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Atomwaffen, Handelskriege, Größenwahn Warum Präsident Trump auch für uns gefährlich ist


Man stelle sich vor: Donald Trump wird US-Präsident. So etwa sprach man noch vor gut einem Monat von dem Szenario, das jetzt Wirklichkeit geworden ist. Der stern hat die Folgen einer Machtübernahme durchgespielt - sie machen Angst.

Dies ist eine aktualisierte Fassung der stern-Titel-Geschichte vom 29.9.2016

Das Gebäude mit der Hausnummer 1717 auf der Pennsylvania Avenue sieht auf den ersten Blick harmlos aus. Ein typisches Bürohaus im Regierungsviertel von Washington, schlichte Fassade, viel Marmor in der Lobby. Doch hier, in diesen Räumen, widmeten sich seit Wochen mehr als 100 Mitarbeiter einem Projekt, das die Welt verändern wird – der "Machtübernahme" des Donald J. Trump. Ein neu gewählter Präsident der Vereinigten Staaten kann 4000 Schlüsselpositionen neu besetzen, Minister und Regierungsstäbe, Generäle und Richter – und Trump hat vor, als Wahlsieger von diesem Recht Gebrauch zu machen. Schnell. Brutal. Mit Leuten seines Schlags.

Chris Christie etwa wird mit ziemlicher Sicherheit seinem Kabinett angehören. Der fettleibige Gouverneur aus New Jersey steht Trump an politischer Grobheit und Intrige kaum nach. An Trumps Seite dann wohl auch Rudy Giuliani, der Ex-Bürgermeister von New York, der zuletzt als antimuslimischer Hassprediger durchs Land tourte. Und auch die rechtskonservative Anwältin Ann Coulter könnte direkten Zugang zum Oval Office bekommen. Sie erklärte unlängst, sie verehre Trump wie die Nordkoreaner ihren geliebten Führer: "Ich würde für Trump sterben."

Fanatiker, Waffennarren, Rassisten, Rechtsradikale – sie alle säßen in Trumps Zentrum der Macht.

Als Trump im vergangenen Frühjahr mit Ehefrau Melania die Rolltreppe in seinem New Yorker Trump Tower heruntergefahren kam und erklärte, er wolle Präsident werden, verhöhnten ihn Zeitungen als "Clown". Nun, 16 Monate und Dutzende Skandale und Lügen später, ist der Milliardär tatsächlich am Ziel. Er hat seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton auf der Zielgeraden geschlagen und die Präsidentschaftswahl sogar deutlich gewonnen.

In der Wahlnacht hatte Trump Bundesstaat nach Bundesstaat für sich entschieden. Über Stunden war es eine extreme Zitterpartie. Der Unternehmer konnte für viele überraschend die besonders umkämpften Staaten Florida, North Carolina, Ohio und Wisconsin für sich entscheiden. Der Wahlforscher Nate Silver, einer der renommiertesten seiner Zunft, berechnete die Siegchancen für Trump im August noch auf zehn Prozent. Zwei Monate vor der Wahl lagen sie bei fast 50 Prozent. Und nun ist klar: Der Milliardär wird am 20. Januar 2017 in das Weiße Haus einziehen. Die USA und die Welt müssen sich damit auseinandersetzen, dass Donald J. Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika der mächtigste Mann des Planeten wird.

Wie geht es also jetzt weiter?

Andrew Rudalevige ist ein sachlicher Mann, so kühl und rational, wie man es bei einem der angesehensten Experten für Staatsrecht erwartet. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Gleichgewicht der Institutionen in den USA. Dabei hat er einen deutlichen Machtzuwachs beim Amt des Präsidenten festgestellt. Seine Einschätzung zu Trump fällt auch deshalb weniger sachlich als drastisch aus. Er sagt: "Ich finde Trump und seine Ideen bedrohlich."

Trump hat nach dieser Wahlnacht in beiden Häusern des Kongresses eine stabile republikanische Mehrheit, im Senat und im Repräsentantenhaus. Gesetze und Personalentscheidungen kann er viel leichter durchbringen als der scheidende Demokrat Barack Obama. "Dazu kommt: Die amerikanische Verfassung ist in vielen Punkten nicht eindeutig", sagt Rudalevige. "Sie lässt Lücken und Spielräume. Wer Macht will, kann sie sich nehmen. Trump ist nicht nur ein gefährlicher Mann, weil seine Ideen so krude sind. Das wirklich Gefährliche an ihm ist, dass er theoretisch die Macht hätte, viele davon auch umzusetzen."

