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Bundesfinanzhof hält Solidaritätszuschlag weiter für rechtmäßig

Euromünzen und -schein
Euromünzen und -schein
© AFP
Der Bund darf auch nach dem Ende des Solidarpakts zum Aufbau Ost weiter von Steuerzahlern den Solidaritätszuschlag kassieren: Mit einem am Montag verkündeten Urteil wies der Bundesfinanzhof in München die Klage eines bayerischen Ehepaars ab, das keine Grundlage mehr für den sogenannten Soli sieht und ihn zudem als verkappte Reichensteuer einstuft. Während SPD, Grüne und Linke den Fortbestand des Solis begrüßten, forderten aus der Ampelkoalition die FDP sowie aus der Opposition Union, Linke und AfD die Abschaffung.

Der Bund nahm allein im Klagejahr 2021 elf Milliarden Euro aus dem Soli ein, in diesem Jahr fließen nach einer Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft 13 Milliarden Euro. Ursprünglich war der Zuschlag 1995 eingeführt worden, um den Osten nach der Wiedervereinigung aufzubauen. Der Solidarpakt lief 2019 aber aus, für Unternehmer und Gutverdiener blieb der Soli dennoch erhalten.

Das derzeitige Modell für den Soli wurde unter dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingeführt, als dieser noch Bundesfinanzminister war. Der heutige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die vollständige Abschaffung des Solis und unterstützte deshalb in dem Verfahren auch nicht das Finanzamt gegen das Klägerehepaar.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, die unterschiedlichen Positionen in der Bundesregierung seien bekannt - "und nun würde ich davon ausgehen, dass der Kanzler froh ist, dass das jetzt geklärt ist".

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, unabhängig von der rechtlichen Bewertung halte Bundesfinanzminister Lindner eine vollständige Abschaffung für wünschenswert. Sie wollte sich nicht dazu äußern, ob Lindner nun das Bundesverfassungsgericht anrufen könnte. Dies könne sie nicht kommentieren, das wäre spekulativ, sagte die Sprecherin.

Das Klägerehepaar hatte gegen die Zahlung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 geklagt. Im Jahr 2020 hatten die Eheleute 2078 Euro zahlen müssen, 2021 noch 57 Euro. Ihre wesentliche Argumentation war, dass der Zweck des Solis entfiel. Außerdem sahen sie einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nur noch die höchsten Einkommen zahlen.

Hätte der Bundesfinanzhof den Zuschlag für verfassungswidrig gehalten, hätte sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe damit befassen müssen. Eine Vorlage des Falls beim Bundesverfassungsgericht sei aber nicht geboten, entschied der Bundesfinanzhof.

Im Gegensatz zu den Klägern befanden es die Finanzrichter für unerheblich, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost genutzt werden oder nicht. Dies liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Der Bundesfinanzhof wies auch den Vorwurf zurück, dass der Soli eine unzulässige Reichensteuer sei. Mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip sei es gerechtfertigt, Steuern an der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler auszurichten.

Wie der Rechtsanwalt der Kläger, Roman Seer, am Rande des Verfahrens sagte, will er nun mit dem Ehepaar beraten, ob dennoch Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Dies sei noch offen, sagte Seer. Für die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde hat das Ehepaar vier Wochen Zeit.

Der Bund der Steuerzahler hatte die Klage unterstützt. Dessen Präsident Reiner Holnagel sagte der "Bild"-Zeitung: "Politisch werden wir weiterhin für die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle - also auch für Betriebe und Sparer - eintreten."

SPD und Grüne begrüßten die Entscheidung. Dabei hoben sie insbesondere hervor, dass bei einem Erfolg des Klägerpaars Besserverdiener entlastet worden wären, was ein falsches Signal gewesen wäre.

Vertreter von Union und AfD forderten, den Soli nun mit einem politischen Beschluss vollständig abzuschaffen. Linken-Chef Martin Schirdewan nannte den Soli hingegen die "gerechteste Steuer, die wir in Deutschland derzeit haben", weil "insbesondere hohe Einkommen davon belastet werden".

Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, erklärte, eine Abschaffung des Solis sei überfällig. Selbst die Befürworter begründeten die Weiterführung nicht mehr mit den Kosten der Wiedervereinigung, sondern mit dem Wunsch, Einkommensumverteilung zu betreiben. "Das ist legitim, aber nicht die Funktion des Solidaritätszuschlags."

AFP

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