Wenn es eine deutsche Firma gibt, die mit dem Einsatz ihrer Waffensysteme im Jemen-Krieg heraussticht, dann ist es wohl der Hersteller Dynamit Nobel Defence (DND) aus Burbach im Siegerland. Von ihm wurden die Fewas-Waffenstationen entwickelt, die man auf vielen Videos aus der Kriegszone sieht – aufmontiert auf Militärfahrzeugen des US-Herstellers Oshkosh des Militärs der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Überdies erkennt man seit 2017 an einigen Leclerc-Panzern des emiratischen Militärs, die über die Strassen des Jemen rollen, offenkundig von DND produzierte Schutzsysteme.
Die Sichtungen dieser beider Rüstungsprodukte gehören zu den brisantesten Ergebnissen des Rechercheprojekts #GermanArms, das der stern zusammen mit dem ARD-Magazin "Report München", dem Recherchebüro Lighthouse Reports, dem Investigativnetzwerk Bellingcat und der Deutschen Welle getragen hat.

Der Jemen als "Testgelände"
Politisch besonders heikel ist dabei der Fall der Panzertechnik. Noch im März 2017, zwei Jahre nach Beginn des blutigen Kriegs im Jemen, genehmigte die Bundesregierung der Firma DND Ausfuhren von "Reaktivpanzerungen in Form von Modulen" für 126 Millionen Euro – für die Emirate. Die Regierung verriet dem Bundestag seinerzeit nicht, dass diese Module für Panzer gedacht waren. Aber auf ihrer Webseite sagt die Firma selbst, dass das "reaktive Schutzsystem" aus eigener Herstellung für gepanzerte Fahrzeuge entwickelt worden sei. Und das Management von Dynamit Nobel Defence sprach in einem im Oktober 2017 veröffentlichten Jahresabschluss für 2016 davon, dass man jüngst "einen Fahrzeugschutz-Auftrag mit größerem Volumen gewinnen" konnte. Das passt zu der im März 2017 genehmigten Lieferung im Wert von 126 Millionen Euro an die Emirate. Im April 2018 sprach dann der Geschäftsführer von Dynamit Nobel Defence, Michael Humbek, sogar in einem Interview mit einer österreichischen Militärpublikation davon, dass man "reaktive Panzerung" beim "französischen Kampfpanzer Leclerc für die Vereinigten Arabischen Emirate" zuliefere.
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Ab Ende 2017 sieht man dann auf Videos und Fotos aus dem Jemen Leclerc-Panzer mit seitlich anmontierten Schutzmodulen, die mit ihren Nieten den Modulen sehr ähneln, die DND zum Beispiel für den deutschen Panzer Puma lieferte. Diese Schutzsysteme lassen sich auch klar von anderen Zusatzpanzerungen wie dem Azur aus Frankreich unterscheiden, mit denen einige Leclerc im Jemen ebenfalls unterwegs sind. Einige Beobachter sprechen schon davon, dass der Jemen nun zum "Testgelände" für den Leclerc und seine verschiedenen Varianten werde.
Grünes Licht trotz Intervention von Saudis und Emiratis
Die Firmenlenker von Dynamit Nobel Defence aus Burbach bekamen für die Ausfuhr ihrer Schutzpakete im März 2017 grünes Licht, obwohl laut der für die Koalition nach eigenen Angaben verbindlichen Exportgrundsätze Ausfuhren in Länder ausscheiden, "die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind". Im März 2015 hatte die Intervention von Saudis und Emiratis im Jemen-Krieg begonnen. Und noch im selben Jahr gab es erste Berichte und Videos, wonach das VAE-Militär in dem Bürgerkriegsland einige seiner Leclerc-Kampfpanzer einsetzte - die übrigens allesamt auch mit Motoren des deutschen Herstellers MTU ausgerüstet sind.
