Mit dem Abzug der letzten Klimaaktivisten aus Lützerath war die Räumung des Braunkohleorts am Montag beendet worden. In den Tagen zuvor hatte es immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Klimaaktivisten und der Polizei gegeben, insbesondere bei einer größeren Demonstration nahe Lützerath am Samstag.
Reul zufolge wurden 102 Polizisten verletzt. "Seit Beginn der Räumung, also nicht nur in der Vorwoche, haben wir rund 200 Anzeigen gegen Besetzer und Demonstranten geschrieben", sagte er zudem. Das Spektrum der Straftaten umfasse unter anderem Körperverletzung, Widerstand, Landfriedensbruch und Diebstahl.
Der Landesinnenminister warnte zudem vor "unbelegten" Gewaltvorwürfen gegen die Polizei. "Ich bin nicht bereit, diese pauschalen, unbelegten Schilderungen zu akzeptieren, die von Kopfschlägen gegen Demonstranten handeln - diese Vorwürfe muss man belegen", sagte er.
Der Aktivistin Neubauer warf Reul vor, sie habe am Samstag die Polizeiabsperrung durchbrochen und sei gegen die Absprachen zwischen Demonstrationsleitung und Polizei "mit nach vorn marschiert". "Die Versammlung war woanders, was macht sie da vorn?", fragte Reul und fügte hinzu: "Sie war bei den Radikalen."
Reul sagte, Neubauer und die schwedische Aktivistin Greta Thunberg hätten "offenbar" ein Problem mit der Abgrenzung von Radikalen. Beide träten "diesem Eindruck nicht entgegen", sondern "mit denen gemeinsam auf". Er sorge sich um die Zukunft der Gesellschaft, "wenn es nicht mehr gelingt, Kompromisse zu akzeptieren".
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, forderte eine parlamentarische Nachbearbeitung des Polizeieinsatzes. "Es gibt Videos mit harten Bildern im Internet", sagte die Politikerin dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Dienstag. Die Bilder zeigten einen "teilweise harten Polizeieinsatz". Videos allein seien aber "nicht ausreichend, um ein umfassendes Bild zu bekommen und um die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen zu beurteilen". Daher sei eine "strukturierte Aufarbeitung" nötig.
Das von den Bewohnern verlassene Lützerath gehört nahezu komplett dem Energiekonzern RWE. Der Abriss für eine Erweiterung des Tagesbaus Garzweiler ist Teil einer Vereinbarung zwischen dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und RWE zum Ausstieg aus der Braunkohleförderung in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2030.
Der Konflikt um Lützerath sorgt auch für Spannungen innerhalb der Grünen, deren Führung in Bund und Land hinter dem Kompromiss steht. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Instituts Forsa für das Magazin "Stern" zufolge erwarten 65 Prozent der Bürger, dass die Partei bei kommenden Wahlen Schaden nehmen wird.
Unter den Anhängern der Grünen prognostizieren demnach sogar 69 Prozent einen Lützerath-Malus bei den nächsten Urnengängen, ebenso viele sind es unter den Anhängern der Union. Bei der SPD erwarten 55 Prozent einen Schaden für die Grünen, bei der FDP 46 Prozent. 31 Prozent denken nicht, dass die Proteste der Partei schaden.
Reul kritisierte in der "Bild"-Zeitung auch die Berichterstattung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) über die Räumung von Lützerath. "Der WDR gefährdet sein Ansehen, wenn er eine radikale Gruppe 50 Minuten live überträgt", sagte er.
Reul bezog sich laut "Bild" auf eine Pressekonferenz von Aktivisten, die der WDR am Sonntag 50 Minuten lang live und unkommentiert übertragen habe. "Diese Pressekonferenz grenzte an Propaganda radikaler Aktivisten - und der WDR hat das fröhlich übertragen", kritisierte Reul.