EL Chapo - der Kurze - war der mächtigste und gefürchtetste Drogenboss seiner Zeit. Lange Zeit galt er als unangreifbar, solange bis sich der vorsichtige Mann eine Blöße gab. Joaquín Archivaldo Guzmán Loera genannt El Chapo leistete sich zwei Schwächen, die ihm die Freiheit kosteten. Eine war die Ruhmsucht – um zu prahlen und um sich vor der Welt im rechten Licht darzustellen, ließ er sich auf ein Gespräch mit dem Hollywoodstar Sean Penn ein. Dieses Treffen führte zu seiner Verhaftung.
Der Kontakt zu Penn wurde von Kate del Castillo hergestellt. Sie und die Liebe zu ihr waren die zweite unverzeihliche Schwäche des mächtigen Drogenbosses. Kate del Castillo war eine halbwegs erfolgreiche Schauspielerin, die die Hauptrolle in einer Telenovela ergatterte. Dort spielte sie die "Königen des Südens" – die "Reina del Sur" - eine Drogenbaronin.
Der Gangster und die TV-Oper
Die Telenovela basierte locker auf dem gleichnamigen, düsteren Roman von Arturo Pérez-Reverte, der den Aufstieg eines Narco-Mädchens aus Sinaloa zu einer beherrschenden Drogenbaronin darstellte. Der Roman wiederum war locker von Griselda Blanco beeinflusst, der grausamen und gewalttätigen Königin des Kokains. Diese Telenovela war zwar alles andere als realistisch inszeniert, aber ausgerechnet Guzmán meinte, in der Hauptdarstellerin eine Wesensverwandte entdeckt zu haben. Er hielt die hübsche Kate del Castillo für eine Meisterin des Verbrechens – so wie es ihre Rolle nahelegte.
Am letzten Tag der Präsidentschaft von Barack Obama wurde Guzmán in die USA gebracht. Nun beginnt der Prozess gegen Guzmán in New York. Die Anklage umfasst 300.000 Seiten. Die Namen der Geschworenen werden geheim gehalten. Ein nie da gewesenes Schutzprogramm versucht, die Zeugen am Leben zu halten.

Aufstieg des Kartells, Zerfall eines Landes
Es geht zwar um die Schuld eines Mannes, aber der Prozess wird die Geschichte ganzer Länder erzählen. Guzmáns Aufstieg ist eng damit verbunden, wie das "Goldene Dreieck" Mexikos zwischen Sinaloa, Chihuahua und Durango zum Zentrum des weltweiten Drogenhandels wurde.
Guzmán wurde in Badiraguato geboren. Geprägt von der Armut seiner Familie und der Gewalttätigkeit seines Vaters, der auch im Drogenschmuggel tätig war. "Es waren schwierige Zeiten. Wir sehnten uns nach etwas Besserem", sagte Consuelo Loera, Guzmáns 88-jährige Mutter, dem "Time"-Magazin. Schon damals wurde er El Chapo wegen seiner stämmigen Statur genannt. Und schon als Kind musste er hart arbeiten, um Essen auf den Tisch zu bringen "Er hat immer für ein besseres Leben gekämpft", sagte seine Mutter, "schon als kleiner Junge." In einem Video erzählte Guzmán, er habe mit 15 Jahren begonnen im Drogengeschäft zu arbeiten. "Es gab keine Jobs. Der Weg, um Lebensmittel kaufen zu können, ist Mohn und Marihuana anzubauen. Also begann ich, anzubauen, zu ernten und zu verkaufen ... Der Drogenhandel ist Teil einer Kultur, die von unseren Vorfahren stammt."
In diesem Dreieck wurde das Kokain aus Kolumbien umgeschlagen und nach Norden in die USA geschafft. Guzmán blieb lange im Hintergrund, aber als sein Boss, Miguel Ángel Félix Gallardo, verhaftet wurde, stieg er an die Spitze der mexikanischen Drogenwelt auf. El Chapo schaffte es, Menge und Geschwindigkeit der Transportwege enorm zu steigern. Dafür wurde er "El Rapido" genannt. Sein Erfolg damals zeigt, wie sich der "War on Drugs" tatsächlich entwickelte. Sein Sinaloa-Kartell soll damals den Heroin- und Kokainhandel praktisch monopolisiert haben. 90 Prozent des Verbrauchs in Europa und den USA wurden von diesem Kartell kontrolliert. Allerdings war diese Gruppe nicht zentral organisiert. Es soll sich eher um eine Art des Zusammenschlusses nach Art von Franchise-Unternehmen gehandelt haben. Diese lockere Struktur ließ die Initiative bei den lokalen Organisationen, so entwickelte das Kartell eine unglaubliche Dynamik.
Der Meister des Tunnelbaus
Andere Drogen-Bosse vor Guzmán setzten auf menschliche Kuriere, auf schnelle Boote und in Containern versteckte Ladungen. Für die Mengen, die El Chapo umsetzte, reichten diese Methoden nicht mehr aus. Er perfektionierte den Tunnelbau unter der amerikanisch-mexikanischen Grenze. So konnten die Drogen Tag und Nacht auf kleinen Loren in den klimatisierten Tunneln verschoben werden. Auch eine spektakuläre Flucht gelang El Chapo durch die Kunst des Tunnelbaus.
Möglich wurde das alles nur, weil das Kartell alle Ebenen der Verwaltung bezahlte. Der Drogenhandel dieser Dimension führte auch zu einer nie da gewesen Korruption. Zumindest in Mexiko gab es keine staatliche Stelle mehr, die nicht vom Geld der Drogenhändler durchsetzt war. In dieser Zeit verwandelten sich Teile Mexikos zu einem Staat besondere Art, zu einem Narco-County. Der einzige Garant irgendeiner Form von Ordnung war das Kartell, es hielt die "Pax Mafiosa" aufrecht.
Unzufriedenheit seiner Umgebung
Wer wird veurteilt?
Inzwischen ist Guzmán der Star einer eigenen TV-Serie. Seit April 2017 ist "El Chapo" auf Sendung. In nur einem Jahr wurden zwei Staffeln mit 21 Folgen gesendet, die dritte Staffel wurde 2018 ausgestrahlt. Doch zufrieden ist der echte El Chapo nicht: Angeblich will er Netflix verklagen, da die Serie ihn über die Gebühr schlecht darstelle.
Quellen
Guardian: A tale of blood, betrayal and family bonds. How El Chapo came to trial
Time: Inside the Trial of Joaquin 'El Chapo’ Guzman, the World’s Most Infamous Drug Baron