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Der politische Abwasch der Woche Die SPD ist wie Schalke 04

Bischof Mixa ist ein feiner Kerl, die SPD hat klar die Wahl in NRW gewonnen und Schalke 04 wird immer Meister. Die Erde ist ja auch eine Scheibe, richtig? Zeit für den Abwasch.
Von Andreas Hoidn-Borchers

Weil ja gerade Kirchentag ist, wollen wir uns in dieser Woche mal über das schöne Thema Glauben an die Politik anschleichen. Anfangen möchten wir, weil sich das nachgerade aufdrängt in diesen Tagen, mit dem achten Gebot (für die nicht ganz so sattel- bzw. bibelfesten unter uns: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Für die nachwachsenden Rohstoffe vulgo jüngere Generation: Erzähl' kein Scheiß, Alter!) und dem zurückgetretenen Bischof (hach, das man das noch erleben darf) von Augsburg, Dr. Walter Mixa, dessen Gegendarstellung eines Berichts der "Süddeutschen Zeitung" vom 24. Februar 2010 wir uns extra als aufmunterndes Mittel für finstere Zeiten zur Seite gelegt haben. Sie geht wie folgt:

"'Der Augsburger Bischof Walter Mixa musste den Führerschein nach einer Alkoholkontrolle zeitweise abliefern.' Diese Behauptung ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass ich zu keinem Zeitpunkt meinen Führerschein wegen Alkohol am Steuer abgeben musste. Augsburg, den 24. Februar 2010. Dr. Walter Mixa, Bischof von Augsburg"

Sondern weil er die Hände nicht am Steuer hatte, hähä. Nein, nein, nur ein schlechter Scherz am rechten Rande... Wir nämlich gehen davon aus, dass ein solcher Mann Gottes natürlich die Gebote seines Herrn kennt und befolgt. Und da in allen zehn, wir haben's extra noch mal nachgelesen, nun wirklich nichts davon steht, dass man Schutzbefohlene nicht watschen, prügeln oder befummeln soll, wird schon alles seine Richtigkeit haben, und wir können unser Mitleid wieder auf gesellschaftliche Gruppen konzentrieren, die sie wirklich verdienen…

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Die SPD zum Beispiel. Irgendwie sind die Sozialdemokraten ja so etwas wie Schalke 04: die Regierenden der Herzen, jedenfalls nach eigenem Empfinden. Gerhard Schröder kennt das Gefühl, Andrea Ypsilanti kennt es, nun lernt es auch Hannelore Kraft kennen. Das Gefühl, knapp gewonnen und das auch schon mal ein bisschen gefeiert zu haben - nur leider war der letzte Spieltag noch nicht überall abgepfiffen bzw. die letzte Urne noch nicht ausgezählt und am Ende man musste die Meisterschale dann doch den Bayern überlassen bzw. die Kirche zerknirscht wieder ins Dorf zurück räumen. Oder so ähnlich.

Der entscheidende Unterschied zwischen den Proletarierroten und den Königsblauen ist nur: Die Schalker haben sich irgendwann in ihr Schicksal gefügt, nur Vizemeister zu sein, wohingegen Hannelore Kraft als Beinahe-Wahlgewinnerin verzweifelt versucht, gemeinsam mit den Grünen, aber ohne die CDU, eine Regierung zustande zu kriegen, wobei sie nur die Partnerwahl hat zwischen der Linken, die nicht regierungsfähig, und der FDP, die nicht regierungswillig ist. Das ist nicht schön. Das kann dauern. So lange regiert der Denkzettel mit seinen 6000 Stimmen Vorsprung einfach ganz ausgekocht weiter - und wartet, bis die Sozen sich entweder nach den Lehren der Hessischen Schule zerlegt oder erkannt haben, dass, um einmal eine große Erkenntnis Helmut Kohls zu variieren, die Wirklichkeit manchmal eben doch anders ist als die Realität.

Womit wir wieder beim Metaphysischen wären. Für Andrea Ypsilanti, die große Vorkämpferin für die Befreiung vom Diktat Adam Rieses, ersetzt der Glaube an den eigenen Sieg sogar die übliche Zahlenlehre. Während wir armen verirrten Erbsenzähler immer dachten, gewonnen hätte der, der am Ende wenigstens eine Stimme mehr hat, gibt Ypsilanti auf die Frage des "Tagesspiegels": Wer ist der Sieger, Rüttgers oder Kraft? ungerührt zurück: "Die SPD hat 2,6 Prozent verloren, die CDU über zehn Prozent. Zu einer Bewertung genügen die Grundrechenarten." Und die Erde ist eine Scheiblette. Ist ja auch von Kraft.

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Aber schön, dass es solche Nebenkriegsschauplätze gibt. Es wird einem dann nicht ganz so weh um Herz und Hirn, wenn man sich dem wirklichen Wahnsinn zuwendet. Während sich die Nordrhein-Westfalen redlich bemühten, keine neue Regierung zusammenzuwählen (die ja ohnehin nichts zu kamellen hätte), wurde in Brüssel, Berlin und anderswo in der EU endlich, endlich dem schnöden Mammon abgeschworen. Die Regierung insgesamt befreite sich von vielen, vielen Milliarden, die uns nur bedrückt hätten, die FDP befreite sich von der Last der Steuerreform und Roland Koch, der stellvertretende Vorsitzende der großen politischen Glaubensgemeinschaft CDU befreite uns vom Irrglauben, dass er eigentlich viel intelligenter ist als die Politik, die er macht.

Jedenfalls hat der Dr. Koch, der damals die Ypsilanti einfach ausgerüttgert hat, jetzt vorgeschlagen, die Finanzmisere zu lindern, indem man das Kita-Programm kippt und nicht soviel Geld in Bildung steckt wie geplant. Warum auch nicht? Früher sind die Menschen schließlich auch ohne Lesen und Schreiben durchs Leben gekommen, Rechnen muss man sowieso nicht mehr können, wenn kein Geld da ist (für die einfachen Aufgaben haben wir ohnehin die Andrea) und Bildung wird ohnehin grandios überschätzt. Früher, als die Welt noch in Ordnung war und die Messen noch auf Latein gelesen wurden, kam wenigstens niemand auf blöde Gedanken. Kusch, sitz und amen.

Da eigentlich könnte auch der Dr. Walter Mixa Bischof bleiben.

Und nur unter uns: Dass dessen Rücktritt fast nicht wahrgenommen wurde, weil von NRW-Wahl und Euro-Rettung überlagert - das nährt in uns dann doch den leisen Verdacht, die katholische Kirche könnte vielleicht doch mit irgendwelchen höheren Mächten im Bunde stehen. Ach ja, die Wege des Herrn sind unergründlich.

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