Tropische Hitze und stürmische Regengüsse, schockierende Klimabilanzen – und nun noch wütende indigene Aktivisten, die die Eingangshalle stürmen: Die UN-Klimakonferenz im Amazonasgebiet spiegelt schon nach zwei Tagen die Misere wider, in die die eskalierende Klimakrise die Welt und auch das Gastgeberland Brasilien stürzt. Am Dienstagabend (Ortszeit) traten Demonstranten die Tür zum hochgesicherten UN-Gelände ein, eine große Menschentraube drängte sich hinein und lieferte sich ein Gerangel mit Sicherheitskräften.
Laut Nachrichtenportal G1 wurden mindestens zwei Sicherheitsleute leicht verletzt, zudem wurde Inventar beschädigt. Berichte über Festnahmen gab es zunächst nicht. Die Bundespolizei leitete Ermittlungen ein.
Wut richtet sich gegen Multimillionäre und Zerstörung
Die vielfach mit buntem Federschmuck ausgestatteten Demonstranten schwenkten Fahnen und riefen unter anderem: "Besteuert die Multimillionäre!" und "Es ist ihre Schuld, dass es so heiß ist!"
Eine lokale Journalistin, die das Geschehen miterlebte, sagte einer dpa-Reporterin vor Ort, eine solche Eskalation habe sich lange angekündigt. In Brasilien würden immer wieder Umweltschützer getötet, die für den Erhalt angestammter Lebensräume im Regenwald kämpfen. "Es gibt diesen Schmerz schon seit langer Zeit". Mit dem Sturm auf die COP30 hätten die Indigenen ein Zeichen setzen wollen.
Nachdem die Demonstranten aus der Zeltstadt gedrängt waren, wurden die Eingänge verschlossen und streng bewacht. Normalerweise ist die bewachte Zeltstadt, vor deren Zufahrt sogar ein Panzer steht, auch über Nacht geöffnet, da sich die Verhandlungen teils in die Länge ziehen und Journalisten aus allen Zeitzonen aus dem Pressezentrum berichten.
Zuvor hatte es einen Marsch durch die Stadt zu den gesundheitlichen Gefahren des Klimawandels mit rund 3.000 Teilnehmenden gegeben. Deren Organisatoren grenzten sich ausdrücklich von den gewaltsamen Szenen nach Ende ihrer Demo ab.
Indigene auf dem Gipfel auch offiziell vertreten
Auf dem Klimagipfel im Amazonasgebiet sind auch Tausende Vertreter indigener Gemeinschaften offiziell vertreten. Sie setzen sich gegen die Zerstörung ihrer angestammten Heimat ein, etwa durch die Abholzung des Regenwalds und die Förderung von Öl und illegalen Goldabbau.
Unangenehme Fragen für den Gastgeber
Für den Gastgeber Brasilien und die Vereinten Nationen stellen sich nach dem Zwischenfall unangenehme Fragen, bevor am Wochenende Ministerinnen und Minister aus aller Welt zur finalen Phase der Verhandlungen anreisen: Wie konnten die Aktivisten eindringen? Weshalb hatten sie überhaupt das Gefühl, sich auf diesem Wege Gehör verschaffen zu müssen? Dies dürfte die Konferenz weiter beschäftigen.
Nach einer Vollsperrung mit erhöhter Sicherheitspräsenz in der Nacht begrüßten am Mittwochmorgen (Ortszeit) zunächst ungewöhnlich viele Freiwillige im Dienst der brasilianischen Regierung freundlich winkend die ankommenden Delegierten.
In Brasilien erstmals wieder Proteste möglich
Erstmals seit vier Jahren findet die UN-Klimakonferenz wieder in einem demokratischen Rechtsstaat statt, und nicht wie zuletzt in autoritär regierten Ländern wie Aserbaidschan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. Deren repressive Sicherheitsbehörden hatten Demonstrationen und Kundgebungen von Klimaaktivisten rigoros untersagt. Nur auf dem abgeschotteten COP-Gelände selbst, wo die Vereinten Nationen die Regeln vorgeben, waren kleinere Aktionen möglich.
Das ist nun in Brasilien anders: Proteste sind auch im Stadtgebiet möglich, der Gastgeber ruft die Zivilgesellschaft aktiv auf, sich zu beteiligen. Auch zur Halbzeit der Konferenz am Wochenende sind Proteste geplant, flankiert von weiteren "Klimastreiks" rund um den Globus.
Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future erklärte, zu den konkreten Ereignissen könne man sich nicht äußern. Grundsätzlich sei es aber wichtig, dass Gruppen aus der Zivilgesellschaft rund um die Klimakonferenz protestieren können. Indigene seien oft besonders stark von der Klimakrise betroffen und ihr Lebensraum werde von fossilen Projekten zerstört. "In vielen Teilen der Welt werden sie wegen ihres Widerstands unterdrückt oder gar ermordet." Obwohl die UN-Konferenz den Anspruch habe, dass alle Stimmen mit am Tisch sitzen, würden indigene Perspektiven zu wenig gehört.