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Deals mit Flüssig-Erdgas Die brisante Solonummer von Olaf Scholz

Keine Antwort unter dieser Nummer: Kanzler Olaf Scholz auf LNG-Mission
Keine Antwort unter dieser Nummer: Kanzler Olaf Scholz auf LNG-Mission
© Focke Strangmann / AFP
Ohne ihre Finanzen zu überprüfen, überließ Kanzler Olaf Scholz zwei LNG-Glücksrittern die Energiesicherheit Deutschlands. Recherchen von stern und Business Insider werfen nun neue Fragen zu den Hintergründen auf.

Wenn sich Olaf Scholz auf eigene Faust verabredet, droht dies nicht selten in einer Politaffäre zu enden. Das Problem hatte er schon zu Zeiten als Hamburger Bürgermeister. Seine Treffen mit den beiden Inhabern der Warburg-Bank hängen Scholz heute noch nach. Wegen krummen Cum-ex-Aktiengeschäften ermittelte damals bereits die Staatsanwaltschaft gegen die Bankiers. Mittlerweile beschäftigt die Affäre auch den Bundestag, die Union fordert einen Untersuchungsausschuss.

Seiner Vorliebe für gefährliche Solonummern scheint Scholz auch als Kanzler gerne nachzugehen. Am 15. September 2022 jedenfalls sucht Scholz in seinem Bundestagswahlkreis Potsdam den Steuerberater Stephan Knabe auf. Knabe und sein Geschäftspartner Ingo Wagner, ein Immobilienmanager aus dem badischen Bruchsal, wollen damals – ein paar Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine – ins Gasgeschäft einsteigen.

Dafür haben sie die Firma Deutsche ReGas GmbH & Co. KGaA gegründet und bei Investoren nach eigenen Angaben 100 Millionen Euro eingesammelt. Nun hoffen sie auf das große Geschäft. Allerdings haben weder Knabe noch Wagner Ahnung vom Energiesektor. Sie bauen auf die Unterstützung der Bundesregierung und von Olaf Scholz.

Über eine britische Firma chartern Steuerberater Knabe und sein Kompagnon das LNG-Terminalschiff "Neptun", eine schwimmende Fabrik, die Flüssiggas für Kraftwerke oder Heizkessel aufbereitet. Mithilfe der Bundesregierung soll die "Neptun" in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern anlegen und zur Energiesicherheit Deutschlands beitragen.

Für die beiden Glücksritter womöglich ein lukratives Geschäft. Für Scholz und die Bundesregierung ein verlockendes Angebot. Seit dem Überfall auf die Ukraine fließt aus Russland kein Gas mehr, Deutschland bereitet sich auf einen kalten Winter vor. Scholz fährt zu Knabe. Persönlich möchte er sich von der Seriosität des Steuerberaters überzeugen.

"Oh, ich will mal gucken, ob Sie echt sind", sagt Scholz. So berichtet es Knabe später der "Süddeutschen Zeitung".

Vier Monate später wird aus der Geschäftsidee Wirklichkeit. Im Januar dieses Jahres lässt sich Olaf Scholz per Helikopter nach Lubmin zur Eröffnung des LNG-Terminals fliegen. Die Tagesschau berichtet. Die Fernsehbilder zeigen den Kanzler, wie er den Gashahn aufdreht. Daneben stehen Knabe und sein Kompagnon.

Zusammen mit den beiden Glücksrittern plant die Bundesregierung mittlerweile den nächsten LNG-Terminal. Diesmal in Mukran auf der Insel Rügen. Die Pläne stoßen auf Ablehnung der Nachbargemeinde Binz. Das Ostseebad schaltet einen Anwalt ein und lässt Ende Juli 2023 Anzeige erstatten gegen die beiden Unternehmer: Verdacht auf gewerbsmäßige Geldwäsche. Die Rostocker Staatsanwaltschaft hat das Einleiten von strafrechtlichen Ermittlungen mittlerweile abgelehnt. Allerdings prüft noch die Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) eine Verdachtsmeldung der Ostseegemeinde. Die Behörde untersteht der Aufsicht der Bundesfinanzministeriums und geht Meldungen über auffällige Finanztransaktion nach, ob sie im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche stehen.

Hintergrund sind Berichte, dass ReGas-Geschäftsführer Wagner  einen Investmentfonds auf den Cayman Island betrieb und die Herkunft des Startkapitals von rund 100 Millionen Euro intransparent ist. Die ReGas-Unternehmer weisen die Vorwürfe strikt zurück. Auf Nachfrage räumt Wagner jedoch ein, dass er Eigentümer und Vorstandsvorsitzender von Cirsio Capital LLP in London war und seine Firma wiederum als Fondsmanager für den im Steuerparadies auf den Caymans Island ansässigen Fonds Cirsio Alternative Master Fund agierte. Seit 2011 ist Wagner alleiniger Eigentümer der Gesellschaft in der Karibik*.

