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Ursula von der Leyen Wenn aus Politologen IT-Experten werden: So seltsam vergibt die Bundeswehr Aufträge

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Anfang des Monats bei einer Sitzung im Bundestag. Die Ministerin produziert seit Monaten mit einer Berateraffäre Negativschlagzeilen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Anfang des Monats bei einer Sitzung im Bundestag. Die Ministerin produziert seit Monaten mit einer Berateraffäre Negativschlagzeilen
© Kay Nietfeld / DPA
Nach welchen Kriterien werden bei der Bundeswehr Aufträge vergeben? Zwei Fälle bringen Ministerin Ursula von der Leyen in der Berateraffäre weiter in Bedrängnis. In einem Fall sollte "die Chemie stimmen", in einem anderen rechnete ein Politikwissenschaftler als IT-Experte ab

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gerät in der Berateraffäre weiter unter Druck. Ein Mitarbeiter ihrer damaligen Staatssekretärin Katrin Suder sorgte offenbar dafür, dass ein Bekannter der heute 47-Jährigen einen Auftrag der Bundeswehr erhielt. Nach Informationen des stern erhielt der Berater Oliver Triebel mit seiner Firma LEAD ab Ende 2015 solche Aufträge, zunächst im November 2015 für die Moderation von internen Veranstaltungen mit Suder, dann bis 2018 für Dienstleistungen im Wert von insgesamt 380.000 Euro. Triebel war zuvor ein Kollege von Suder bei der Beratungsfirma McKinsey. Laut den Angaben von Triebels Anwalt gegenüber dem stern stand am Beginn des ersten Auftrags ein Anruf von Gundbert Scherf, einem damaligen engen Mitarbeiter der Staatssekretärin, der mit ihr von der Beratungsfirma McKinsey in das Verteidigungsministerium gewechselt war. Scherfs Anruf habe "nach weiteren telefonischen Kontakten zur Beauftragung" geführt, ließ Triebel über den Anwalt ausrichten.

Auftrag sollte offenbar "Vertrauensverhältnis" stärken

Das von Ursula von der Leyen geführte Ministerium  erklärte auf Anfrage des stern, man könne in dem Fall "keine persönliche Beauftragung" durch Suder "nachvollziehen". Im Verteidigungsausschuss hatte ein Abteilungsleiter ihres Hauses im November erklärt, der Auftrag sei durch das Beschaffungsamt der Bundeswehr erteilt worden. Nach den dem stern vorliegenden Unterlagen hatte aber zuvor eine Suder unterstehende Stelle des Ministeriums das Beschaffungsamt dazu aufgefordert, den Moderationsauftrag mit Triebel abzuschließen. Die Suder unterstehende Projektorganisation Rüstungsmanagement begründete die Notwendigkeit der Vergabe an Triebel in einem  Vermerk vom 30. September 2015 mit dem "Vertrauensverhältnis", das ihn und Suder verbinde: "Die Chemie muss stimmen", hieß es dort als Begründung. Nachdem der Bundesrechnungshof den Fall kritisiert hatte, räumt inzwischen auch das Ministerium ein, dass hier gegen Vergaberecht verstoßen wurde.

Der FDP-Haushaltsexperte Christian Dürr kritisierte, dass das Ministerium hier versucht hatte, die Verantwortung auf die untere Ebene abzuschieben: "Das war der Versuch, eine Fassade aufrechtzuerhalten, die jetzt krachend zusammengestürzt ist", sagte er dem stern.

Auftrag für die Bundeswehr als "Software Architekt" abgerechnet

Auffälligkeiten zeigen sich nach den Unterlagen, die der stern zusammen mit dem ARD-Magazin "Report München" ausgewertet hat, auch im Fall eines weiteren ehemaligen Kollegen von Suder namens Timo Noetzel. Die Agentur Accenture rechnete für Noetzel, der ebenfalls früher für McKinsey tätig war, für einen Auftrag der Bundeswehr Stunden als "Software Architekt" ab, obwohl er ausweislich seines Lebenslaufs kein Informatiker ist, sondern Politikwissenschaftler. Accenture wies die "Unterstellung von Falschangaben" gegenüber dem stern "aufs Schärfste" zurück. Man habe die "vorgegebenen Kategorien" in dem vom Ministerium "geforderten Rahmenvertrag" benutzt. Accenture wurde für den Auftrag, wie später der Rechnungshof kritisierte, zu Unrecht über einen Rahmenvertrag für die Beschaffung und Pflege von IBM-Software bezahlt. "Spätestens als man Politologen oder Verwaltungswissenschaftler als Software-Architekten abrechnete, hätte jedem Beteiligten offenkundig sein müssen, dass der Rahmenvertrag missbräuchlich verwendet wird", sagte der Grünen-Abgeordnete und Verteidigungsexperte Tobias Lindner dem stern.

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