Bomben zum Spielen für Donald Trump

Unter dem Kommando des US-Präsidenten stehen 13.900 Kampfjets, 72 U-Boote, 20 Flugzeugträger und mehr als 7000 Atomsprengköpfe; mit diesem Arsenal an Massenvernichtungswaffen könnte er die Menschheit 50 Mal ausradieren. Er befehligt mehr als 1,5 Millionen Soldaten, mindestens 100.000 Agenten, 2,8 Millionen Zivilisten, von seinem persönlichen Koch bis zum Ranger im Yellowstone-Nationalpark. Er kann mit einem Federstrich Staatsland zum Naturschutzgebiet erklären (was Trump überhaupt nicht will) oder bisher geschützte Regionen für die Förderung von Kohle oder Öl freigeben (was Trump unbedingt tun will).

Auch die Frage von Krieg und Frieden liegt weitgehend in seinen Händen. Zwar kann laut Verfassung nur der Kongress den Krieg erklären, in der Vergangenheit aber war dieser Grundsatz nicht viel wert. In den 50er Jahren schickte Präsident Dwight David Eisenhower mehrere Hunderttausend Mann nach Korea, ohne dass das US-Parlament dem formell zugestimmt hätte. Und im Zweiten Irak-Krieg galt die Ermächtigung für Präsident George W. Bush eigentlich nur bis zur Entmachtung von Saddam Hussein. Weitergekämpft wurde trotzdem, jahrelang. Konsequenzen für Bush hatte das nicht.

Militär soll unter Donald Trump massiv aufgerüstet werden

Trump erweckte in seinen Reden im Wahlkampf den Eindruck, er könnte ähnlich skrupellos vorgehen. Mindestens. Er will das Militär massiv aufrüsten, "größer, besser, moderner denn je". Keiner soll sich mit Trumps Amerika anlegen. Auf Wahlveranstaltungen drohte er: "Greift mich einer an, schlage ich zehnmal härter zurück." Und fügte hinzu: "Warum sollten wir uns nicht mit einer Nuke wehren dürfen?"

Eine Nuke. Das klingt niedlich. Doch Trump spricht von: Atombomben. Nach dem Abwurf der ersten beiden Nuklearbomben über Hiroshima und Nagasaki war die Frage des Einsatzes dieser "Nukes" stets eine theoretische. Es ging um Abschreckung. Zwar wurden Ziele festgelegt und Szenarien durchgespielt, doch letztlich war immer klar: Kein amerikanischer Präsident würde je befehlen, die Raketen aus den Silos steigen zu lassen, wenn nicht ein Angriff mit gleichen Waffen erfolgte.

Auf diesen Grundsatz ist auch das Prozedere zum Einsatz der Waffen ausgerichtet: Der neue Präsident wird vereidigt – und ab diesem Moment wird er immer begleitet von einem Offizier mit einem 20 Kilogramm schweren Koffer aus Leder und Aluminium. Dieser "Football" enthält vermutlich ein Satellitentelefon, Listen feindlicher Ziele und einen Brief des Präsidenten, in dem er die Amtsgeschäfte im Todesfall an seinen Vize überträgt.

Der Präsident selbst trägt außerdem eine Plastikkarte bei sich: den "Biscuit" . Sie soll wie eine Kreditkarte aussehen, auf der lange Zahlenreihen stehen – der Code zur Freigabe. Im Ernstfall würde der Präsident über die Technik des "Football" mit dem National Military Command Center im Pentagon verbunden. Dort würde er sich dann mit dem Code identifizieren und die Freigabe erteilen, anschließend müsste auch der Verteidigungsminister seinen Code eingeben, weigern dürfte er sich nicht.

Niemand kann also den Präsidenten aufhalten, wenn er Atomwaffen losschicken will. Generäle oder Regierungsangestellte können zwar den Gehorsam verweigern, wenn ein Befehl des Commander in Chief Gesetzen widerspricht. Als ein Air Force Major allerdings öffentlich die Frage stellte: "Woher weiß ich, dass der Präsident, der mir den Befehl zum Abschuss der Raketen gibt, nicht irre ist?", wurde er unehrenhaft entlassen. Er hatte die Zuverlässigkeit des Systems angezweifelt.

