365 Tage Krieg in der Ukraine. "Wir sind in einer anderen Welt aufgewacht", sagte Außenministerin Annalena Baerbock vor einem Jahr. Die Ampel-Koalition war gerade frisch im Amt und inszenierte sich als Fortschritts-Koalition. Doch von dieser Haltung war nach dem 24. Februar 2022 wenig übrig. In dieser Nacht hat der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine überfallen. Am allermeisten trifft der Krieg nach wie vor die Menschen im Land. Tausende sind gestorben oder verletzt, Millionen mussten ihre Häuser verlassen. Währenddessen wurde in Deutschland darüber gesprochen, ob Waffen geliefert sollten und wenn ja, wie viele. In diesen 365 Tagen sind Begriffe gefallen wie die vielfach zitierte "Zeitenwende" von Bundeskanzler Olaf Scholz. Und Dinge, die viele Menschen in Deutschland lange Zeit für selbstverständlich nehmen konnten, sind es nicht mehr.
Am 24. Februar 2022 überfällt Wladimir Putin die Ukraine
In der 472. Folge des Podcast "heute wichtig" spricht Michel Abdollahi mit stern-Reporterin Bettina Sengling über das erste Jahr des Krieges. Selbst Sengling ist im Februar 2022 von dem Überfall überrascht worden, obwohl sie mehrfach vor Ort war und gerade erst aus dem Donbass kommt: "Ich hätte nie daran gedacht, dass er ausbricht. Aber als er dann wirklich ausgebrochen war, war relativ schnell klar, dass es so schnell nicht enden würde."
Als Russland die Ukraine in der Nacht zum 24. Februar 2022 angreift, hat wohl niemand mit der Standhaftigkeit der Ukraine gerechnet. Einige Expertinnen und Experten spekulierten damals, Russland habe wohl gedacht, Kiew in drei Tagen zu unterwerfen. Doch auch heute, ein Jahr nach dem Beginn des Krieges, hat Putin es nicht geschafft die Ukraine einzunehmen. Im Gegenteil. "Militärisch ist die Lage viel schwieriger, als sich das der Kreml oder Putin erhofft haben", sagt die stern-Reporterin. Die Front habe sich an der Kleinstadt Bachmut festgebissen. Dort geht es aktuell weder vor noch zurück. Doch viele Ukrainerinnen und Ukrainer wollen nicht mehr nur die Gebiete zurück, die Russland am 24. Februar angegriffen hat. Sie wollen die ganze Ukraine zurück – auch die Krim, die Putin schon im März 2014 annektiert hat.
Das sind die größten Verlierer der westlichen Sanktionen

Der ehemalige Besitzer der FC Chelsea ist der Prototyp eines russischen Oligarchen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nutzte er seine Kontakte in die Politik und konnte ein verzweigtes Firmenimperium aufbauen, indem er ehemals staatliche Unternehmen aufkaufte. Reich wurde Abramowitsch vor allem mit dem Ölkonzern Sibneft, an dem er zeitweise 80 Prozent der Aktien hielt. Hinzu kamen Beteiligungen am Aluminiumkonzern Rusal und der Fluggesellschaft Aeroflot. Von 2000 bis Juli 2008 war er Gouverneur der russischen Region Tschukotka. Einen Großteil seiner Unternehmensanteile verkaufte er Anfang der 2000er Jahre – unter anderem an den halbstaatlichen Konzern Gazprom.
"Russland ist total isoliert"
Nach dem Ausbruch des Krieges hat sich der Westen deutlich auf die Seite der Ukraine gestellt. In einer Resolution der UN-Generalversammlung haben im März 2022 141 Länder dafür gestimmt, die russische Aggression gegen die Ukraine zu verurteilen. Gleichzeitig wurden viele Sanktionen gegen Russland erhoben und westliche Industrien abgezogen. "Es gab Branchen, in denen das voll eingeschlagen hat", erklärt Bettina Sengling und nennt als Beispiel die Flugbranche. Da Russland ein großes Land mit enormen Strecken ist, sind die Menschen und die Wirtschaft auf Flugzeuge angewiesen. Nun bleiben die Ersatzteillieferungen aus dem Ausland aus, was ein Problem für die russische Bevölkerung und die Industrie darstellt. Trotzdem haben sich die westlichen Länder von den Sanktionen mehr erhofft. Geplant war, die russische Wirtschaft deutlich stärker zu schwächen. "Russland hat vor ein paar Tagen Zahlen veröffentlicht und gesagt, die Wirtschaft habe zwar ein Minus zu verzeichnen, aber nur um 2,1 Prozent", so stern-Reporterin Sengling. Ob die Zahlen so zutreffen, ist zwar fraglich. Doch andere Länder wie China und Indien, die sich nicht an den westlichen Sanktionen beteiligen, stärken den Rubel und die russische Wirtschaft. 2022 hat Russland beispielsweise mehr Mikrochips eingekauft als im Jahr 2022.
Der Krieg in der Ukraine könnte noch lange dauern
Auf die Frage, wie der Krieg enden könnte, antwortet Bettina Sengling: "Irgendwann wird es zu Verhandlungen kommen, aber zurzeit liegen die nicht in der Luft." Während die Medien vor einem Jahr noch von einem "Blitzkrieg" gesprochen haben, glaubt Sengling, dass sich der Angriff zu einem "Zermürbungskrieg" entwickeln wird. Zu viel sei passiert, als dass die Ukraine aufgeben und ihre Gebiete an Russland abgeben könnte. Auch scheint die Moral einigen Umfragen zufolge nach wie vor hoch. So schwer dieser Krieg für die Ukrainerinnen und Ukrainer ist, die seit einem Jahr sehr viele Opfer bringen und in dramatischen Verhältnissen leben müssen, ist sich Bettina Sengling sicher: "Die Menschen halten das aus."