Geld gegen Höchstleistung – So lautet das einfache Prinzip hinter der Förderung des Spitzensports in Deutschland. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, zeigt schon ein kleiner Blick in die Statistik.
Blut, Schweiß und Tantiemen
Der Weg zu einer Medaille bei den Olympischen Spielen setzt nicht nur Talent voraus und ist mit viel Arbeit verbunden, sondern auch ganz einfach teuer. Trainer wollen bezahlt, Sportanlagen finanziert, Lehrgänge organisiert werden. Dafür pumpt allein das Innenministerium jährlich mehr als 130 Millionen Euro in den Sport, ohne jede Kürzung in den fünf Krisenjahren seit 2008. Mit gut 47 Millionen Euro ging 2011 ein gutes Drittel an die Verbände, weitere 31 Millionen Euro erhielten die Olympiastützpunkte und Bundesleistungszentren. Und mit rund 19 Millionen Euro wurde der Bau von Sportstätten unterstützt.
(Beim Klick auf die Grafik werden die Werte und Prozentangaben angezeigt. Achtung: Alle Datenwerte in diesem Blogpost enthalten den Punkt als Dezimaltrennzeichen.)
Unter "sonstige" fallen zum Beispiel Maßnahmen zur Dopingbekämpfung und die Förderung des Behindertensports. Die Unterscheidung zwischen Grund- und Projektförderung bei den Verbänden ist wichtig. Die Grundförderung orientiert sich an den Erfolgen bei den beiden vorangegangenen Olympischen Spielen, also an den Startern, den Wettbewerben und den Medaillen. Die Projektförderung hingegen wird in einer Zielvereinbarung festgelegt und ist deutlich variabler. Diese Vorgaben werden alle vier Jahre ausgehandelt, zwischen den Verbänden und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Sie sind geheim. Letztlich werden auch sie an Olympische Medaillen geknüpft. Bei den Leichtathleten etwa sind das insgesamt acht für London, zwei davon aus Gold.
Sportverbände im Vergleich
Im Förder-Vergleich der Verbände belegen die Leichtathleten den ersten Rang. Berücksichtigt sind darin alle Verbände olympischer Sportarten, Grundlage sind die vier Jahre von 2008 bis 2011. In diesem Zeitraum bekam der Deutsche Leichtathletik-Verband insgesamt 19,5 Millionen Euro an Fördergeldern des Bundesinnenministeriums und liegt damit weit vor den Schwimmern (13,5) und Ruderern (12,3). Dann folgen schon die Bobfahrer – besonders medaillenträchtig in der Vergangenheit, aber sicher kein Volkssport wie Turnen, Leichtathletik oder Schwimmen.
An dieser Stelle hätte es spannend werden können: Was wurde konkret gefördert, bemessen an welchen Zielvorgaben? Wieso zum Beispiel bekommt der Badminton-Verband jeden zweiten Fördereuro als Projektförderung, die Gewichtheber dagegen nur jeden zehnten? Leider endet aber genau hier die Transparenz. Denn das Warum wird vom DOSB streng gehütet, vor allem die Zielvorgaben sollen unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen.
Eine Rechnung voller Unbekannter
Derzeit gibt es daher nur zwei bekannte und nachvollziehbare Größen in der Förderpolitik: Olympiateilehmer und Medaillen. Stellt man sie den Fördersummen gegenüber, wirkt das System sogar noch dubioser. Die Daten zeigen: Wie viele Medaillen die Verbände bei den Olympischen Sommerspielen 2008 gewonnen haben, kann ihre Förderung in den darauf folgenden vier Jahren nur minimal und sicher nicht gleichmäßig beeinflusst haben. Pro gewonnener Medaille flossen an die Leichtathleten 19,5 Millionen Euro, an die Ruderer und den Hockey-Bund jeweils rund 6 Millionen. Die Kanuten, mit acht Medaillen erfolgreichster Verband in Peking, wurden pro Medaille mit nur etwa einer Million Euro bedacht.
(Dieser Vergleich soll nur verdeutlichen, wie absurd es ist, die Förderung an Medaillen auszurichten. Es geht nicht darum, dieses System hier einzufordern.)
Wie die Fördersummen von 2008 bis 2011 zustande kamen, bleibt also diffus. Aber was sie bewirken, dafür ist die Zahl der deutschen Athleten in London ein gutes Indiz. Sportliche Höchstleistungen wie das Erreichen der Olympischen Norm sind immerhin deutlich besser planbar als eine Medaille, bei der im passenden Moment alles stimmen muss – bis zur Windrichtung. Doch auch hier unterscheiden sich die Verbände erheblich, wenn man rein rechnerisch einmal die komplette Fördersumme auf nur diejenigen Athleten umlegt, die es zu den Olympischen Spielen geschafft haben. Dann entfallen auf die vier deutschen Ringer, die in London starten, jeweils im Schnitt 1,1 Millionen Euro aus den vergangenen vier Jahren – auf jeden Leichtathleten oder Ruderer dagegen nur gut 230.000 Euro.
Geheimniskrämerei auch bei Stützpunkt-Förderung
Ähnlich intransparent wie bei den Verbänden werden die Fördergelder übrigens auch an die Olympiastützpunkte verteilt. Auch hier bestimmt der DOSB die Spielreglen, indem er dem Bundesinnenministerium vorschlägt, welcher Stützpunkt wie stark gefördert werden soll. Nach welchen Kriterien dies geschieht, gehört ebenfalls zum Herrschaftswissen des DOSB. Öffentlich sind einzig die Fördersummen, die Jahr für Jahr in die Olympiastützpunkte fließen. Auf der folgenden Karte sind sie für 2011 dargestellt. Keiner der 19 Stützpunkte bekam im vergangenen Jahr so viel wie Berlin (4,4 Mio. Euro, rot markiert), sieben Stützpunkte liegen unter einer Million Euro Förderung, darunter Freiburg, Essen und Tauberbischofsheim (blau).
Klicken Sie auf die Markierungen, um mehr über die Stützpunkte und die konkreten Beträge zu erfahren.
Dass im Fechtzentrum in Tauberbischofsheim weniger Geld benötigt wird als im Stützpunkt Berlin mit seinen 700 Kaderathleten und 100 Trainern, leuchtet ein. Zumal die Stützpunkte in unterschiedlichem Umfang von den Kommunen mitfinanziert werden. Dennoch ist die genaue Aufteilung der Förderung alles andere als nachvollziehbar – ebenso wenig wie die Geheimniskrämerei von DOSB und Innenministerium. Schließlich geht es hier um Steuergelder.
von Christina Elmer und Niklas Schenck
Diese Analyse basiert auf Recherchen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Sie wurden durch ein Stipendium der Otto-Brenner-Stiftung gefördert und von der Journalisten-Vereinigung Netzwerk Recherche betreut.
zur Datengrundlage:
Diagramme zur Förderung 2008-2011
Karte der Olympiastützpunkte
Wie wichtig ist Ihnen der Medaillenspiegel?
Die Politik erwartet von den deutschen Athleten, durch ihre Leistungen ein positives Bild im Ausland zu vermitteln. Mit der Medaillenzahl wird die millionenschwere Förderung des Spitzensports begründet. Lässt sich mit diesem Ziel auch der Anspruch vereinbaren, dass der olympische Sport sauber, fair und vorbildlich sein soll? Das Institut für Sportwissenschaften der Goethe-Universität in Frankfurt/Main und das Europäische Institut für Sozioökonomie e.V. in Saarbrücken führen dazu eine wissenschaftliche Untersuchung durch. Zentraler Bestandteil ist eine Online-Befragung.