Donald Trump redete im Wahlkampf über Atomwaffen, als wären sie Spielzeug: "Ich schließe nichts aus. Ich würde es vorher aber nicht rausposaunen, wenn ich Nuklearwaffen gegen den IS einsetze." Mit ihm säße ein Mann im "War Room" unter dem Weißen Haus, der gern von sich behauptet, er wisse mehr als alle Generäle, aber bei Pressekonferenzen nicht erklären kann, was es mit der Doktrin der "nuklearen Triade" auf sich hat: der Fähigkeit des US-Militärs, Raketen von Land, Luft oder Wasser abzufeuern. Trump stotterte: "Für mich zählt atomar nur die Kraft, die Zerstörung ist mir sehr wichtig." Bei ihm wären die Atomwaffen in den Händen eines Mannes, der damit prahlt, unberechenbar zu sein.

Dabei folgt er keiner Ideologie und hat keine politischen Grundsätze. Bisher war es erklärtes Ziel der Weltmacht, möglichst wenige Atommächte neben sich zu haben. Mehr als zehn Jahre feilschten Unterhändler deswegen mit dem Iran. Donald Trump hingegen antwortete auf die Frage, ob auch Saudi-Arabien Atombomben haben wird, mit nur einem Wort: "Absolut." Auch die atomare Bewaffnung von Japan und Südkorea hält er für denkbar. Die Staaten sollen sich um ihre Konflikte selbst kümmern. Trump sagt: "Südkorea wird Nordkorea ziemlich schnell auslöschen. Viel Glück, Leute. Habt Spaß."

Eigennutz als erstes Prinzip

Manches davon war wohl Wahlkampfgetöse, Trump weiß, was er seiner Marke schuldig ist. Und doch scheint es bisweilen, als stecke mehr dahinter – als übertrage der Milliardär Erfahrungen aus der Geschäftswelt auf die internationale Diplomatie. Bei Geschäften kann Unberechenbarkeit den Vorteil bringen. Der Bluff mag dort ein legitimes Mittel sein – auf dem Feld der nuklearen Abschreckung aber kann er die Welt für immer zerstören.

Der laut Eigenbezeichnung "beste Dealmaker aller Zeiten" will das kapitalistische Prinzip des Eigennutzes auf den Umgang mit Verbündeten übertragen. Die USA sollten kein Weltpolizist mehr sein, die Nato sei "obsolet". Zwar ist der Austritt der USA aus der Nato unwahrscheinlich – denn dem müsste der Kongress zustimmen, was selbst angesichts republikanischer Mehrheiten kaum zu erwarten ist –, doch Trump kann jederzeit seine Drohung wahr machen, Verbündeten im Verteidigungsfall nicht zu Hilfe zu kommen. Er drückt seine Haltung gern so aus: "Die Länder, die wir verteidigen, müssen dafür bezahlen, wenn nicht, müssen sie damit rechnen, dass die USA nicht mehr helfen werden." Wird kein Schutzgeld gezahlt, sollen Soldaten und Ausrüstung abgezogen werden.

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Merkel-Berater stufen Donald Trump als "sehr, sehr gefährlich" ein

In Berlin plant man seit einiger Zeit für den schlimmsten Fall. Berater von Kanzlerin Angela Merkel stufen Trump als "sehr, sehr gefährlich" ein. Die Bundeskanzlerin sah sich gezwungen, intern zur Mäßigung zu mahnen: Präsidenten großer Länder dürfe man nicht als "Quartalsirre" bezeichnen. Man müsse ja, so gewählt, am Ende auch mit ihnen zusammenarbeiten.

Paris, London und Berlin treibt gleichermaßen die Sorge um, die von Trump geführten USA würden die Europäer endgültig alleinlassen mit dem Pulverfass Naher Osten. Damit müsste auch die Bundeswehr mit deutlich mehr Einsätzen rechnen, ethische Fragen würden neu aufgeworfen, genauso finanzielle: Finanzminister Wolfgang Schäuble stellt sich deswegen darauf ein, nach dem Wahlsieg Trumps mehr Mittel für den Verteidigungshaushalt bereitstellen zu müssen.

