Grünes Licht aus Berlin: Nach wochenlangem Hin und Her hat die Bundesregierung entschieden, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Auch wird anderen Ländern gestattet, solche Panzer an Kiew abzugeben, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Koalitionskreisen erfuhr. Kanzler Olaf Scholz wurde wegen seines zögerliches Vorgehen lange kritisiert – nun ist bei den Ampel-Partnern FDP und Grüne die Erleichterung groß. Massive Kritik kommt hingegen von Linken und AfD.
Schon seit Monaten bittet die Ukraine um Kampfpanzer westlicher Bauart, um gegen die russischen Angreifer wieder in die Offensive zu kommen. Auch die USA wollen nach US-Medienberichten ihre Abrams-Panzer bereitstellen, Großbritannien hat bereits 14 ihrer Challenger-Panzer zugesagt.
In deutschen und internationalen Medien findet die Leopard-Entscheidung Zuspruch, der lange Weg dahin stößt jedoch auf ein geteiltes Echo. Die Presseschau im Überblick.
Lob für Panzer-Entscheidung: "Gute Nachricht für die Ukraine – Erfolg für den Kanzler"
"Die Zeit": Es war ein ungewöhnliches und riskantes Manöver, das kostbare Zeit gekostet und womöglich längerfristige Irritationen beim wichtigsten Verbündeten in Washington hervorgerufen hat. Doch nach den jüngsten Meldungen muss man sagen: Es hat funktioniert. Das ist in erster Linie eine gute Nachricht für die existenziell bedrohte Ukraine und in zweiter Linie ein Erfolg für den viel gescholtenen Bundeskanzler.
"Handelsblatt": Seit Dienstagabend ist Schluss mit "Scholzen". Der Kanzler hat sich nach monatelanger Debatte durchgerungen, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Nicht nur das, auch die Verbündeten wollen offenbar mitziehen. Die USA werden wohl ebenfalls Kampfpanzer schicken. Damit wäre dem Kanzler ein großer Wurf gelungen. Er hat dann eine eindrucksvolle Panzerallianz geschmiedet. Ein starkes Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin und die nötige Hilfe für die Ukraine im Überlebenskampf gegen den Aggressor. (...) Am Ende wird Scholz am Ergebnis gemessen. Das kann sich sehen lassen.
"Ludwigsburger Kreiszeitung": Dabei war es richtig, dass Scholz abwog, dass Kanzler Olaf Scholz nicht über jedes Stöckchen sprang und massivem Druck standhielt. Denn für Deutschlands Sicherheitsinteressen ist es relevant, dass auch andere Verbündete in großem Umfang Panzer liefern und füreinander bei Bedrohungen einstehen. Erst recht, wenn Deutschland nun Leopard 2 aus Bundeswehrbeständen schickt und damit seine Verteidigungsfähigkeiten zeitweise reduziert. Dass Scholz in dem gesamten Prozess besser hätte kommunizieren sollen, ist eindeutig. Nun bleibt zu hoffen, dass es der Westen vermag, Panzer in so großem Umfang zu liefern, dass Kiew der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive wirksam entgegentreten kann.
"Rhein Zeitung" (Koblenz): Sollte der lange Abstimmungsprozess dazu geführt haben, dass die Ukraine zu spät gestärkt wird, muss der Westen insgesamt die Verantwortung dafür tragen. Allein auf Deutschland zu zeigen, wäre billig. Denn zu oft haben es sich andere EU-Staaten und Verbündete sehr leicht gemacht, indem sie Deutschland zu Lieferungen aufforderten, selbst aber nicht dazu bereit waren. Und Scholz? Nach der Rede zur Zeitenwende braucht es bald einen weiteren großen Aufschlag des Kanzlers, aus dem seine Haltung zur Führungsrolle und sein Weg zur Panzerentscheidung ersichtlich werden. So könnte er verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.
Leopard 2, Challenger, Abrams und Co.: Daten, Fakten und Funktionen verschiedener Waffensysteme

Aber auch Kritik: "Scholz verprellt Befürworter und Gegner von Waffenlieferungen"
"Leipziger Volkszeitung": Olaf Scholz hat mit seiner zögerlichen Haltung Befürworter und Gegner von Waffenlieferungen verprellt. Natürlich muss der Bundeskanzler schwierige Entscheidungen abwägen. Verheerend ist aber der Eindruck, dass die Bundesregierung elf Monate nach Kriegsbeginn keine vorausschauende strategische Planung bei der militärischen Unterstützung der Ukraine verfolgt. Hilfreich wäre auch, der Öffentlichkeit die Gründe für solche Entscheidungen darzulegen, statt sich in Argumente zu flüchten, die am Ende wie Ausreden wirken.
