Konflikt in Südostasien Heftige Kämpfe an der Grenze von Kambodscha und Thailand

Kambodschaner aus den Dörfern nahe der Grenze zu Thailand sind erneut auf der Flucht. Foto: Heng Sinith/AP/dpa
Kambodschaner aus den Dörfern nahe der Grenze zu Thailand sind erneut auf der Flucht. Foto
© Heng Sinith/AP/dpa
Von Friedensabsicht ist keine Rede mehr: An der Grenze der südostasiatischen Nachbarländer wird wieder scharf geschossen. Nach Ansicht eines Experten könnte die Lage weiter eskalieren.

Nur rund sechs Wochen nach Unterzeichnung eines Waffenruheabkommens zwischen Thailand und Kambodscha ist die Gewalt an der gemeinsamen Grenze vollends eskaliert. Vielerorts entlang der 800 Kilometer langen Grenze der südostasiatischen Länder tobten am Dienstag heftige Gefechte. Zehntausende Bewohner des Grenzgebiets beider Seiten mussten in Schutzunterkünfte oder sicherere Landesteile flüchten. 

Beide Länder gingen mit Soldaten am Boden und teils unter Einsatz schwerer Geschütze gegeneinander vor. Die thailändische Luftwaffe flog nach Angaben einheimischer Medien weitere Angriffe auf mutmaßliche kambodschanische Armeestellungen. Ziel sei, das Militär des Nachbarstaats langfristig zu dezimieren, zitierte die Zeitung "Bangkok Post" den Generalstabschef des Militärs, Chaiyaphreuk Duangpraphat. Damit solle die Sicherheit der künftigen Generationen in Thailand gewährleistet werden. 

Kambodschas Senatspräsident Hun Sen erklärte, man habe zunächst Zurückhaltung gewahrt, um den am 26. Oktober vereinbarten Waffenstillstand zu respektieren. Doch inzwischen werde gekämpft, um sich zu verteidigen, und zwar mit "Schützengräben und Waffen aller Art".

Weitere Eskalation vorstellbar

Die aktuelle Rhetorik aus Bangkok lasse eine weitere Eskalation der Lage vermuten, sagte der Leiter der Forschungsgruppe Asien von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Felix Heiduk, der Deutschen Presse-Agentur. Der Kampf sei allerdings ein ungleicher: "Kambodschas Armee hat nur ein Drittel der Größe der Armee Thailands, das Militärbudget ist weitaus geringer und das Land hat überhaupt keine Luftwaffe", so der Experte der Stiftung mit Sitz in Berlin. Ob Thailand seine militärische Überlegenheit nutzen werde, um zum Beispiel Gebiete zu annektieren, sei allerdings reine Spekulation. Öffentliche Aussagen dazu gebe es bisher nicht. 

Hauptleidtragende des Konflikts sei in jedem Fall die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. Hunderttausende seien aus ihren Dörfern im Grenzgebiet vertrieben worden. Auch der grenzüberschreitende Handel und die für beide Länder wichtige Arbeitsmigration aus Kambodscha nach Thailand seien gestört, so Heiduk. "Aus wirtschaftlicher Sicht macht dieser Konflikt für keine der beiden Länder irgendwie Sinn."

Politisch berge die Eskalation allerdings eine Chance für Thailands Übergangs-Ministerpräsident Anutin Charnvirakul. Der dürfte Heiduk zufolge noch im Dezember Neuwahlen für Anfang 2026 ausrufen: "In Umfragen liegt er, der aus dem konservativen, militärnahen Lager stammt, gegenüber linken, progressiven Kräften zurück. Er könnte durchaus den Grenzkonflikt für die eigene Darstellung als Verteidiger der thailändischen Souveränität innenpolitisch nutzen."

Verletzte und Tote auf beiden Seiten

Kambodscha und Thailand beschuldigen sich seit Sonntag, eine zuletzt geltende Waffenruhe im Grenzgebiet zuerst verletzt zu haben. In Kambodscha kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums seit Montag mindestens sieben Zivilisten ums Leben, mindestens 20 wurden verletzt. Thailändische Medien meldeten unter Berufung auf das Militär den Tod von vier Soldaten.

Das thailändische Nachrichtenportal "Khaosod" berichtete auf der Plattform X unter Berufung auf das Militär von heftigen kambodschanischen Angriffen auf thailändisches Hoheitsgebiet, unter anderem mit Mörsern und Artillerie. Der "Bangkok Post" zufolge wurde auch die thailändische Marine eingesetzt, um in der Provinz Trat kambodschanische Soldaten aus dem von ihnen besetzten Grenzgebiet zu verdrängen. 

Weder die Angaben aus Phnom Penh noch aus Bangkok ließen sich zunächst unabhängig überprüfen. 

Wurzeln des Konflikts liegen in Kolonialzeit

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in das unmittelbare Grenzgebiet und rät auch von Reisen in Provinzen in Grenznähe ab. Touristen wird geraten, sich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts einzutragen. 

Die Nachbarländer hatten nach schweren Kämpfen im Juli Ende Oktober in Anwesenheit von US-Präsident Donald Trump auf dem Asean-Gipfel in Malaysia eine Erklärung für einen Weg Richtung Frieden unterzeichnet. Doch bereits im November wurde die vereinbarte Feuerpause nach einem neuerlichen Vorfall an der Grenze ausgesetzt. Jenes Abkommen sei "inhaltlich sehr dünn" und von gegenseitigem Misstrauen begleitet gewesen, sagte Heiduk dazu. 

Allein der wirtschaftliche Druck durch die Androhung höherer Zölle seitens Trump und dessen Inszenierung als Friedensstifter reichten nicht aus, um einen echten Friedensprozess anzustoßen. 

Problematische Grenzziehung in der Kolonialzeit

Die Wurzeln des Konflikts liegen in der Kolonialzeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Frankreich den Grenzverlauf festlegte, es aber zu Abweichungen in den dazu veröffentlichten Karten kam. Thailand - das damalige Königreich Siam - habe sich benachteiligt gefühlt, da einige wichtige Tempelanlagen aus der Zeit des Khmer-Imperiums auf der Seite Französisch-Indochinas lagen, erklärte der Experte Heiduk. 

Vor allem der Hindu-Tempel Prasat Preah Vihear ist ins Zentrum des Streits gerückt. Beide Länder beanspruchen das umliegende Gebiet der seit 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Anlage an der Grenze. Immer wieder ist es schon in der Vergangenheit zu Gefechten zwischen den Streitkräften beider Länder gekommen, was die Region unsicher macht - auch für die vielen Pilger, die die dem Gott Shiva gewidmete Stätte besuchen wollen.

dpa

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