Wie sich Scholz trickreich der Kontrolle entzieht

Mittlerweile beschäftigt sich die Union im Bundestag mit dem persönlichen Treffen von Scholz und dem Glücksritter. Es steht nicht im offiziellen Kalender des Kanzlers. Der Grund: Scholz will sich nicht als Kanzler, sondern als Wahlkreisabgeordneter von Potsdam mit Knabe getroffen haben. Abgeordnete sind nicht dazu verpflichtet, ihre Termine offenzulegen – anders als Minister und Bundeskanzler.

Dem Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer (CDU) kommt das alles verdächtig vor. Warum trifft sich der Kanzler in seiner Funktion als Abgeordneter, um persönlich die Existenz eines Unternehmers zu überprüfen, der in den lukrativen Gasmarkt investieren will?

Von der Bundesregierung will Hauer wissen, ob sich Scholz gar noch öfters mit einem der ReGas-Unternehmer getroffen oder anderweitig kommuniziert hat. Die Antwort liegt dem stern und "Business Insider" exklusiv vor. Demnach gab es über die bereits bekannten keine weiteren Treffen zwischen Scholz und den Glücksrittern. Für Hauer steht fest: "Bundeskanzler Scholz hat das Projekt zur Chefsache gemacht, vertraut aber blindlings einem Branchen-Neuling, dass schon alles geordnet laufen werde."

Hauer beunruhigt noch etwas anderes. "Die Antwort auf meine Einzelfrage offenbart die völlige Ahnungslosigkeit der Bundesregierung, woher die immensen Finanzmittel des Unternehmens Deutsche ReGas zum Ausbau der LNG-Struktur in Deutschland stammen", sagt er.

Bevor dem Zwei-Mann-Unternehmen ein Teil der Energieversorgung Deutschlands anvertraut wurde, hat es offenbar niemand in der Regierung für nötig erachtet, die Hintergründe des 100-Millionen-Euro-Startkapitals überprüfen zu lassen. Die Bundesregierung will diese Prüfung demnächst erst vornehmen: "Im Hinblick auf die geplante Vermietung des schwimmenden Flüssigerdgasterminals (Floating Storage and Regasification Unit, FSRU) des Bundes an die Deutsche ReGas wird der Bund im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten zuvor eingehende Prüfungen der Eignung und Zuverlässigkeit des möglichen Vertragspartners durchführen", heißt es in der Antwort. "Dazu gehört im rechtlich möglichen und gebotenen Umfang auch die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit und die Herkunft der Finanzmittel. Es muss sichergestellt sein, dass die Finanzierung der Energieinfrastruktur auf einer tragfähigen Finanzierung fußt."

Weiteres unbekanntes Treffen zwischen Scholz und Knabe

Offiziell will sich Scholz drei Mal mit Knabe getroffen haben, einmal als Abgeordneter und zweimal als Kanzler bei der Eröffnung von dem LNG-Terminal in Lubmin sowie bei einem "Gespräch mit Stakeholdern im Hafen Mukran", wo die Bundesregierung zusammen mit den ReGas-Unternehmern ein weiteres LNG-Terminal plant.

Recherchen von stern und "Business Insider" zeigen nun: Olaf Scholz und Stephan Knabe sind sich schon vor ihrem Termin vom 15. September 2022 begegnet. Laut einem Blogeintrag Knabes hat es bereits ein Jahr zuvor, am 15. Mai 2021, einen Termin gegeben. Die beiden sollen im Rahmen eines Wahlkampftermins mit "ausgewählten Unternehmern" im Dorint Hotel Potsdam aufeinandergetroffen sein. Laut Knabe habe es auch "Gelegenheit für einen persönlichen Austausch unter 4 Augen" gegeben.

Fragen zu diesem Treffen hat das Bundespresseamt der "zuständigkeitshalber an das Abgeordnetenbüro von Herrn Scholz" weitergeleitet. Als Abgeordneter ließ Scholz die Frage unbeantwortet, als Kanzler meint er, sie nicht beantworten zu müssen.

Die Öffentlichkeit weiß bislang wenig über die beiden Glücksritter, in deren Hände Olaf Scholz die deutsche Energiesicherheit gelegt hat. Während die Herkunft ihres 100-Millionen-Euro-Startkapitals weiter im Dunkeln liegt, zeigen Dokumente, bei welchen Banken die Deutsche ReGas GmbH & Co. KGaA ihre Konten hat: bei einem Ableger der Deutschen Bank in Luxemburg – und seit dem 1. September 2022 auch bei der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Mit den beiden Inhabern hat sich Olaf Scholz bekanntlich auch öfters auf eigene Faust getroffen.

* Die Deutsche ReGas weist darauf hin, dass die Fondsgelder der externen Investoren im Jahr 2011 ausgekehrt und der Fonds ordnungsgemäß geschlossen wurde und es keine Zahlungsflüsse von Cirsio an die Deutsche ReGas gab.

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