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Schwerer Zwischenfall Lufthansa-A350 muss in Angola notlanden – deutscher Augenzeuge berichtet

Ein A350 der Lufthansa im Sinkflug über der angolanischen Hauptstadt Luanda
Eine Animation zeigt einen A350 der Lufthansa im Sinkflug über der angolanischen Hauptstadt Luanda.
© Screenshot: Flightradar24
Ein Linienflug der Lufthansa von Kapstadt nach München musste nach einem Triebwerksausfall in Angola notlanden. Ein deutscher Augenzeuge berichtet dem stern exklusiv von chaotischen Zuständen.

Ein Airbus A350 der Lufthansa musste am Samstag auf dem internationalen Flughafen der angolanischen Hauptstadt Luanda mit mehr als 200 Personen an Bord notlanden. Der Flug LH575 war auf dem Weg aus dem südafrikanischen Kapstadt nach München. Angolanische Medien berichten, dass die Besatzung auf dem Flug ein Feuer in einem der Triebwerke entdeckt habe. Laut dem portugiesisch-sprachigen Medium "Correio da Kianda" bat die Crew gegen 14.18 Uhr um Erlaubnis zur Notlandung. Etwa 35 Minuten nach Meldung des Notfalls sei die Maschine auf der Hauptlandebahn des Flughafens gelandet.

Lufthansa äußert sich zum Vorfall

Auf Anfrage des stern äußerte sich auch die Lufthansa selbst zu dem Vorfall. Ein Sprecher bestätigte, dass sich 271 Passagiere an Bord befunden haben.

Der Lufthansa-Flug LH575 von Kapstadt nach München ist vorsorglich am Samstag außerplanmäßig in Luanda gelandet. Grund hierfür war eine technische Unregelmäßigkeit in einer Triebwerksanzeige des Airbus A350-900. [...] Die Sicherheit an Bord war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt.

Die von angolanischen Medien erwähnte Flammenentwicklung in dem Triebwerk bestätigte die Lufthansa auf Nachfrage nicht. 

Blick aus dem Lufthansa-Airbus aus nach der Notlandung in Luanda.
Blick aus dem Lufthansa-Airbus aus nach der Notlandung in Luanda.
© Privat / stern

Augenzeuge aus Deutschland

In dem Flugzeug befand sich nach stern-Informationen auch ein Hamburger Geschäftsmann. Im Telefon-Interview berichtete der 44-Jährige von dem aus seiner Sicht "besorgniserregenden Zwischenfall" auf seinem Heimflug. Schon der Abflug sei mit eineinhalb Stunden verspätet gewesen. Unter anderem fehlendes Licht auf den Toiletten ließ nach Aussagen des Mannes Probleme mit der Bordelektronik vermuten. Als sich der A350 auf Höhe des angolanischen Luftraums befand, informierte der deutsche Pilot demnach die Passagiere über Bordfunk, dass man bald in Luanda notlanden müsse und aus Sicherheitsgründen eines der Triebwerke ausgeschaltet werden müsste. Laut Lufthansa entschied sich der Capitan zur Landung eines der beiden Triebwerke vorsorglich abzuschalten und mit Prioritätsstatus in Luanda zu landen.

Bange Minuten an Bord

Die Landung in Luanda war nach Auskunft eines Lufthansa-Sprechers "eine kontrollierte Sicherheitslandung". Zuvor kreiste der Jet einige Minuten, um Kerosin zu verbrauchen, um das Gesamtgewicht des Flugzeugs für die Zwischenlandung zu reduzieren. Das sei ein routiniertes Standardverfahren in der Luftfahrt, so der Sprecher weiter. Einigen Passagieren sei die Angst im Gesicht gestanden, so der Hamburger. Ohne Rückschub landete die Maschine schließlich langsam auf der Hauptlandebahn. Feuerwehrfahrzeuge hätten sofort parat gestanden. "Der Pilot hat einen Mega-Job gemacht", versicherte der Mann und berichtete auch, dass die gesamte Besatzung auf ihn einen "fertigen Eindruck" machte. Die Erleichterung sei allen anzusehen gewesen. Als etwas befremdlich beschrieb der Unternehmer, der auf Wunsch anonym bleiben möchte, die Zustände nach der Notlandung.

Technische Unregelmäßigkeiten führten zur Notlandung des A350 der Lufthansa – hier ist LH575 unmittelbar nach dem Zwischenfall zu sehen.
Technische Unregelmäßigkeiten führten zur Notlandung des A350 der Lufthansa – hier ist LH575 unmittelbar nach dem Zwischenfall zu sehen.
© Privat / stern

Pässe vom Militär abgenommen

Erst nach Stunden des Wartens hätte man den Flieger verlassen dürfen. Da alle Passagiere selbstredend keine Einreise- und Covid-Dokumente für Angola hätten vorweisen können, habe das angolanische Militär zu rigorosen Maßnahmen gegriffen. Sämtliche Pässe der Passagiere seien vorsorglich einkassiert worden. Immerhin organisierte die Lufthansa umkompliziert Hotelübernachtungen für die Gestrandeten – lediglich das Flugticket hätte beim Einchecken vorgezeigt werden müssen. Unterstützung bei der Organisation der Weiterreise hätte es von der Lufthansa nicht gegeben – "Fehlanzeige, keine einzige Mail", sagte der Fluggast aus Deutschland sichtlich verwundert.

Chaotische Zustände: Laut Augenzeugen wurden die Pässe der Passagiere vom angolanischen Militär in Beschlag genommen – offenbar wegen fehlender Einreisedokumente.
Chaotische Zustände: Laut Augenzeugen wurden die Pässe der Passagiere vom angolanischen Militär in Beschlag genommen – offenbar wegen fehlender Einreisedokumente.
© Privat / stern

Weiterreise über Dubai selbstorganisiert

Die Weiterreise hätte sich der Mann dann selbst organisieren müssen. Seinen Pass habe er auf Nachfrage von einem sogenannten "Operation Manager" zurückbekommen. Handschriftlich mit den Nachnamen der Reisenden markiert, hätten die Reisepässe ausgebreitet auf einem großen Tisch gelegen. Er könne nur spekulieren, wo diese über Nacht gelagert wurden. Der früheste Rückflug, der dem Hamburger angeboten wurde, sei auf Mittwoch (über Brüssel) datiert gewesen.

Sein Emirates-Rückflug über Dubai schlägt mit mehr als 6000 Euro zu Buche, die der Mann zunächst aus eigener Tasche bezahlt. In dem gestrandeten LH575-Flug hätten viele deutsche Urlauber gesessen, auch Familien mit Kleinkindern. Denen hätten die chaotischen Zustände sichtbar zugesetzt. So sei einer Familie mit drei Kindern als zeitigste Rückreisemöglichkeit der 12. Dezember angeboten worden.

Kurz vor seinem Abflug schrieb der 44-jährige Hamburger per WhatsApp: "Die Economy Class in meinem Flieger ist halbleer und die Lufthansa lässt die Leute in Angola sitzen".

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