Die Wahrheit wird zur Variablen

Und während sich also die westliche Welt auf den Albtraum vorbereitete, entwarf Donald Trump zu Hause Träume von Glanz und Größe. So auch vor einigen Wochen, bei seinem Auftritt vor dem New Yorker Wirtschaftsklub im Hotel Waldorf Astoria in Manhattan. Trump trägt blauen Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte, die Farben Amerikas. Er ist über zwei Zentner schwer, aber er bewegt sich schnell und geschmeidig. Seine Gesichtshaut schimmert orange vom Sprüh-Make-up, seine gebleichten Zähne blitzen. Er gibt seine liebste Rolle, die Rolle des "Winner". Der Teleprompter streikt, Trump zieht entspannt einen zerknitterten Notizzettel aus der Jackentasche. Zeit zur Improvisation.

Und die Wahrheit wird zur Variablen, derer sich dieser Mann nach Stimmung und Thema bedient – oder eben nicht.

Zur Einstimmung beginnt Trump mit dem Horror. Nicht zehn Millionen Amerikaner, sondern 92 Millionen seien arbeitslos. Ford ziehe gerade mit einer ganzen Fabrik nach Mexiko. Eine Schande sei das. Dann fährt er fort mit den Versprechen aus dem Trump'schen Paradies: Alle würden mehr verdienen, Unternehmen nur noch 15 statt 35 Prozent Steuern zahlen, mit ihm als Präsidenten gebe es in den nächsten zehn Jahren 25 Millionen neue Jobs – ja, unter ihm, dem sagenhaften Trump, kehre der Wohlstand heim ins Mutterland des Kapitalismus. Amazon und Apple brächten ihre Milliardengewinne zurück, die neuen Wolkenkratzer würden nur noch mit amerikanischem Stahl gebaut, amerikanische Autos beherrschten die Straßen, amerikanische Flugzeuge die Luft, amerikanische Schiffe die Meere. "Amerikanische Hände werden diese Nation aufbauen. Wir machen Amerika wohlhabend, stark und wieder ganz groß."

Die Folgen dieser Vision malte die Ratingfirma Moody's unlängst in ganz anderen Farben aus. Sie prophezeite eine Wirtschaftskrise, schlimmer als 2008. Millionen Amerikaner verlören Hab und Gut. Weltweit würden Ersparnisse in Billionenhöhe ausgelöscht.

Seinem Übernahmeteam in der Pennsylvania Avenue 1717 gab Donald Trump die Anweisung, fertige Pläne für etwa zwei Dutzend seiner Vorhaben auszuarbeiten. Nachdem er am 20. Januar auf den Treppen des Kapitols den Amtseid gesprochen hat, will er ins Oval Office eilen und sofort loslegen. Gleich in der "ersten Stunde" seiner Amtszeit plant er, zwei Dutzend präsidiale Verfügungen zu erlassen. Diese "Executive Orders" sind die stärksten Mittel, über die der Präsident verfügt. Sie können ohne vorherige Zustimmung des Kongresses in Kraft gesetzt werden. Einzige Einschränkung: Sie dürfen der Verfassung und bestehenden Gesetzen nicht widersprechen.

Alle amerikanischen Präsidenten erließen "Executive Orders". Ronald Reagan strich öffentliches Geld für Abtreibungen. Bill Clinton schickte Truppen nach Jugoslawien. Barack Obama sicherte so einen Mindestlohn für Staatsbedienstete. Und ein Präsident Trump?

Der könnte damit den Atomdeal mit dem Iran kündigen. Und sich weigern, das Klimaabkommen von Paris umzusetzen. Und aus dem Transpazifischen Handelsabkommen (TPP) aussteigen. Und die Verhandlungen mit den Europäern über TTIP abbrechen. Trump könnte damit, so hat es der Ökonom Mark Zandi ausgerechnet, "einen Handelskrieg" auslösen, "in dessen Folge vier Millionen Amerikaner ihre Jobs verlieren könnten".

Kleiner Zaun statt hoher Mauer

Auch sein Lieblingsprojekt, den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, will Trump über eine "Executive Order" anschieben. Rechtlich ist das unproblematisch. Ein Land darf seine Grenzen schützen. Wie es das macht, ist ihm überlassen. Für die Mauer gibt es eine andere Hürde: das Geld.

