Auf dem Kapitolhügel in Washington, wie die Amerikaner ihr Regierungsviertel nennen, vergeht langsam allen Seiten das Lachen – Demokraten als auch Republikanern. Erst war die Schadenfreude bei der Regierungspartei groß, als im vergangenen Sommer bei Ex-Präsident Donald Trump haufenweise geheime Dokumente gefunden worden waren. Seit zwei Wochen aber machen sich die Republikaner über Amtsinhaber Joe Biden lustig, weil ihm das gleiche Malheur passierte. Und nun dies: Auch Ex-Vize-Präsident Mike Pence, ebenfalls Republikaner, war offenbar unvorsichtig genug, vertrauliche Unterlagen mit nach Hause zunehmen.
"Das ist das Seltsamste, was ich je gesehen habe."
"Ich weiß nicht, wie so etwas passieren kann, aber offenbar müssen wir etwas ändern", sagt ein ratloser John Cornyn, konservativer Senator aus Texas. "Jeder, der mit vertraulichen Dokumenten zu tun hat, weiß doch, dass sie an einem sicheren Ort verwahrt werden müssen", so Cornyn weiter. Sein Parteikollege Marco Rubio steht ebenfalls vor einem Rätsel: "Das ist das Seltsamste, was ich je gesehen habe." In der Regierung, so der Senator ironisch, scheinen sie alles wahllos in Kisten zu werfen.
Der Politiker aus Florida spielt damit auf das Schreiben von Pence Anwalt an, das der über den Fund im Haus von Trumps früherem Stellvertreter in Carmel, Indiana verfasst hatte. Danach seien die Papiere "versehentlich eingepackt und in das private Anwesen des ehemaligen Vizepräsidenten gebracht worden". Ähnlich hatte auch der aktuelle US-Präsident das Auftauchen von Verschlusssachen unter anderem in seiner Garage begründet. Sowohl Pence als auch Biden übergaben die Dokumente sofort dem zuständigen Nationalarchiv, Bidens Fall aber wurde erst zwei Monate später durch Medienberichte bekannt.
Donald Trump wollte Papiere behalten
Der Besitz beziehungsweise die Mitnahme von geheimen Staatspapieren kann strafbar sein. Gegen Donald Trump, bei dem rund 300 klassifizierte Unterlagen gefunden wurden, wird unter anderem wegen Spionage und Behinderung der Justiz ermittelt. Dafür drohen in dem einen Fall bis zu zehn, im anderen bis zu 20 Jahre Haft. Ein Sonderermittler untersucht die Hintergründe, genau wie im Fall von Joe Biden. Im Unterschied zu Pence und Biden hatte Trump sich aber zunächst geweigert, die Dokumente zurückzugeben.
Mutmaßlich dürften nun viele Spitzenpolitiker, frühere Regierungsmitarbeiter und aktuelle Amtsträger hektisch ihre Büros und Garagen nach versehentlich mitgenommenen Verschlusssachen durchsuchen. In Washington wird schon länger gelästert, dass es leichter ist, aus Versehen Geheimdokumente mit nach Hause zu nehmen, als sie absichtlich im Büro zu lassen. "Es gibt Beamte, die klemmen sich einen Stapel Papiere unter den Arm, in dem irgendwo ein Staatsgeheimnis dranhängt", schreibt David Rothkopf, ein früherer Staatssekretär im US-Innenministerium.
Millionen in Washington haben Zugang zu Geheimpapieren
Nicht nur die schiere Masse von Billionen von vertraulichen Seiten ist nach Ansicht von Insidern ein Problem. Auch die Menge an offiziellen Mitarbeitern, die die Freigabe hat, auf sie zuzugreifen, liegt in einer Größenordnung, bei der der Begriff "geheim" nicht mehr wirklich zutreffend ist. Offiziell dürfen rund drei Millionen US-Beamte eingestufte Unterlagen einsehen, knapp die Hälfte von ihnen sogar die der Kategorie "Streng Geheim".
Wenn nicht Joe, wer dann? Wer bei den Demokraten ins Rennen um die Präsidentschaft gehen könnte

Abgeordnete zweifeln auch am Sinn der Zweiklassegesellschaft im Umgang mit klassifizierten Dokumenten. Während die Volksvertreter sie nur in speziellen Räumen einsehen und sie auch nicht mitnehmen dürfen, gilt das nicht in ähnlicher Weise für das Weiße Haus, wo der US-Präsident und seine Mitarbeiter sitzen. Der Demokrat Mark Warner, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Senat, forderte via Twitter alle auf, die je in der Staatsführung waren, ihre "Schränke zu überprüfen".
Welche Auswirkungen hat das auf den Wahlkampf?
In Kürze dürfte dann auch diskutiert werden, welche Auswirkungen die Geheimpapierfunde auf die Präsidentschaftskandidaturen der drei Missetäter haben werden. Donald Trump hat seinen Hut bereits in den Ring geworfen, von Joe Biden wird es bald erwartet und auch Mike Pence soll damit liebäugeln. Schadenfreude über den Fehltritt der anderen jedenfalls steht keinem von ihnen mehr gut zu Gesicht.