Wer war zuerst auf der Osterinsel? Waren es Menschen aus Asien, die zuerst den Boden der abgelegenen Insel betraten, oder vielleicht doch Menschen aus Südamerika? Über diese Frage wird seit Jahrzehnten diskutiert. Wissenschaftler haben nun Beweise dafür gefunden, dass Seefahrer schon sehr früh viel weiter gereist sind, als man das bisher angenommen hatte. Demnach könnte es schon um 1200 erste Kontakte zwischen polynesischen und südamerikanischen Bevölkerungsgruppen gegeben haben. Aber welche Seefahrer waren es, die es schon so früh geschafft haben, Tausende Kilometer auf dem Ozean zu überwinden?
Die Theorien unterscheiden sich stark, die Debatten darüber sind kontrovers. Eine heute weitverbreitete Meinung ist, dass es die Polynesier waren, die sich zuerst auf der Osterinsel niederließen. Demnach könnten schon im 5. Jahrhundert von dort aus Menschen die Überfahrt gewagt und sich dort niedergelassen haben.
Eroberten polynesische Seefahrer die Ozeane?
Der Norweger Thor Heyerdahl hingegen verfolgte eine andere These. Er ging davon aus, dass die Besiedlung von Amerika aus stattgefunden haben könnte. Eine Theorie, die viele nicht einmal in Betracht zogen. Denn die technischen Voraussetzungen, so die gängige Meinung, hätte eine solche Überfahrt unmöglich gemacht.
Heyerdahl aber gab nicht nach und begab sich 1947 mit fünf weiteren Menschen auf die Kon-Tiki-Expedition. Mit einem Floß segelten die Männer ab Peru 101 Tage lang. Nach 6.900 Kilometern auf dem Ozean erreichten sie das Tuamoto-Archipel in Polynesien. Die Überfahrt, das hatte er damit bewiesen, war möglich. Seine These aber blieb umstritten.
Gen-Funde belegen frühe Kontakte
So oder so - Kontakte hat es wohl gegeben. Denn es wurden jetzt DNA-Beweise gefunden, die das bestätigen. Alexander Ionnidis von der Stanford University in den USA und Kollegen haben die Gen-Daten von mehr als 800 Ureinwohnern analysiert, die in den Küstengebieten Südamerikas und Französisch-Polynesien leben. Dabei haben sie nach DNA-Schnipseln gesucht, die vom selben Vorfahren vererbt worden sein könnten. Also Segmente, die "durch Abstammung identisch" seien - und sind fündig geworden.
Die Forscher geben an, auf mehreren polynesischen Inseln DNA-Segmente gefunden zu haben, die sich mit der amerikanischer Ureinwohner decken. Die Quelle der DNA verorten die Forscher bei indigenen Gruppen in Kolumbien. "Ein schlüssiger Beweis dafür, dass es ein einziges gemeinsames Kontaktereignis gab", wie Ionnidis gegenüber der "BBC" sagt. Statistische Analysen belegen demnach, dass das um 1200 nach Christus gewesen sein muss.
Gegen den Wind
Offen bleibt allerdings, von welcher Gruppe die Kontaktaufnahme ausging. Innidis glaubt, dass es zuerst polynesische Seefahrer gewesen sein könnten, die die lange Fahrt auf sich nahmen und dadurch Südamerika erreichten. Das sei die Zeit, in der die Polynesier viel auf Entdeckungsreisen gingen. "Sie segelten gegen den Wind, wenn sie versuchten, neue Inseln zu entdecken", sagt Innidis. So sei es den Seefahrern möglich gewesen, schneller nach Hause zurückzukehren.
Bestätigt ist das aber weiterhin nicht. Andere Forscher halten daran fest, dass es andersrum gewesen sein müsse. Eine Studie, die in der Zeitschrift "Nature" erschienen ist, stützt Heyerdahl. Simulationen, die Wind und Strömungen in Betracht zogen, hätten gezeigt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Driftfahrten von Kolumbien oder auch Ecuador aus Polynesien erreichten.