Einst war es der Traum vieler Deutscher: eine Stelle auf dem Amt. Das garantierte ein stressfreies Leben frei von allen wirtschaftlichen Sorgen. Doch Vollbeschäftigung und geburtenschwache Jahrgänge haben den Arbeitsmarkt leergefegt. Beim Nachwuchs muss sich der Staat als Arbeitgeber hinten anstellen.
Keine andere Branche ist vom Fachkräftemangel so stark betroffen wie der öffentliche Dienst. Schon jetzt können über 200.000 Stellen nicht besetzt werden, bis 2030 wird sich die Zahl der Leerstellen im Staatsdienst auf 800.000 vervierfachen. Bei der Polizei, an Schulen und in der Pflege wird der Notstand inzwischen vieldiskutiert und ist längst ein politisches Thema. Doch der Personalmangel beschränkt sich nicht auf einzelne Disziplinen des Staatsapparates, er zieht sich durch sämtliche Bereiche.

Gesucht werden: Bauingenieure, Umweltexperten, Finanzbeamte, Sozialpädagogen, Veterinäre, ...
Beispiele gefällig? Hier kommt eine kleine, unvollständige Mängelliste. Gesucht werden: Bauingenieure, Umweltexperten, IT-Fachleute, Lebensmittelkontrolleure, Finanzbeamte, Sozialpädagogen, Feuerwehrleute, Veterinäre, Arbeitsschützer, Zöllner, Gerichtsvollzieher, Strahlenschützer oder Justizvollzugsbeamte.
Weil rund 2000 Richter und Staatsanwälte fehlen, müssen jede Woche Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Straßenbauingenieure lassen sich mancherorts nur noch mit Antrittsgeschenken zum Dienst verpflichten. Vielleicht eine kleine Kreuzfahrt auf der Aida? In Thüringen gibt es bereits Gesundheitsämter ohne Ärzte und in der gesamten Republik stockt der Wohnungsbau, weil die Bauämter keine Leute haben, um die Bauanträge zu genehmigen.
Die personelle Infrastruktur des Staates wurde über Jahre genauso vernachlässigt und ist darum im selben Zustand wie Straßen, Brücken und Schulgebäude. Der öffentliche Dienst ist ein Sanierungsfall.
Sagt jemand „öffentlicher Dienst“, hören viele „aufgebläht“ gleich mit
In den meisten Köpfen hat sich das gegenteilige Bild festgesetzt: der verfettete Staat. Sagt jemand „öffentlicher Dienst“, hören viele „aufgebläht“ gleich mit, als wäre es ein zweiter Vorname. Lange Zeit stimmte das Klischee auch mit der Wirklichkeit überein. In den 1970er und 80er Jahren wurde der Staatsapparat üppig ausgebaut. Doch seit der Wiedervereinigung wurde der Rückwärtsgang eingelegt und jede sechste Stelle gestrichen, in den Kommunen sogar ein vierte.
Gleichzeitig wuchsen die Ansprüche der Bürger an ihre Verwaltung. Die Aufgaben wurden mehr und komplizierter. Allein die Zahl der Bauvorschriften hat sich seit der Wiedervereinigung vervierfacht. Und jede Woche beschließt die Politik Maßnahmen, für deren Umsetzung in den Behörden die Leute fehlen: Kita-Ausbau, Inklusion an Schulen, Klimaschutz, Mobilitätswende oder das soeben beschlossene Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Der Deutsche Richterbund begrüßt die Beschlüsse der Bundesregierung gegen den rechten Terror, weist indes darauf hin: Ohne zusätzlich rund 100 Staatsanwälte können die Beschlüsse nicht verwirklicht werden.
Tatsächlich ähnelt der öffentliche Dienst einer Speisekarte in einem DDR-Restaurant
Geld hilft in diesem Fall leider nicht. Die Bundesregierung beschließt unentwegt Sofortmaßnahmen, stellt Sonderprogramme auf und füllt Milliarden in Fördertöpfe. Das klingt nach Problemlösung. Tatsächlich ähnelt der öffentliche Dienst immer mehr einer Speisekarte in einem Restaurant der DDR. Es werden jede Menge Köstlichkeiten aufgelistet, aber vieles davon kann nicht serviert werden. Tut uns leid: Köche sind gerade aus und kommen auch nicht mehr rein. Darum bleiben jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro in der Kasse von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zurück.
Das Geld für Schulsanierungen, für den Bau von Straßen und Radwegen oder für den Ausbau der digitalen Infrastruktur verschimmelt auf den Konten, weil in den Amtsstuben die Leute fehlen, die es ausgeben könnten. Im September flehte Scholz die Kommunen und die Länder in einem dramatischen Appell an: „Bitte nehmt das Geld!“
Früher war Geldmangel der limitierende Faktor, der den Staat bremste. Heute ist es Personalmangel.
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