Wunsch trifft Realität: Die Bundesregierung will die Bundespolizei personell aufrüsten – doch offenbar gibt es keine ausreichende Anzahl von geeigneten Bewerbern. Daher senkt die Bundespolizei jetzt die Anforderungen für ihre zukünftigen Mitarbeiter. So hieß es in einem Bericht der Zeitungen der Funke-Mediengruppe (u.a. "Berliner Morgenpost").
Ein Sprecher des Bundespolizeipräsidiums mit Sitz in Potsdam bestätigte dem stern zwar, dass die Behörde die Anforderungen für die Bewerber geändert habe, will aber nicht von einem Absenken dieser sprechen. Die Sprachregelung lautet: "Ziel ist es, einen möglichst großen aber auch geeigneten Bewerberkreis anzusprechen."
Änderungen beim Einstellungstest
So seien beispielsweise die starren Mindest- (Frauen: 1,63 Meter, Männer: 1,65 Meter) und Maximalgrößen (1,95 Meter) für die Bewerber komplett abgeschafft worden.
Weitere Änderungen gibt es bei den Sport- und Sprachtests, die Bewerber durchlaufen müssen. Im Sportteil des Einstellungstestes für Bewerber entfallen in Zukunft die Disziplinen Liegestütze und Weitsprung.
Der Sporttest besteht fortan aus drei Teilen:
- Koordinationstest: Rolle vorwärts, Umlaufen eines Medizinballs, Überspringen und Unterkriechen einer Latte, erneutes Umlaufen des Medizinballs, zweites Überspringen und Unterkriechen einer Latte, drittes Umlaufen eine Medizinballs, nochmaliges Überspringen und Unterkriechen einer Latte, letztes Umlaufen eines Medizinballs, Rückkehr zum Ausgangspunkt – das alles (je nach Geschlecht und Alter) in 18 bis 22 Sekunden.

- Zwölf-Minuten-Lauf: 19- bis 24 faches Umlaufen eines Rechtecks mit 100 Metern Umfang in zwölf Minuten
- Neu hinzugekommen ist der Pendellauf: viermaliges Zurücklegen einer Strecke von zehn Metern zwischen zwei Turnkästen innerhalb von 10,3 bis 11,9 Sekunden. Die neue Übung biete ein "zeitgemäßes Bild der physischen Leistungsfähigkeit", so der Sprecher des Bundespolizeipräsidiums.
Im schriftlichen Test muss ein Diktat von 180 Wörtern bestanden werden. Dort seien die Fehlertoleranz im Auswahlverfahren für den mittleren Dienst "geringfügig" angehoben und bestimmte Begriffe gestrichen worden. Als Beispiel nannte der Sprecher den Wegfall des Wortes "Chrysantheme".
Auch die DPolG-Bundespolizeigewerkschaft versteht die Anpassungen nicht als Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen. "Die Ausbildung bei der Bundespolizei ist hochprofessionell und sehr anspruchsvoll", sagte Anja Ducklauß-Nitschke, die stellvertretende Vorsitzende im Gespräch mit dem stern. Die Anwärter hätten regelmäßigen Sportunterricht und müssten Prüfungen bestehen. "Ein etwaiger Leistungsunterschied wird auf diese Weise erkannt oder durch regelmäßiges Training abgestellt." Die Änderungen der Anforderungen sehe sie daher "unproblematisch", so Ducklauß-Nitschke weiter. Um den "immensen Personalbedarf" mit qualifizierten Bewerbern zu decken, seien dagegen andere Maßnahmen wichtiger,. zum Beispiel eine höhere Besoldung oder das Vorhalten von bezahlbarem Wohnraum, insbesondere in den Ballungszentren.
16 Bundesländer – 16 Einstellungstests
Ohnehin: Über den Sportteil und den schriftlichen Test hinaus besteht das Auswahlverfahren je nach Laufbahn noch aus einer Reihe weiterer Bausteine (zum Beispiel ärztliche Untersuchung, Vorstellungsgespräch). Die vollständigen Einstellungsvoraussetzungen hat die Bundespolizei auf ihrer Karriereseite im Internet zusammengestellt. Das Einstiegsgehalt für die Auszubildenden bei der Bundespolizei liegt monatlich bei etwa 1100 Euro (mittlerer Dienst) oder circa 1200 Euro (gehobener Dienst) netto.
Sport- und Sprachtests sind auch bei den 16 Landespolizeien Bestandteil des Auswahlverfahrens. Die gesetzten Anforderungen an die Bewerber unterscheiden sich dabei teils erheblich. Während beispielsweise in Bayern auch die Fähigkeiten im Bankdrücken und Sprünge aus dem Stand bewertete werden, muss in Berlin ein Hindernisparcour bewältigt werden und im Saarland beispielsweise ein Klimmzug möglichst lange gehalten werden.

Im vergangenen Jahr hatten sich nach Angaben der Behörde insgesamt 35.000 Menschen auf 3000 Stellen beworben, dabei gelte: "Je mehr Bewerber, desto höher das Auswahlermessen der Behörde." In diesem Jahr sollen insgesamt 2150 Menschen neu eingestellt werden, 853 Beamte verlassen die Bundespolizei planmäßig in den Ruhestand.
Bundespolizei soll deutlich aufgestockt werden
Die Bundespolizei ist 2005 aus dem Bundesgrenzschutz hervorgegangen und untersteht anders als die 16 Landespolizeibehörden dem Bundesinnnenministerium. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem die Überwachung der Bundesgrenzen, der Schutz des Luft- und Bahnverkehrs und die Unterstützung der Bundesländer in Polizeiangelegenheiten oder bei Katastrophenfällen. Auch die Anti-Terroreinheit GSG9 ist Bestandteil der Bundespolizei. Insgesamt beschäftigt die Behörde rund 48.000 Mitarbeiter, davon gut 40.000 Vollzugsbeamte. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will die Bundespolizei bis 2025 um 11.000 Stellen aufstocken.
Quellen: "Berliner Morgenpost" (kostenpflichtiger Artikel), Bundespolizei (1), Bundespolizei (2), Bundespolizei (3), Polizei Bayern, Polizei Berlin, Polizei Saarland, Nachrichtenagentur AFP