Der polizeibekannte Verdächtige war erst in der Vorwoche aus der Haft entlassen worden. Er soll dann am Mittwoch in einem Regionalzug auf der Fahrt von Kiel nach Hamburg auf Passagiere eingestochen haben. Eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger starben, sie waren laut Behörden miteinander bekannt und kamen aus der Region. Zwei Menschen wurden lebensgefährlich und drei weitere schwer verletzt.
Der Verdächtige wurde im Zug von Zeugen überwältigt und nach dessen Halt im Bahnhof von Brokstedt festgenommen. In vier Waggons fanden die Ermittler Blutspuren.
Innenminister Faeser versprach bei einem Besuch in Brokstedt Aufklärung. Es gebe Fragen, warum der Täter "trotz so vieler Vorstrafen nicht länger in einer Justizvollzugsanstalt war" und warum er "so früh wieder aus der U-Haft entlassen wurde".
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, der Respekt vor den Opfern gebiete es, schnellstmöglich aufzuklären, ob die Tat verhindert hätte werden können.
Der Verdächtige hatte zuletzt keinen festen Wohnsitz. Er war 2014 nach Deutschland eingereist und lebte bis Ende 2020 in Nordrhein-Westfalen, bevor er zwischen Juli und November 2021 in der schleswig-holsteinischen Hauptstadt Kiel gemeldet war. Er hielt sich auch in Hamburg auf. In Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurde er mehrfach straffällig, in Schleswig-Holstein gab es zu ihm aber keine Kriminalakte.
Die Hintergründe der Tat sind nach Angaben der Ermittlungsbehörden bisher vollkommen unklar. Für einen terroristischen Hintergrund gebe es "nicht die geringsten Hinweise", betonte der Leiter der Staatsanwaltschaft Itzehoe, Carsten Ohlrogge, bei einer Pressekonferenz mit Landesinnenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) in Kiel. Diese warnte vor "Vermutungen und Spekulationen", es gebe in den Fall viele offene Fragen.
Laut Ermittlungsbehörden war der Mann am vergangenen Donnerstag in Hamburg aus einer etwa einjährigen Untersuchungshaft entlassen worden, Hintergrund war demnach eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung.
Am Mittwochvormittag suchte er demnach einen Informationsschalter der Kieler Stadtverwaltung auf, dessen Ausländerbehörde seit seiner Kieler Zeit für ihn zuständig war. "Es gab keinen auffälligen Eindruck", sagte der Kieler Stadtrat Christian Zierau bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Sütterlin-Waack. Der Mann sei ohne Termin erschienen. Den letzten behördlichen Kontakt zu ihm seitens der Stadt Kiel habe es davor im Januar 2022 gegeben. Von der Haft und der kürzlichen Entlassung dort sei der Stadt Kiel nichts bekannt gewesen.
Der Mann hielt sich demnach legal in Deutschland auf. Die Kieler Behörden hätten wegen des Strafregisters allerdings beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) standardmäßig ein Widerrufs- und Rücknahmeverfahren beantragt. Dieses sei auch eingeleitet worden.
Der schleswig-holsteinische Landtag gedachte am Donnerstagvormittag mit einer Schweigeminute der Opfer der Attacke. Landtagsvizepräsidentin Eka von Kalben (Grüne) sprach laut Parlamentsverwaltung in einer Ansprache von einer "unsäglichen und feigen Tat". Den Hinterbliebenen der Toten und den Verletzten gelte "unser ganzes Mitgefühl". In Schleswig-Holstein war für Donnerstag darüber hinaus offiziell Trauerbeflaggung angeordnet.