Die etwa 1600 Kilometer lange Grenzsperre aus bis zu zehn Meter hohen Betonplatten würde bis zu 25 Milliarden Dollar kosten. Dieses Geld müsste der Kongress bewilligen, was trotz republikanischer Mehrheit nicht zu erwarten ist. Neue Schulen, Straßen und Flughäfen werden dringender gebraucht. Am Ende also könnte "die unüberwindbar starke, mächtige, schöne Mauer" zu einem schlichten Zaun schrumpfen. Die Finanzierung für ein solches Bauwerk beschloss der Senat bereits 2006 – mit Zustimmung der damaligen Senatorin Hillary Clinton.

Bei seinen Plänen zur Massendeportation illegaler Ausländer könnte Trump wiederum an rechtlichen Hürden scheitern. Innerhalb von zwei Jahren, so sein Plan, sollen die Illegalen "zusammengetrieben und schnell abgeschoben werden" . Allerdings hat jeder ein Recht auf eine Anhörung. "Diese Prozesse werden sich über viele Jahre hinziehen" , sagt der Chicagoer Rechtsprofessor Eric Posner. Der konservative Think tank "The American Action Forum" hat berechnet, dass Trump 90.000 Spezialkräfte engagieren müsste, um diejenigen aufzuspüren, die er abschieben will. Die möglichen Nebenwirkungen einer derartigen Aktion: Hausdurchsuchungen, Telefon- und E-Mail-Überwachungen, Unruhen und Gewalt. Am Ende müssten riesige Internierungslager errichtet werden. Kosten: bis zu 600 Milliarden Dollar – die der Kongress kaum freigeben wird.

Über die Amtszeit hinaus

Warum aber treibt Trump diese bizarren Vorhaben weiter voran? Ist sein lustvoll inszenierter Populismus nur die Maske des Kandidaten? Kann die Welt darauf hoffen, dass ihn das Oval Office zähmt? Dass er sich am Ende im Amt doch gesprächsbereit zeigt?

Sicher ist, dass seine Tiraden im Wahlkampf der amerikanischen Demokratie mehr geschadet haben als alle Duelle der vergangenen Jahrzehnte zusammen. Er lügt – und kommt damit davon. Er spaltet – und wird bejubelt. Er hetzt – und gewinnt an Zustimmung. Nie war die politische Auseinandersetzung bösartiger, nie der soziale Friede in größerer Gefahr.

Hätte Trump verloren, so wären die USA dennoch ein verändertes Land.

Aber jetzt hat er gewonnen.

Ein Präsident Trump dürfte Amerika politisch weit über seine Amtszeit hinaus prägen. Homoehe, die allgemeine Krankenversicherung, all die Errungenschaften des liberalen Amerika stehen auf der Kippe, denn gerade gegen diese Gesetze wird immer wieder vor dem Obersten Gerichtshof geklagt. Seit dem Tod eines Richters streiten sich Konservative und Liberale über die Besetzung, wichtige Entscheidungen liegen nun auf Eis. Der nächste Präsident kann die Blockade mit einem Richter seiner Wahl lösen. Die Position wird auf Lebenszeit vergeben. Drei weitere Richter sind um die 80 Jahre und älter. Trump wird diese Chance nutzen. Auf seine Art.

Die Wähler in den USA haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie willens sind, Extreme zu korrigieren. Auf den sanftmütigen Jimmy Carter folgte der Kalte Krieger Ronald Reagan. Nach dem Falken George W. Bush wählten sie Barack Obama, der mit allen Frieden wollte. Würde auf den Hetzer Trump ein Versöhner folgen? Oder spielt der in seiner eigenen Liga mit Folgen, die der politische Beobachter Adam Gopnik so formuliert: "Die Geschichte zeigt, Länder erholen sich nicht schnell von Übernahmen durch instabile autoritäre nationalistische Führer, egal, ob von rechts oder links."

Noch im Oktober warnten 375 Wissenschaftler, angeführt von Physiker Stephen Hawking, in einem offenen Brief vor Trump. 75 ehemalige amerikanische Diplomaten bekannten öffentlich, nicht für Trump zu stimmen, weil er die "komplexen Herausforderungen, vor denen die USA stehe", nicht begreife. 50 republikanische Sicherheitsexperten glauben, der Milliardär könnte zum "rücksichtslosesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte" werden. George Bush der Ältere wollte für Hillary Clinton stimmen. Und Bruce Springsteen sagt: "Die Wahl Donald Trumps wäre eine Tragödie für unsere Demokratie."

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