Wer hat Sebastian Edathy vor möglichen Ermittlungen gewarnt? Dieser Frage geht seit Monaten ein Untersuchungsausschuss des Bundestags nach, der die Hintergründe der Polit-Affäre beleuchten soll. Der ehemalige SPD-Abgeordnete Edathy hatte frühzeitig davon erfahren, dass dem Bundeskriminalamt (BKA) ein brisantes Dokument vorlag: eine Liste deutscher Kunden, die bei einer kanadischen Firma Bilder oder Filme nackter Minderjähriger bestellt hatten. Auf dieser Liste stand auch Sebastian Edathy.
Gegenüber dem stern gibt Edathy nun seinen Informanten preis. Es sei, behauptet Edathy, der rheinland-pfälzische SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann, 51. Hartmann sorgte im vergangenen Juli bereits für Schlagzeilen, weil er zugeben musste, die illegale Droge Crystal Meth gekauft und konsumiert zu haben.
Kontakt zwischen Ziercke und Hartmann
Sebastian Edathy behauptete gegenüber dem stern, Hartmann habe ihm am Rande des SPD-Parteitags in Leipzig im November 2013 in einem persönlichen Gespräch über die Erkenntnisse des BKA informiert. Hartmann, so Edathy weiter, habe ihm auch gesagt, dass gegenwärtig in Deutschland geprüft werde, ob das von dort vertriebene Material hierzulande strafbar sei.
Der SPD-Innenpolitiker Hartmann habe seine Informationen, so Edathy gegenüber dem stern, vom damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke erhalten. Das habe ihm Hartmann bei einem Gespräch im Dezember 2013 mitgeteilt. Seine Aussagen im stern untermauerte Edathy mit einer Eidesstattlichen Versicherung.
Michael Hartmann sagte gegenüber dem stern: "Aus Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses, von dem ich wahrscheinlich als Zeuge geladen werde, möchte ich mich dazu nicht äußern." Der frühere BKA-Präsident Ziercke, der vor kurzem pensioniert wurde, ließ dem stern über einen BKA-Sprecher mitteilen: Es treffe nicht zu, dass er Michael Hartmann über den Fall Edathy informiert und auf dem Laufenden gehalten habe.
Am Donnerstag wird Edathy im Untersuchungsausschuss als Zeuge auftreten. Die SPD-Frau Eva Högl wird ihn als Ausschussvorsitzende eingangs darauf aufmerksam machen, dass er zur Wahrheit verpflichtet ist. Eine Falschaussage hätte strafrechtliche Konsequenzen. Edathy kennt das Prozedere. Er war schließlich Vorsitzender des NSU-Ausschusses und musste selbst eine ganze Reihe von Zeugen vor deren Aussage eine Rechtsbelehrung unterziehen. Für seinen eigenen Auftritt im Ausschuss hat er gegenüber dem stern angekündigt: "Selbstverständlich werde ich im Ausschuss nicht schweigen!"
Im Vorfeld gab es bereits Streit, ob Edathy im Ausschuss überhaupt aussagen muss. Ausgerechnet die SPD reklamierte für Edathy ein Schweigerecht, weil er sich womöglich vor dem im Februar anstehenden Strafprozess selbst belasten könnte. Das Landgericht Verden hat gegen Edathy Anklage "wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften" erhoben. "Wir gehen davon aus, dass Herr Edathy ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht besitzt", sagte die Ausschussvorsitzende Eva Högl (44, SPD) bei einem Pressegespräch ihrer Fraktion. Natürlich habe man ein "Interesse an Aufklärung", aber als Vorsitzende werde sie auch "sehr genau" darauf achten, dass dieses Recht Edathys gewahrt werde. Högl sagte weiter, es gelte zu klären, ob es "überhaupt" eine Fragestellung gebe, die ihn zu einer Antwort zwingen würde.
Die Äußerungen der Ausschutzvorsitzenden und SPD-Frau Högl erzürnten Opposition wie auch den Koalitionspartner. Die Äußerungen Högls wurden als Versuch gewertet, Edathy über ein vorgeschobenes Aussageverweigerungsrecht daran zu hindern, womöglich SPD-Mitglieder zu belasten.
CDU kritisiert SPD-Ausschussvorsitzende
Unions-Obmann Armin Schuster (53, CDU) sagte im "Express": "Es ist nicht ratsam, sich im Vorfeld öffentlich für Sebastian Edathy den Kopf darüber zu zerbrechen, was er alles sagen oder nicht sagen muss. Eine der zentralen Fragen unserem Untersuchungsauftrag ist: Wurde er vor den Ermittlungen gewarnt und, wenn ja, von wem? Ich kann nicht erkennen, dass Herr Edathy sich mit der Beantwortung dieser Frage selbst belasten würde."