datenschutzgrundverordnung und die beschlossenen Uploadfilter, die Urheberrechtsverletzungen im Netz verhindern sollen.

Freie Wähler: Die Freien Wähler wollen einen gemeinsamen europäischen Forschungsraum stärken und Innovationen wie Batterien und Nanotechnologie voranbringen, damit Europa sich in den kommenden Jahren zum Technologieführer entwickelt. Um das zu erreichen, will die Partei das Erasmus-Programm weiter fördern und die Bildungspolitik EU-weit abstimmen. Auf der anderen Seite sprechen sich die Freien Wähler gegen das aktuelle Bachelor/Master-System aus und wollen wieder zu den nationalen Abschlüssen Diplom und Magister zurückkehren.

Flucht und Migration

CDU/CSU: Nach Ansicht der Partei muss sich Europa zu seiner humanitären Verpflichtung bekennen – trotzdem soll die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft niedrig bleiben. Ziel ist ein einheitliches und schnelles Asylverfahren, bei dem nur einmalig im Einreiseland ein Antrag gestellt werden soll. Um Europas Außengrenzen zu schützen, soll die Grenzpolizei Frontex ausgebaut werden.

SPD: Fluchtursachen und nicht Flüchtlinge bekämpfen – das ist der Maßstab der SPD in ihrem Wahlprogramm. Die Sozialdemokraten wollen Asylverfahren beschleunigen und vereinfachen und fordern eine Reform des sogenannten Dublin-Verfahrens – es regelt, dass sich Asylbewerber in dem Land registrieren müssen, in dem sie ankommen und dieses Land dann für das Asylverfahren zuständig ist. Die SPD fordert einen Einwanderungsschlüssel, da Asylrecht eine gemeinsame Aufgabe aller EU-Staaten sei; und nicht nur von denen, an deren Außengrenzen Flüchtlinge ankommen.

Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen fordern ein einheitliches europäisches Asylrecht und die solidarische Verteilung der Asylsuchenden unter den Mitgliedsstaaten. Um die Freizügigkeit aller Menschen innerhalb der EU zu gewährleisten, ist es laut der Partei wichtig, ein europäisches Einwanderungsrecht zu schaffen, Rahmenbedingungen für legale Einwanderung zu schaffen und so auch Arbeitsmigration zu ermöglichen. Die EU-Außengrenzen sollen geschützt werden, allerdings nicht, um Flüchtlinge abzuweisen, sondern um Terrorismus und Kriminalität einzudämmen.

Die Linke: Auch die Linke fordert eine Reform des Dublin-Systems, bei dem Flüchtlinge selbst entscheiden können, wo sie Asyl beantragen wollen. Zudem sollen Schnellverfahren und die Inhaftierung von Flüchtlingen abgeschafft werden. Die EU-Staaten sollen nach ihren ökonomischen Fähigkeiten Flüchtlinge aufnehmen und auch finanzielle Ausgleichszahlungen erhalten.

FDP: Die FDP legt in ihrem Programm den Fokus vor allem auf gezielte Zuwanderung und Fachkräftemangel. Für qualifizierte Fachkräfte und Studierende soll die EU attraktiver werden – um diese Art der Zuwanderung zu regulieren, soll ein Punktesystem, das Kriterien wie Abschlüsse oder Sprachkenntnisse in den Blick nimmt, dies ermöglichen. Die FDP will ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit einem europaweiten Verteilungsschlüssel, der sich nach Bevölkerungsstärke und Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten richten soll.

AfD: Die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm illegale Zuwanderung einzudämmen und lehnt europaweite, einheitliche Aufnahmequoten ab – stattdessen soll jeder Staat wieder national entscheiden, wie viele Flüchtlinge er aufnehmen will. Aus humanitären Gründen soll jedoch eine begrenzte, vom Deutschen Bundestag abgestimmte, Anzahl Menschen auf freiwilliger Basis aufgenommen werden.

Freie Wähler: In ihrem Europawahlprogramm sprechen sich die freien Wähler für eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage aus – die Außengrenzen sollen geschützt und Asylsuchende auf alle Mitgliedsstaaten verteilt werden. Dabei sollen Länder, die freiwillig Flüchtlinge aufnehmen, finanzielle Unterstützung erhalten. Durch ein Ein- und Ausreisesystem soll ein Unterschied zwischen der Zuwanderung von Fachkräften und Einwanderung von Asylsuchenden gemacht werden.

lau

Mehr zum Thema