"Lausitzer Rundschau" (Cottbus): Für Scholz bedeutet "enge Abstimmung insbesondere mit den USA" im Grunde: "Ohne die USA machen wir es nicht." (...) Doch der deutsche Drang zum Gleichschritt löst Unmut in Washington aus. Denn dies widerspricht zwei Prinzipien: Zum einen dem Vertrauen in die Bündnissolidarität. Scholz erweckte zumindest den Eindruck, dass er die amerikanischen Abrams-Panzer gleichsam als Versicherungsschein braucht - für den Fall der Fälle, dass westliche Kampfpanzer in Moskau wirklich einen Gegenschlag provozieren würden. (...) Zum anderen hatte Scholz erst am Sonntag in Paris viel von europäischer Souveränität gesprochen. Zu sehen ist davon zuletzt wenig.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Seit Monaten gab es eine Debatte über die Leoparden, in der auch die amerikanische Regierung deutlich erkennen ließ, dass sie eine Lieferung befürwortet. Scholz hat diese Signale entweder nicht ernst genommen oder zu spät darauf reagiert. Es trugen aber auch andere bei. (...) Da es am Dienstag auch Anzeichen für einen Sinneswandel in Washington gab, könnte Scholz am Ende doch noch einen Erfolg vorweisen. Für die Geschlossenheit des Westens wären Lieferungen aus Amerika (und Frankreich) ein gutes Signal und gerade im Falle der USA auch eines der Rückversicherung im Bündnis.
"Süddeutsche Zeitung": Die Bundesregierung hat jüngst eindrücklich demonstriert, warum sie so dringend eine gemeinsame Sicherheitsstrategie braucht: Der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine hat Kanzler Olaf Scholz erst nach einigem Krach in der Koalition und mit Verbündeten zugestimmt. (...) Die Methode Durchlavieren, mit der Scholz an Merkel anknüpft, hat sich im Falle Russlands als verheerend erwiesen. Eine Sicherheitsstrategie kann keine Außenwirtschaftsverordnung präjudizieren, aber sie muss schon Leitplanken bieten, die konkret und bindend sind, auch beim Thema Menschenrechte – andernfalls kann man sich die Sache sparen.
Internationale Presse: "Panzer-Entscheidung ist bahnbrechend für Deutschland"
"The Guardian" (Großbritannien): Die Entscheidung ist bahnbrechend für Deutschland und beendet eine monatelange schmerzhafte Debatte und Gewissensprüfung. Dass deutsche Kampfpanzer auf einem Schlachtfeld in Europa eingesetzt werden, ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Auf Deutschlands historische Verantwortung als Verursacher dieses globalen Konflikts wurde von denjenigen verwiesen, die argumentierten, es habe eine moralische Verpflichtung, Panzer zum Schutz der Opfer der russischen Aggression zu entsenden. Gleichzeitig war aber gerade Deutschlands Nazi-Vergangenheit der Grund für die Zurückhaltung von Entscheidungsträgern, die befürchteten, dass eine Verstärkung der Feuerkraft der Ukraine durch den Einsatz von Panzern zu einer Eskalation des Konflikts führen und Deutschland in Gefahr bringen könnte, als Aggressor abgestempelt zu werden."
"Der Standard" (Österreich): Scholz hat eine Entscheidung von historischer Dimension getroffen. Deutschland wird nicht nur den EU-Partnern die Zustimmung zur Lieferung der Panzer erteilen. Berlin wird selbst Leoparden liefern, angesichts der Last der deutschen Geschichte nicht trivial. Noch wichtiger: Der Kanzler hat das eng mit den USA, mit Präsident Joe Biden, abgestimmt: Deutschland handelt nur im Gleichschritt mit dem transatlantischen Partner, nach vorheriger EU-Koordinierung. EU und Nato stehen fest zueinander.
"NZZ" (Schweiz): Völkerrechtlich wird Deutschland mit der Lieferung von Kampfpanzern nicht zur Kriegspartei - aber seit wann interessiert sich Russlands Präsident Wladimir Putin für Völkerrecht? Wegen zahlreicher Waffenlieferungen ist Deutschland aus Putins Sicht möglicherweise nicht mehr weit vom Status der Kriegspartei entfernt; und Russland hat mehrmals mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gedroht. Eventuell sorgte sich Scholz aber aus anderen Gründen. In einer aktuellen Umfrage waren 46 Prozent der Deutschen für die Lieferung von Kampfpanzern, doch fast genauso viele dagegen.
"De Standaard" (Belgien): Sogar Deutschland gibt nach. Das verbessert die Chancen der Ukraine auf eine erfolgreiche Gegenoffensive. Es hat eine Weile gedauert, aber nun sind die Würfel gefallen: Deutschland wird nicht nur anderen europäischen Ländern die Erlaubnis erteilen, Leopard-Panzer in die Ukraine zu schicken, sondern will auch selbst welche liefern. (...) Warum Bundeskanzler Olaf Scholz nun doch einen Kurswechsel vollzogen hat, ist unklar. Aber vielleicht hat ihn ein Telefongespräch mit US-Präsident Joe Biden überzeugt. (...)
"La Vanguardia" (Spanien): Das Problem ist, dass Russland schon seit Tagen davor warnt, dass ein eventueller Einsatz von Leopard2-Panzern "extrem gefährlich" wäre, weil er der Ukraine erlauben würde, Gebiete anzugreifen, die (Kremlchef) Wladimir Putin als russisch betrachtet. Und dass das Russland dazu zwingen würde, ebenfalls seine Angriffe zu verstärken. Wir stehen also möglicherweise vor einer weiteren möglichen Eskalation des Krieges, wie es immer der Fall ist, wenn NATO-Länder ihre militärischen Aktionen ausweiten. Das Ende ist noch lange nicht in Sicht.