Anzeige
Anzeige

Baerbock: Russland nutzt Hunger als Waffe und "nimmt die ganze Welt als Geisel"

Weizen nach der Ernte
Weizen nach der Ernte
© © 2022 AFP
Angesichts der durch den Ukraine-Krieg dramatisch verschärften Hungerkrise weltweit hat die Bundesregierung auf einer internationalen Konferenz in Berlin nach Auswegen aus der Katastrophe gesucht.

Angesichts der durch den Ukraine-Krieg dramatisch verschärften Hungerkrise weltweit hat die Bundesregierung auf einer internationalen Konferenz in Berlin nach Auswegen aus der Katastrophe gesucht. Russland setze Hunger "ganz bewusst als Kriegswaffe" ein und mache "die ganze Welt zur Geisel", kritisierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit Blick auf die blockierten Getreideexporte in den Häfen der Ukraine. Kurzfristig sollen alternative Exportwege gefunden und Nothilfen für Länder etwa in Afrika aufgestockt werden. Die Konferenz wollte aber auch langfristige Strategien zur Nahrungsmittelsicherheit beraten.

Angesichts der Dimension - 345 Millionen Menschen in 82 Ländern leiden derzeit akut Hunger - richtete das Auswärtige Amt die Konferenz gemeinsam mit dem Landwirtschafts- und Entwicklungsministerium in Berlin aus. Delegationen von 50 Organisationen und Ländern nahmen teil, darunter 40 Ministerinnen und Minister, auch US-Außenminister Antony Blinken. Baerbock sagte bei der gemeinsamen Presskonferenz mit ihren Ministerkollegen Cem Özdemir (Grüne) und Svenja Schulze (SPD), das Interesse an der Konferenz, die auch den G7-Gipfel im bayerischen Elmau ab Sonntag vorbereiten soll, habe sogar die Bundesregierung überrascht.

Die Hungerkrise türme sich "wie eine lebensbedrohliche Welle vor uns" auf, beschrieb Baerbock die Lage. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe "aus einer Welle einen Tsunami gemacht". Sie und ihre Ministerkollegen machten deutlich, dass einerseits der weltweit extrem wichtige Nahrungsmittellieferant Ukraine derzeit kaum noch Getreide exportieren könne, und dass dadurch die Preise in den Ländern Afrikas oder des Nahen Ostens explodierten.

Zuletzt war es gelungen, ukrainisches Getreide per Bahn verstärkt über Rumänien auszuführen. Geplant ist nun ab Juli ein Güterzug täglich, wie Baerbock sagte. Auch andere Routen etwa über Polen oder die Donau sollen eröffnet werden. Özdemir machte aber deutlich, dass diese Strategie "logistisch an ihre Grenzen" komme, weil nicht genug Lkw und Waggons zur Verfügung stünden. "Wir kommen an einen Engpass und die Preise gehen uns durch die Decke."

Baerbock kritisierte, Russland versuche die Schuld an den hohen Nahrungsmittelpreisen "anderen in die Schuhe zu schieben", doch das seien "Fake News". Moskau hatte wiederholt die Sanktionen des Westens gegen Russland für die Nahrungsmittelknappheit verantwortlich gemacht. Baerbock hob aber hervor, dass etwa russische Getreideexporte von den Sanktionen ausgeschlossen seien. Russland blockiere ukrainische Häfen und beschieße Getreidespeicher, sagte sie und verwies auf Gespräche zusammen mit der UNO und der Türkei, um die Häfen wieder zu öffnen.

Bei der Konferenz in Berlin ging es zwar nicht darum, konkrete finanzielle Zusagen von Gebern für die notleidenden Länder zu bekommen. Entwicklungsministerin Schulze machte aber deutlich, dass Deutschland seine Nahrungsmittelhilfen für dieses Jahr bereits auf rund vier Milliarden Euro aufgestockt habe. Bei der Konferenz wollte sich Berlin auch mit Blick auf den G7-Gipfel dafür einsetzen, dass andere Geber in den nächsten Wochen weitere Zusagen machen.

Die Konferenz wollte aber auch "über den Tag hinaus denken", wie es Baerbock formulierte. Schulze sagte, Länder etwa in Afrika müssten wieder selbst ihre Lebensmittel produzieren und Importabhängigkeiten abbauen. Özdemir mahnte, Ernährung müsse gesichert werden, ohne andere Krisen wie Klima noch zu verstärken. Er verwies auf Temperaturen um 50 Grad in Indien, wo der Weizen am Halm verdorre, obwohl das Land für die aus der Ukraine ausgefallenen Getreideexporte einspringen sollte.

Vor dem russischen Angriffskrieg hatte die Ukraine rund fünf Millionen Tonnen Getreide pro Monat weltweit exportiert. Dies brach dann auf 350.000 Tonnen ein und lag laut Bundesregierung im Mai wieder bei rund 1,7 Millionen. Özdemir sah aber kurzfristig nur ein begrenztes Steigerungspotenzial. Und Baerbock sagte: "Wir stehen vor einem Marathon", "damit wir diesen Tsunami irgendwie in den Griff bekommen können".

AFP

Mehr zum Thema

Das könnte sie auch interessieren

Newsticker

VG-Wort Pixel