Im Juni 2014 machte die damals 29-jährige Belgierin Laura Passoni einen Fehler, der sie noch lange Zeit verfolgen wird: Sie schloss sich der Terrormiliz IS an. Die Belgierin folgte ihrem Ehemann in das Reich des Terrors nach Syrien. Ihren vierjährigen Sohn aus erster Ehe nahm sie damals mit auf die gefährliche Reise. Doch der Neuanfang im gelobten Land entpuppte sich schnell als Albtraum. Nur neun Monate später flüchtete Passoni hochschwanger mit ihrer Familie zurück über die türkische Grenze und musste sich nach ihrer Rückkehr vor der belgischen Justiz verantworten. In ihrem Buch "Mit meinem Sohn im Herzen des Daesh" schildert sie, was sie in die Arme des IS trieb - und was sie in neun Monaten in Syrien erlebte.
Im Interview mit Journalisten in einem Brüsseler Hotel, macht Passoni einen gefassten Eindruck. Sie wirkt wie eine ganz normale Frau, nicht wie jemand, der noch vor zwei Jahren ihr Leben einer Terrororganisation verschrieben hatte. Heute steht sie zu diesem Fehler: "Ich übernehme Verantwortung für das was ich getan habe", sagt sie. "Ich habe keine Angst und lehne es ab was sie (der Islamische Staat) tun." Passoni sagte der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), ihr Buch solle vor allem als Warnung für junge Leute dienen, sich nicht der Terrormiliz anzuschließen.
Propagandamaterial führte zur Radikalisierung
Passoni hat italienische Wurzeln und wuchs in einem katholischen Haushalt im belgischen Charleroi auf. Schon früh hatte sie ersten Kontakt zum Islam, ihre beste Freundin damals war Muslima. Als 16-Jährige entschied sie sich, zum Islam zu konvertierten. Ihre erste Ehe zerbrach, die damals alleinerziehende Mutter war auf der Suche nach Sinn in ihrem Leben, wie sie dem belgischen Rundfunk RTBF mitteilte: "Ich konnte nicht mehr, ich dachte nur noch daran die Probleme, die ich hier hatte, hinter mir zu lassen. Dort (im Gebiet des IS) fühlt man sich stark, man hat Macht, hier fühlte ich mich wie ein Niemand."
In ihrem Buch, das bislang nur auf Französisch erschienen ist, schildert sie auch, wie sich aufgrund ihrer Unzufriedenheit immer tiefer in ihre Religion flüchtete - und sich im Netz radikalisierte. Wie so viele glaubt sie dem Versprechen einer islamistischen Utopie im Kalifat des IS, sie geht dem Propagandamaterial der Terrormiliz auf den Leim: "Diese vorgetäuschte Liebe war der Grund für meine Radikalisierung." Auch ihren zweiten Mann hatte sie über das Internet kennengelernt. Nur Wochen später heiratete das Paar heimlich und machte sich über die Türkei auf Richtung Kalifat.
"Sie wollen vor allem Jungs, sie brauchen Nachkommen"
Schon kurz nach ihrer Ankunft habe Passoni in Syrien andere Ausländerinnen kennengelernt, wie sie AP erzählt. Darunter seien auch eine 15-jährige Französin und eine junge Deutsche gewesen. Damals habe das Kalifat offensiv um Frauen geworben, "weil wir Babys bekommen". "Sie wollen vor allem Jungs, sie brauchen Nachkommen", so Passoni.
In Syrien angekommen, wurde sie von ihrem Mann getrennt und lebte eingepfercht in einem Haus mit weiteren Frauen und Kindern. Ohne Begleitung ihres Mannes durfte sie das Haus nicht verlassen. Schnell habe sie den Lebensstil des IS abgelehnt, öffentlich zu protestieren wagte sie jedoch nicht. "Das lag vor allem an meinem kleinen Jungen. Ich wollte nicht, dass er Terrorist wird wie sie", so Passoni. Videos in denen IS-Kritiker gefoltert und getötet wurden, hätten sie ebenfalls davon abgehalten. Auch der Gedanke an ihr ungeborenes Kind habe sie schließlich zur Flucht bewogen.
Islamischer Staat: "Für Daesh bin ich eine Verräterin"
Heute lebt sie in einer Welt, in der sie sich nirgendwo mehr richtig willkommen fühlt: "Für Daesh bin ich eine Verräterin, weil ich gegangen bin und sie denunziere." "Für Belgien bin ich eine Terroristin, weil ich dem IS beitrat".
Für Passioni und ihren ebenfalls belgischen Ehemann hatte die Reise zum IS schwerwiegende Konsequenzen: Am Tag nach dem Terroranschlag auf den Brüsseler Flughafen am 22. März, wurde sie in Belgien zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ihr Ehemann erhielt eine vierjährige Haftstrafe. Ihre Bewährungsauflagen verbieten es Passoni, in den nächsten fünf Jahren Kontakt zu ihm aufzunehmen. Auch das Sorgerecht für ihre mittlerweile sechs Jahre und 16 Monate alten Söhne wurde ihr abgesprochen, ihre Eltern kümmern sich momentan um die Kinder.
"Er wusste, was ihn bei seiner Rückkehr erwartet"
Ihrem Ehemann seien in Syrien ebenfalls Zweifel gekommen. Über das, was er tagsüber erlebte, schwieg er jedoch. Passoni hatte in dieser Zeit heimlich Kontakt zu ihren Eltern. In Ihrem Buch schreibt sie, "ihr Mann habe Risiken auf sich genommen, (...) er wusste, was ihn bei seiner Rückkehr nach Belgien erwartet".
Passoni erfuhr im Nachhinein, dass ihr letzter Wohnsitz in Syrien nach ihrer Flucht bombardiert wurde. Was aus den anderen Frauen wurde, die sie in Syrien kennenlernte, wisse sie nicht. Im Rahmen ihrer Bewährungsauflagen sei ihr eine Kontaktaufnahme verboten. Gegenüber AP gestand Passoni ein, dass sie verstehe, warum Menschen in Europa Angst vor ihr hätten. Doch nun wolle sie sich auf die Zukunft konzentrieren: "Meinem Sechsjährigen habe ich erklärt, dass ich einen Fehler begangen habe, und ihn um Verzeihung gebeten."