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Goldgräberstimmung in Polen Mysteriöser Nazi-Goldzug - ab Juli wird gegraben

Letzten Sommer sorgte die Nachricht über den angeblichen Fund eines sagenumwobenen Goldzugs der Nazis weltweit für Aufsehen. Seitdem herrscht im polnischen Waldenburg Goldgräberstimmung. Beweise sind Mangelware - doch Träume sterben zuletzt.

Fast ein Jahr ist vergangen, seit die Hobby-Schatzsucher Piotr Koper und Andreas Richter einen Fund von historischer Tragweite bekanntgaben: An einer Bahnstrecke zwischen Breslau und Waldenburg in Polen, am Gleiskilometer 65, soll er in einem alten Stollen stehen - ein in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verschollener Panzerzug der Nazis. Mutmaßlich vollbeladen mit Raubkunst von unermesslichem Wert, oder einfach "nur" Goldbarren - von bis zu 300 Tonnen war in den Medien die Rede. Könnte der Zug vielleicht sogar das verschollene Bernsteinzimmer beinhalten? Der Fantasie sind nach wie vor keine Grenzen gesetzt.

Schon seit Jahrzehnten kursieren in der Gegend Legenden darüber, was die Nazis in den letzten Kriegstagen in ihrem geheimen Bunker-Komplex "Riese" vor den vorrückenden Alliierten in Sicherheit brachten. Nach dem angeblichen Sensationsfund konnte sich das nahegelegene Waldenburg vor Goldzug-Enthusiasten kaum noch retten. Schatzsucher, Historiker und Journalisten reisten zu Hunderten in die Region, angelockt von einer Geschichte, die aus einem Indiana-Jones-Film stammen könnte. Die Legende vom "Nazi-Goldzug" in Polen war geboren, oder besser gesagt, wiederbelebt.

"Fangt endlich an zu graben!" 

Nun, knapp ein Jahr später, bleibt der Panzerzug der Nazis immer noch ein Mythos. Die Schatzsucher Piotr Koper und Andreas Richter halten weiter an ihrem angeblichen Fund fest - obwohl Experten aus aller Welt schon kurz nach der Präsentation der Georadar-Aufnahmen, die als Beweis dienen sollten, Skepsis äußerten. Doch obwohl die wenigsten von der Geschichte überzeugt scheinen, hält sich der Mythos um den Nazi-Schatz im Berg wacker und die Suche geht weiter: Im Juli soll es nun mit den Grabungen losgehen - diesmal wirklich.

Eigentlich hatten die Hobby-Schatzsucher Koper und Richter schon vor Monaten Probebohrungen durchführen wollen, doch die Bürokratie machte ihnen angeblich einen Strich durch die Rechnung. Offenbar liegen nun aber alle nötigen Genehmigungen von örtlichen Behörden und der polnischen Staatsbahn vor - nur das OK der Denkmalschutzbehörde fehle noch, aber schon im Juni könnte auch dieses vorliegen. Offenbar scheint auch die örtliche Bevölkerung langsam nervös zu werden. Laut "Bild-Zeitung" soll es schon mehrfach zu Protestaktionen gekommen sein, bei denen Anwohner angeblich forderten: "Fangt endlich an zu graben!" Schatzsucher Koper sagte dem Blatt damals: "Wir sind froh über so viel Unterstützung."

Schatzsucher sehen Zug, Wissenschaftler bloß einen Tunnel

Dass sich die Legende vom Goldzug so hartnäckig hält, liegt auch daran, dass verwirrende Aussagen von offizieller Stelle den Mythos noch befeuerten: In einer Pressekonferenz sagte der damalige Stellvertreter der Kulturministerin, Piotr Zuchowski, er sei "zu 99 Prozent" sicher, dass der Zug existiere. Doch bevor die Suche beginnen konnte, musste der schwer zugängliche Standort, an dem der Zug vermutet wurde, erstmal von dichtem Bewuchs gerodet werden. Auch wurde die Gegend vom polnischen Militär auf mögliches Sprengmaterial und Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht.

Im Dezember letzten Jahres dann schien erneut Bewegung in die Geschichte zu kommen: Zwei Teams aus Hobby-Schatzsuchern und Wissenschaftlern machten sich mit Georadar-Geräten auf die Suche nach dem Zug - doch das Ergebnis sorgte schnell für Ernüchterung: Während die Hobby-Schatzsucher bei einer anschließenden Pressekonferenz von einem Zug in 90 Metern Tiefe sprachen, sahen die Wissenschaftler keinen Beweis für einen Zug erbracht, höchstens existiere dort ein Tunnel - wenn überhaupt.

Goldzug-Mythos beschert "50-prozentigen Anstieg der Besucherzahlen" 

Krzysztof Urbanski ist Vorsitzender der Schlossgesellschaft Fürstenstein, einer der wichtigsten Attraktionen der Region. Dem stern berichtete er schon letztes Jahr über die Ereignisse in Waldenburg. Aus touristischer Sicht hat sich der Mythos-Goldzug durchaus zu einem Geldsegen für Schloss Fürstenstein und die gesamte Region entwickelt: "Dieses Jahr verzeichnen wir bereits jetzt einen 50-prozentigen Anstieg der Besucherzahlen gegenüber dem Vorjahr - und das, obwohl es das beste Jahr unserer Geschichte war."

Bei der Stadt bestehe nur bedingt Interesse daran, dass nach dem Zug gegraben wird, so Urbanski. Stattdessen sei man zufrieden mit der aktuellen Situation. "Uns ist am wichtigsten, dass wir den Touristen eine gute Erfahrung bieten - und das sie auch Freunden und Familie von ihrem Besuch hier berichten." Durch den Mythos-Goldzug sei die gesamte Region weltweit viel bekannter geworden.

Man hat es nicht eilig in Waldenburg

Es scheint ein wenig, als ob kaum eine der beteiligten Instanzen wirklich Interesse daran hat, die Geschichte ein für alle Mal zu dementieren. Stattdessen gibt es immer wieder Hoffnungsschimmer in Häppchen serviert. Dann heißt es wieder warten, auf die nötigen Genehmigungen und auf eine gemeinsame Strategie, wie und wo am besten gesucht werden soll. Man hat es nicht eilig in Waldenburg.

Doch vielleicht wurde der Schatz ja bereits entdeckt, ohne, dass überhaupt etwas gefunden wurde. Denn vielleicht ist der Schatz der Region ja eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die hunderte Millionen Dollar wert sein könnte. Auf solch eine Summe beziffern Experten den Werbeeffekt für die Stadt. Schon mehrfach wurde spekuliert, dass es sich bei dem mutmaßlichen Sensationsfund nur um eine großangelegte PR-Aktion der Region handelt. Urbanski sagte gegenüber dem stern: "Meiner Meinung nach wäre es sogar noch besser für die Region, man entdeckte nichts, als den Zug zu finden." Bleibt nur, sich mal wieder in Geduld zu üben, bald wissen wir angeblich mehr - mal wieder.

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