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Debatte um "Leopard"-Lieferungen Der Kanzler und die Kampfpanzer: Auch in der Ampel wird der Ton rauer

Bundeskanlzer Olaf Schold (SPD)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
© BENOIT TESSIER / AFP
Der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz wächst, auch "Leopard"-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Internationale Partner fühlen sich offenbar verprellt, auch Ampel-Politiker steigen ihm aufs Dach. 

Es war die erste Frage und sie war eindeutig: Ob er der Ukraine zusichern könne, dass ohne weitere Verzögerung eine Entscheidung zu "Leopard"-Lieferungen getroffen wird? "Schönen Dank für die Frage", antwortete der Bundeskanzler, Deutschland werde auch in Zukunft "immer eng abgestimmt mit all unseren Freunden und Verbündeten" entscheiden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Es ist praktisch dieselbe Formulierung, die Olaf Scholz seit Wochen und Monaten abspult, wenn es um die deutsche Militärhilfe für die Ukraine geht, die nur im internationalen Schulterschluss und nicht im nationalen Alleingang erfolge – so auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Sonntag in Paris.

Gefeiert wurde der 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags, die Grundlage der deutsch-französischen Freundschaft (der stern war vor Ort). Die Kampfpanzer-Debatte sollte den Kanzler auch bis zur Universität Sorbonne begleiten. Das dürfte nicht zuletzt an Scholz selbst liegen, der sich nur einsilbig und in den immer gleichen Worten erklärt. Damit hat er offensichtlich eine kommunikative Leerstelle entstehen lassen, die andere füllen – mit der Forderung, die "Leopard"-Panzer zu liefern, dem Vorwurf, die Hilfen auszubremsen und der grundlegenden Frage, was eigentlich hinter Scholz' Zurückhaltung steckt.

Washington verärgert über Scholz, Warschau will liefern

Für den Kanzler wird die Debatte um die Kampfpanzer-Lieferung allmählich zur Belastungsprobe, von allen Seiten hagelt es Kritik. Besonders die USA scheinen verärgert, weil die Bundesregierung Bedingungen an das Weiße Haus für die "Leopard"-Lieferungen gestellt haben soll. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge sei es zwischen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt deswegen zu einem Wortgefecht gekommen. Eine entsprechende Forderung habe es zwar "zu keinem Zeitpunkt" gegeben, dementierte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, auch einen Streit soll es nach deutscher Darstellung nicht gegeben haben, doch der Eindruck einer bremsenden Bundesregierung hat sich offenbar festgesetzt. 

So kritisierte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, dass Scholz' (Zurück-)Haltung in der "Leopard"-Frage "inakzeptabel" sei. Nachdem die polnische Regierung wiederholt in Aussicht gestellt hatte, die Kampfpanzer notfalls auch ohne deutsche Exporterlaubnis an die Ukraine zu liefern, will Warschau nun offiziell um eine Genehmigung bitten. "Wir werden eine solche Genehmigung beantragen", kündigte Morawiecki am Montag an. Und: "Wenn die Deutschen nicht in dieser Koalition sind, werden wir trotzdem unsere Panzer zusammen mit anderen in die Ukraine verlegen."

Damit nimmt der Druck auf Scholz zu, sich zu positionieren und möglicherweise eine Liefererlaubnis an andere Länder für die in Deutschland produzierten Panzer zu erteilen (warum diese nötig ist, lesen Sie hier). Zuletzt hatten auch die Außenminister von Lettland, Estland und Litauen an den Kanzler appelliert, den Weg freizumachen. Doch wird er auch?

Die Bundesregierung sendet unterschiedliche Signale aus. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verteidigte am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will" den Abwägungsprozess, ginge es nicht nur "um die bloße Frage der Lieferung oder Nichtlieferung dieser Panzer, sondern auch um die Abwägung der Konsequenzen von Nichthandeln, aber auch genauso von Handeln". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ging hingegen ein ganzes Stück weiter: Deutschland würde sich ihren Angaben nach nicht gegen die Lieferung von "Leopard"-Kampfpanzern aus anderen Ländern stellen. "Wir wurden bisher nicht gefragt und (…) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Weg stehen", sagte sie am Sonntagabend dem französischen Sender LCI

Baerbock antwortete damit auf die Frage, was geschehe, wenn Polen "Leopard"-Panzer an die Ukraine liefern würde – die entsprechende Bitte will Warschau nun vorbringen. Unklar war zu diesem Zeitpunkt, ob Baerbock dabei tatsächlich eine final abgestimmte Position der Bundesregierung vertrat. Am Montag wich sie entsprechenden Nachfragen dazu aus.

Differenzen in der Ampelkoalition

Die Differenzen um Deutschlands Kurs in der Panzerfrage werden auch in der Ampelkoalition deutlich. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lieferten sich am Wochenende einen heftigen öffentlichen Schlagabtausch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Der Sozialdemokrat Michael Roth sah sich sogar zu einer Intervention veranlasst: "Hey Leute, unser Gegner heißt Putin!", rief er die Zankenden bei Twitter auf.

Unter den Koalitionären verfestigt sich offenbar der Eindruck, dass die Ukraine-Politik vor allem im Kanzleramt gemacht werde – die öffentliche Kritik aus der Ampel wird lauter. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigte Scholz gegen "maßlose Kritik und persönliche Anfeindungen", auch Co-Parteichef Lars Klingbeil sprang dem Kanzler bei und nannte es richtig, in dieser Phase des Krieges abzuwägen und sich mit den Verbündeten abzusprechen. 

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Grünen und FDP reicht diese Argumentation offenbar nicht mehr aus. Sie mahnen zu mehr Tempo bei den Waffenlieferungen. "Wir brauchen jetzt schnell die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern, und die sollte gemeinsam mit unseren europäischen Partnern getroffen werden", sagte die grüne Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger dem "Spiegel". FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sage zum "Berlin.Table": "Wer nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg verliert, muss handeln." Es sei zwar richtig, dass Scholz "sorgfältig abwägt". Er mahnt aber zugleich, dass es problematisch sei, "wenn bei der Ukraine und den Verbündeten der Eindruck entstünde, Deutschland zögert notwendige Entscheidungen hinaus". 

Dafür könnte es schon zu spät sein. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Deutschlands Haltung zuletzt in einem ARD-Interview scharf kritisiert, am Montag haben sich mehrere EU-Politiker am Rande des Außenministertreffens in Brüssel enttäuscht vom Zögern in Berlin gezeigt. So sagte etwa der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, auf Scholz laste "eine große Verantwortung, wirklich einen Schritt zu tun". Die Europäer müssten vor der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive sicherstellen, "dass dann auch das gegebene Material zur Verfügung steht (...), damit die Ukraine sich wehren kann". In anderen Worten: Scholz ist am Zug. 

Quellen:  "Süddeutsche Zeitung", ZDF, "Tagesschau", "Handelsblatt", n-tv, "t-online", "Spiegel", "Berlin.Table"

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