Größer könnte der Kontrast in Lützerath kaum sein: Als Polizisten am Mittwochmorgen in voller Montur den besetzten Braunkohleort Lützerath stürmen, sind teilweise Musik, Gebete und geistliche Gesänge zu hören. Ein Klimaaktivist spielt mitten im Regen an einem alten Klavier, ein zweiter klimpert in einem Baumhaus auf der Gitarre. Andere haben sich um ein Kreuz versammelt und singen "Von guten Mächten wunderbar geborgen".
Doch nicht überall bleibt es so friedlich. Als die Polizisten beginnen, das Gebiet zu umzäunen, kommt es laut den Einsatzkräften zu gewalttätigen Zwischenfällen – es fliegen Molotowcocktails, Pyrotechnik und Steine in Richtung der Beamten. Die Polizei appelliert an die Aktivisten, friedlich zu bleiben und die Gegend zu verlassen.
Heftiger Protest am Tag der Räumung in Lützerath
So schnell lassen sich die Klimaschützer jedoch nicht vertreiben. Mit Barrikaden, Sitzblockaden und Menschenketten wehren sie sich gegen die laufende Räumung. Bei einer als "Gegenschlag" bezeichneten Aktion habe ein Dutzend Menschen den Zugang in den Tagebau bei Jackerath blockiert, heißt es. Demnach seilten sich Aktivisten von einer alten Autobahnbrücke über die Straße ab. Der Hauptzugang der Polizei zu ihrem Logistiklager im Tagebau sei damit blockiert.
"Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen", sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt". Unter anderem seien Aktivisten auf Baumhäusern, in Gebäuden und Hütten, so Sauer. "Das wird auf jeden Fall noch lange dauern", betont sie mit Blick auf die Räumung.
Gegen Mittag sind die Einsatzkräfte bereits weit in das Dorf vorgedrungen. Die Lage hab sich stabilisiert, teilt ein Polizeisprecher mit. Die Beamten hätten den gesamten Bereich abgesperrt, niemand komme mehr unbefugt hinein, heißt es.
RWE will noch am Mittwoch mit dem Siedlungsrückbau beginnen
Schon seit Monaten brodelt der Konflikt um Lützerath. Der Energiekonzern RWE will das verlassene Dorf abreißen, um die darunter liegende Kohle abzubauen und den nahegelegenen Tagebau Garzweiler zu erweitern. Heftige Kritik kommt hingegen von Klimaschützern. Sie bestreiten, dass die unter "Lützi" gelegene Kohle wirklich gebraucht wird, und stützen sich auf eine Studie der "CoalExit Research Group", wonach der aktuelle Abbaubereich allemal ausreicht.
Wie RWE erklärt, soll an diesem Mittwoch der Rückbau der Siedlung beginnen und diese anschließend "bergbaulich in Anspruch genommen werden". Als eine der ersten Maßnahmen werde "aus Sicherheitsgründen" ein gut anderthalb Kilometer langer Bauzaun aufgestellt. "Er markiert das betriebseigene Baustellengelände, wo in den nächsten Wochen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung zurückgebaut werden", erklärte RWE. Zudem würden Bäume und Sträucher entfernt.
Anschließend könne der nahe Tagebau Garzweiler damit beginnen, die Braunkohle für die Stromerzeugung in den Kraftwerken der Region unter dem ehemaligen Ort freizulegen. RWE appellierte an die Klimaaktivistinnen und -aktivsten, mit Besonnenheit vorzugehen, Gewaltfreiheit zu zeigen und den Rechtsstaat zu akzeptieren.