Trotzdem bekam Dynamit Nobel Defence im März 2017 die Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung. Und all das, obwohl das Unternehmen kein großer Player der Rüstungsbranche ist. Anders als für Rheinmetall, Airbus, Lürssen oder selbst die Nürnberger Diehl-Gruppe ist bei der Firma aus dem Siegerland nicht bekannt, dass sie ein Lobbybüro in Berliner 1A-Lage unterhält. Im Jahr 2016 setzte das Unternehmen aus Burbach gerade mal knapp 55 Millionen Euro um, also weniger als die Hälfte der Summe des jüngsten Großauftrags für Reaktivpanzerungen aus den Emiraten.
Der israelische Staatskonzern Rafael Ltd.
Aber Branchenkenner verweisen auf einen anderen Umstand, der die Firma heraushebt: Sie gehört seit Mitte der 2000er Jahre zu dem staatlichen israelischen Rüstungskonzern Rafael Advanced Defense Systems Ltd. Ansässig in der Hafenstadt Haifa, ging Rafael aus einem Forschungslabor der israelischen Militärs hervor. Es stellt zum Beispiel das bekannte Raketenabwehrsystem Iron Dome her, hat aber auch auf Fahrzeuge montierbare Waffenstationen im Einsatz. Bei Rafael tragen sie den Markennamen Samson, ähneln aber zum Teil den Fewas-Stationen der Tochter im deutschen Burbach.
Natürlich ist schwer vorstellbar, dass eine israelische Staatsfirma direkt Waffentechnik an die Vereinigten Arabischen Emirate liefert – an ein Land, dessen Regierung Israel bis heute nicht diplomatisch anerkannt hat. Umso pikanter, dass es nun eine deutsche Tochterfirma der Israelis ist, die die Emiratis aufrüstet – auch wenn ein Sprecher ausdrücklich betont, "dass es sich bei der Dynamit Nobel Defence GmbH um ein deutsches Unternehmen mit deutschem Management handelt, welches ausschließlich der deutschen Gesetzgebung unterliegt".
Manche in der Branche glauben, dass die Israel-Connection der Burbacher Firma gerade bei Ausfuhren in den arabischen Raum hilft. Wenn eine Tochter einer Firma aus Haifa an ein arabisches Land liefern wolle, könne das Israel kaum schaden, so könne dann von der Bundesregierung argumentiert werden.
Das Unternehmen im Siegerland produzierte auch schon wiederholt direkt für die Israelis und lieferte ihnen zum Beispiel in den Jahren 2012 und 2013 Munition und verwandte Güter im Wert von insgesamt knapp 13 Millionen Euro.
Wenn nun die Emiratis Waffen aus Burbach im Krieg gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen einsetzen, dürfte das im Sinne der israelischen Regierung sein. Der Iran gilt ihnen wie den Arabern am Golf als Todfeind Nummer eins.
Bundeswirtschaftsministerium bleibt bei Darstellung
Aber die Frage bleibt, ob die Emiratis damit die deutschen Endverbleibsbestimmungen eingehalten haben. "Die politische Verantwortung für derartige Exporte" liege "allein bei der Bundesregierung", versicherte ein Sprecher der Firma aus dem Siegerland.
Sevim Dagdelen, Vize-Chefin der Fraktion der Linken im Bundestag, findet, es sei "höchste Zeit, dass die Bundesregierung sich ihrer Verantwortung stellt" und einen "dauerhaften Stopp" für Waffenexporte an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verhängt.
Doch bisher scheinen sich Bundeswirtschaftsministerium wie Auswärtiges Amt weigern zu wollen, vom Recherchebündnis #GermanArms aufgedeckte Sichtungen deutscher Waffentechnik im Jemen und am Horn von Afrika überhaupt ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen.
Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beharrte jedenfalls auch nach Veröffentlichung der ersten Berichte von #GermanArms am Mittwoch auf der Linie, die ihr Minister schon vorher verkündet hatte: Dass der Behörde angeblich "keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass solche deutschen Waffen im Jemen sind".
Probleme einfach zu ignorieren, in der Hoffnung, dass sie dann verschwinden – das ist eher eine Strategie mit Risiken, im Krieg wie im Frieden.
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