Am Holocaust-Gedenktag wird an den 27. Januar 1945 gedacht, als das Konzentrationslager in Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit wurde. Man denkt an mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die von den Nazis drangsaliert und ermordet wurden. Und an die Überlebenden, die anschließend völlig traumatisiert von ihren Erlebnissen einen Weg zurück ins Leben finden mussten. Heute leben weltweit rund 40 Prozent der Shoah-Überlebenden in Altersarmut und erhalten häufig nur die Grundsicherung. In der 199. Folge von "heute wichtig" erklärt Laura Cazés, Abteilungsleiterin in der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V., im Gespräch mit Michel Abdollahi die vielschichten Gründe: eine Mischung aus politischem Versagen, Trauma und komplexen Bildungsbiografien.
"Das Problem der Altersarmut unter Shoah-Überlebenden ist nicht neu."
Einige Jüdinnen und Juden kamen nach dem Mauerfall als Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Weil die Bundesrepublik aber zum Teil Abschlüsse und Berufsjahre nicht anerkennt, arbeiten viele in schlechter bezahlten Jobs und bekommen im Alter weniger Rente. Zudem haben nicht alle Shoah-Überlebenden Entschädigungszahlungen bekommen, manche nur Einmalzahlungen oder gerade mal wenige hundert Euro im Monat. Dazu kommt das Trauma: "Wir halten gerade in Deutschland das Bild der Shoah-Überlebenden, die dann in Schulklassen gehen, ganz hoch. Dabei muss man auch sagen, dafür mussten die Menschen die Ressourcen haben. Das waren nur ganz wenige, die das nach dieser hoch traumatisierenden Erfahrung überhaupt noch konnten. Und zwar sowohl emotional als auch tatsächlich finanziell", erklärt Laura Cazés.
Bis heute ist die jüdische Community mit Vorurteilen, Antisemitismus und Rassismus konfrontiert
Doch diese Erinnerung scheint wichtiger denn je. Zum Holocaust-Gedenktag verwies zum Beispiel der Zentralrat der Juden auf ein "erschreckendes Ausmaß an Antisemitismus" und forderte zügige Gegenmaßnahmen. Gerade auch junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren wollen über diese Zeit Bescheid wissen, deutlich mehr als ihre Eltern, ergab eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Kölner Rheingold-Instituts. Diese Generation schlägt laut dieser repräsentativen Studie auch den Bogen zu Rassismus und Antisemitismus – den Vorurteilen und dem Hass, dem Jüdinnen und Juden zum Teil bis heute ausgesetzt sind. Oft in sozialen Medien, aber nicht nur, gibt die 32-jährige Laura Cazés zu bedenken: "Social Media hilft dabei, vielen jungen, jüdischen Personen andere Identifikationspunkte zu geben. Die sehen so aus wie wir, die haben genau dieselben Probleme, wollen auch nicht nur die ganze Zeit mit der Shoah identifiziert werden. Die wollen ihre Geschichten auch vielfältig erzählen, weil sie vielschichtige Personen sind."
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